Dirk Köhler ist einer von 210.000 Beschäftigten, die laut Studie des eco-Verbandes und der Unternehmensberatung Arthur D. Little heute in der deutschen Internet-Wirtschaft arbeiten. Bis 2016 rechnen die Studienautoren mit einem Zuwachs von weiteren 80.000 Arbeitsplätzen. „Den Schritt in die Internet-Branche habe ich nie bereut. Die Branche entwickelt sich ständig weiter, und man lernt jeden Tag dazu", sagt Köhler, der als Lead Flash Developer beim Hamburger Spieleentwickler Goodgame Studios arbeitet. Wie viele kam der 33-Jährige über Umwege in die Branche. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und einigen Jahren Berufserfahrung holte er die Fachhochschulreife nach und studierte an der FH Lübeck Informationstechnologie. Eher zufällig rutschte er in die Games-Branche und fing in einer Hamburger Spielefirma als Entwickler für Browser-Games an. Programmieren hatte er sich selbst beigebracht.
Keine vorgezeichneten Karrierepfade
Köhlers Werdegang verdeutlicht, was den Internet-Arbeitsmarkt auszeichnet. „Es gibt keine vorgezeichneten Karrierepfade, sondern es kommt auf Leistung und Berufserfahrung an. Wer während des Studiums bereits spannende Projekte übernommen hat, kann damit punkten", sagt Personalberaterin Saskia Thurm von First Circle. „Internet-Firmen und Online-Abteilungen von eher tradierten Unternehmen suchen nach wie vor sehr intensiv nach Online-Experten." Und keinem der Unternehmen falle es leicht, IT-Positionen zu besetzen.
Arbeitgeber suchen nach Entwicklern, Analysten, Administratoren oder Beratern mit Internet-Schwerpunkt. Für Kienbaum-Personalberater Matthias Busold gibt es drei Schwerpunkte: „Programmierer sowie Spezialisten für Frontend und Business Intelligence (BI) werden enorm nachgefragt." Wer hier ein Studium und gute Projekte nachweisen könne, habe beste Aussichten. Exzellente BI-Spezialisten bringen ein mathematisch orientiertes Studium und Berufserfahrung in einem Unternehmen mit, das BI erfolgreich umsetzt. „So ein Kandidat bewirbt sich aber in der Regel nicht auf ausgeschriebene Stellen", sagt Busold.
An dieser Stelle beginnen die Schwierigkeiten für die Arbeitgeber. „Schalten Unternehmen ohne eine starke Arbeitgebermarke oder mit nicht positiv belegten Produkten Anzeigen für diese drei Hauptfelder, bewerben sich nur sehr wenige qualitativ hochwertige Kandidaten", weiß der Kienbaum-Personalberater. Dazu kommen häufig Standortschwierigkeiten. „Die Online-Industrie konzentriert sich stark auf Berlin, München und Hamburg. Unternehmen an anderen Standorten haben Probleme bei der Stellenbesetzung, das erleben wir sogar schon bei Ausschreibungen in Frankfurt oder im Rheinland", sagt Personalberaterin Saskia Thurm.
- Der Traumarbeitsplatz eines Informatikers...
...befindet sich in IT-Firmen, Forschungsinstitutionen, Autokonzernen oder Internet-Firmen. Die Berliner Marktforscher von Trendence haben mehr als 6.600 Informatikstudenten aus ganz Deutschland befragt, wo sie gern arbeiten möchten. Hier die 30 attraktivsten Arbeitgeber 2013. - Platz 30: ProSiebenSat1 Media AG
Medienkonzerne sind insbesondere unter angehenden Informatikerinnen beliebt. - Platz 27: Max-Planck-Gesellschaft
Sie gehört für IT-Studenten zu den ersten Adressen, wenn es um Innovation geht. Hier im Bild die Max Planck Science Gallery in Berlin. - Platz 24: EADS
Der Konzern mit seinen Töchtern Airbus, Eurocopter, EADS Astrium und EADS Defence & Security landete im Vorjahr auf Platz 22. - Platz 22: Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz...
