Arbeitsmarkt

Internet-Profis sind gefragt wie nie

29.08.2013
Von Andrea König
Die Nachfrage nach Internet-Experten ist groß und wird noch zunehmen. Auf Bewerber warten Jobs in den Bereichen Mobile, Business Intelligence, Produkt- und Customer-Relationship-Management.
Dirk Köhler, Goodgame Studios: „Den Schritt in die Internet-Branche habe ich nie bereut. Die Branche entwickelt sich ständig weiter, und man lernt jeden Tag dazu."
Dirk Köhler, Goodgame Studios: „Den Schritt in die Internet-Branche habe ich nie bereut. Die Branche entwickelt sich ständig weiter, und man lernt jeden Tag dazu."
Foto: Privat

Dirk Köhler ist einer von 210.000 Beschäftigten, die laut Studie des eco-Verbandes und der Unternehmensberatung Arthur D. Little heute in der deutschen Internet-Wirtschaft arbeiten. Bis 2016 rechnen die Studienautoren mit einem Zuwachs von weiteren 80.000 Arbeitsplätzen. „Den Schritt in die Internet-Branche habe ich nie bereut. Die Branche entwickelt sich ständig weiter, und man lernt jeden Tag dazu", sagt Köhler, der als Lead Flash Developer beim Hamburger Spieleentwickler Goodgame Studios arbeitet. Wie viele kam der 33-Jährige über Umwege in die Branche. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und einigen Jahren Berufserfahrung holte er die Fachhochschulreife nach und studierte an der FH Lübeck Informationstechnologie. Eher zufällig rutschte er in die Games-Branche und fing in einer Hamburger Spielefirma als Entwickler für Browser-Games an. Programmieren hatte er sich selbst beigebracht.

Keine vorgezeichneten Karrierepfade

Köhlers Werdegang verdeutlicht, was den Internet-Arbeitsmarkt auszeichnet. „Es gibt keine vorgezeichneten Karrierepfade, sondern es kommt auf Leistung und Berufserfahrung an. Wer während des Studiums bereits spannende Projekte übernommen hat, kann damit punkten", sagt Personalberaterin Saskia Thurm von First Circle. „Internet-Firmen und Online-Abteilungen von eher tradierten Unternehmen suchen nach wie vor sehr intensiv nach Online-Experten." Und keinem der Unternehmen falle es leicht, IT-Positionen zu besetzen.

Matthias Busold, Kienbaum: "Gut qualifizierte Kandidaten mit Berufserfahrung bewerben sich nicht auf ausgeschriebene Stellen."
Matthias Busold, Kienbaum: "Gut qualifizierte Kandidaten mit Berufserfahrung bewerben sich nicht auf ausgeschriebene Stellen."
Foto: Privat

Arbeitgeber suchen nach Entwicklern, Analysten, Administratoren oder Beratern mit Internet-Schwerpunkt. Für Kienbaum-Personalberater Matthias Busold gibt es drei Schwerpunkte: „Programmierer sowie Spezialisten für Frontend und Business Intelligence (BI) werden enorm nachgefragt." Wer hier ein Studium und gute Projekte nachweisen könne, habe beste Aussichten. Exzellente BI-Spezialisten bringen ein mathematisch orientiertes Studium und Berufserfahrung in einem Unternehmen mit, das BI erfolgreich umsetzt. „So ein Kandidat bewirbt sich aber in der Regel nicht auf ausgeschriebene Stellen", sagt Busold.

An dieser Stelle beginnen die Schwierigkeiten für die Arbeitgeber. „Schalten Unternehmen ohne eine starke Arbeitgebermarke oder mit nicht positiv belegten Produkten Anzeigen für diese drei Hauptfelder, bewerben sich nur sehr wenige qualitativ hochwertige Kandidaten", weiß der Kienbaum-Personalberater. Dazu kommen häufig Standortschwierigkeiten. „Die Online-Industrie konzentriert sich stark auf Berlin, München und Hamburg. Unternehmen an anderen Standorten haben Probleme bei der Stellenbesetzung, das erleben wir sogar schon bei Ausschreibungen in Frankfurt oder im Rheinland", sagt Personalberaterin Saskia Thurm.

Begehrte Mobile-Entwickler

Saskia Thurm, First Circle: „Es gibt keine vorgezeichneten Karrierepfade, es zählt die Leistung und die Berufserfahrung.“
Saskia Thurm, First Circle: „Es gibt keine vorgezeichneten Karrierepfade, es zählt die Leistung und die Berufserfahrung.“
Foto: Privat

Während die große Nachfrage nach Internet-Experten Personalern Kopfschmerzen bereitet, profitieren Bewerber. Sie können unter einer Vielzahl spannender Tätigkeiten wählen, etwa im Mobile-Umfeld, wie Christof Müller von der Immobilien Scout GmbH bestätigt: „Mobile ist bei uns gerade ein Riesenthema", sagt Müller. Neben der Entwicklung bieten Arbeitgeber hier Jobs in den Bereichen Mobile Advertising und Mobile Payment. Spannende Positionen findet man auch im Produkt-Management. Während Entwickler ohne Führungsverantwortung laut Kienbaum-Berater Busold von zwischen 30.000 Euro für eine Juniorposition und 60.000 Euro für eine Seniorposition verdienen, sind es bei Produkt-Managern zwischen 45.000 und 80.000 Euro. Sie verantworten je nach Unternehmensgröße eine komplette Website beziehungsweise eine Unterseite.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist Customer-Relationship-Management (CRM). „In großen Unternehmen gibt es riesige CRM-Abteilungen, die durch Auswertungen dafür sorgen, dass Kunden auch Kunden bleiben", erläutert Beraterin Thurm. Das Clustern und Auswerten ungefilterter Daten sei eine analytische Tätigkeit, auf der das Kampagnen-Management aufsetze. Immer mehr Internet-Firmen, gerade im E-Commerce- und Travel-Segment, würden nun nachziehen und Spezialisten für CRM einstellen.

Nicht nur die Nadel im Heuhaufen, auch Internet-Experten sind schwer zu finden.
Nicht nur die Nadel im Heuhaufen, auch Internet-Experten sind schwer zu finden.
Foto: Dreadlock - Fotolia.com

Interessante Jobs gibt es in kleinen wie großen Firmen. Wofür man sich entscheidet, hängt für Thurm vom Bewerber ab: „In kleineren Unternehmen übernimmt man weitreichendere Aufgaben, lernt sehr schnell sehr viel und muss Eigeninitiative zeigen. Konzerne dagegen sind viel arbeitsteiliger organisiert." Der Kampf um Talente wird dramatisch schwieriger werden, prophezeit Berater Busold, dessen Buch „War for Talents" im August erscheint: „Alle Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass ihnen gute Mitarbeiter stärker abgeworben werden."

Der eingangs vorgestellte Dirk Köhler hat sich zwei Jahre nach seinem Einstieg in der Internet-Branche für einen Wechsel zu Goodgame Studios entschieden, weil er mehr Verantwortung übernehmen wollte. Heute betreut er die Entwicklung des Clients von Online-Spielen und mit ihr ein Team von über 30 Programmierern. In Vorstellungsgesprächen achte er besonders auf die Persönlichkeit der Kandidaten: „Sie müssen in unser Team passen, lernwillig sein und eine Leidenschaft für die Spiele-Programmierung mitbringen." Sei das gegeben, schaue er über fehlende Berufserfahrung hinweg. Diese Kenntnisse könne man sich auch im Beruf aneignen.

"In Berlin herrscht kein Mangel an Internet-Experten"

Christof Müller, ImmobilienScout24: "Generell bevorzugen wir Bewerber mit Berufserfahrung."
Christof Müller, ImmobilienScout24: "Generell bevorzugen wir Bewerber mit Berufserfahrung."
Foto: Immobilien Scout GmbH

Christof Müller, Senior HR Recruiter bei ImmobilienScout24, sucht wie viele andere Mobile-Experten. Unbesetzte Stellen gibt es für ihn nicht, da er auch auf Weiterbildung der Mitarbeiter setzt.

CW: Welche Internet-Profis suchen Sie?

Müller: Stark nachgefragt sind Entwickler mit Java-Spezialisierung. Darüber hinaus suchen wir auch Systemadministratoren, Systemarchitekten und Datenbankexperten. Mobile ist bei uns gerade ein Riesenthema. In diesem Bereich brauchen wir Entwickler mit Java-, Android-, iOS- oder HTML5-Kenntnissen.

CW: Welche Anforderungen stellen Sie an Bewerber für diese Jobs?

Müller: Generell bevorzugen wir Bewerber mit Berufserfahrung. Doch es gibt auch Ausnahmen von dieser Regel. Es kommt immer wieder vor, dass Studenten bei uns Praktika und Werkstudentenaufenthalte absolvieren, ihre Abschlussarbeit im Unternehmen schreiben und dann direkt eingestellt werden.

CW: Wie wichtig sind Ihnen Soft Skills?

Müller: Neben den Fachkenntnissen müssen erfolgreiche Bewerber soziale Kompetenzen mitbringen. Das verlangt allein schon unsere Arbeitsweise. Wir arbeiten bei Immobilienscout abteilungsübergreifend mit der Scrum-Methodik.

CW: Wie beurteilen Sie den Markt für Internet-Experten?

Müller: Das ist sicher von Region zu Region unterschiedlich. Bei uns in Berlin würde ich nicht von einem Mangel sprechen. Trotzdem bleiben nur sehr wenige qualifizierte Kandidaten übrig, wenn man jemanden mit Fachkenntnissen und ausgeprägter Sozialkompetenz sucht.

CW: Was tun Sie, wenn sich eine Stelle nicht besetzen lässt?

Müller: Dann machen wir einen unserer Mitarbeiter durch eine Weiterbildung fit für die Stelle. Den idealen Wunschkandidaten gibt es noch nicht.