hat sich auch in diesem Jahr in den Top 30 behauptet. Forschungseintrichtungen ziehen insbesondere die 25 Prozent Besten eines Jahrgangs an. - Platz 21: Intel
Intel Open Network Platform Switch Reference Design - Platz 19: Electronic Arts
Computerspiele locken den IT-Nachwuchs. Spielehersteller Electronic Arts behauptete seinen Platz vom Vorjahr und teilt sich ihn mit einem Konzern... - Platz 19: Deutsche Telekom
Deutschlands größter TK-Konzern inklusive des größten IT-Dienstleisters T-Systems machte im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze gut. - Platz 18: Bundesnachrichtendienst BND
Der BND, hier im Bild die Zentrale in Berlin gehört schon seit Jahren zu den 20 beliebtesten Arbeitgebern für Informatikstudenten. - Platz 17: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
Auch diese Bundesbehörde hat einen festen Platz in den Top 20 der IT-Arbeitgeber. Im Vorjahr landete das BSI auf Platz 15. - Platz 16: Porsche
Informatikstudenten lieben nicht nur Computerspiele, sondern auch (deutsche) Autos. Die VW-Tochter Porsche ist einer von fünf Autoherstellern unter den Top 20. - Platz 14: Bosch Gruppe
Das Unternehmen, das den weltgrößten Automobilzulieferer Robert Bosch und 300 Tochterfirmen umfasst, hat im Vergleich zum Vorjahr einen Platz im Ranking gut gemacht. - Platz 13: Crytec
Spielehersteller Crytek war 2011 der größte Aufsteiger im Ranking der beliebtesten IT-Arbeitgeber und konnte seine Top-Platzierung fast halten. - Platz 12: Volkswagen
Um einen Platz konnte sich VW - hier die Golffertigung im VW Werk Wolfsburg - im Vergleich zum Vorjahr verbessern. - Platz 11: Fraunhofer Gesellschaft
Der IT-Nachwuchs will forschen. Darum ist die Fraunhofer Gesellschaft mit ihren zahlreichen Instituten eine feste Größe unter den Top Twenty. - Platz 10: Blizzard Entertainment
Von null auf Platz sechs gelang dem Spielerhersteller Blizzard Entertainment der größte Sprung im Vorjahr. Dieses Jahr vier Ränge schlechter. Vielleicht hat sich schon herumgesprochen, dass Blizzard in Deutschland gar keine Niederlassung hat? - Platz 8: Audi
Die VW-Tochter ist seit Jahren nicht nur für Ingenieure, sondern auch für Informatiker eine Top-Adresse, wenn es um Jobs geht. (Vorjahr Platz sechs). - Platz 7: Siemens
Deutschlands größter Konzern war noch vor elf Jahren der beliebteste Arbeitgeber der Informatikstudenten. Hier im Bild die jüngst eröffneten Smart Mobile Labs von Siemens in München. - Platz 6: IBM
Martina Koederitz, IBM-Deutschland-Chefin, kann sich dieses Jahr nicht so recht freuen: IBM rutschte im zweiten Jahr in Folge ab. 2011 war IBM noch auf Platz 2. - Platz 5: Apple
Die Beliebtheit von iPad und iPhone strahlt offenbar auf das Image als Arbeitgeber ab. ( Vorjahr Platz 3). - Platz 4: BMW
Von zehn auf Platz vier. Der bayerische Autohersteller wird unter Informatikern immer beliebter und hat auch zahlreiche offene IT-Stellen zu besetzen. - Platz 3: Microsoft
Im Great Place to Work-Wettbewerb als attraktivster Arbeitgeber in der It ausgezeichnet, landet die Gates-Company hier auf Platz drei und verliert im Vergleich zum Vorjahr einen Platz. - Platz 2: SAP
Die Walldorfer Softwareschmiede hat mit Microsoft den Platz getauscht und rückt auf Platz 2 vor. - Doch die meisten Informatikstudenten...
...wollen wie schon seit fünf Jahren..... - ..bei Google arbeiten.
Mit 24,5 Prozent der Stimmen behauptet sich Google - hier das Entwicklungszentrum in München - auf Platz eins des Rankings. - Ob es an solchen Besprechungsräumen liegt?
Begehrte Mobile-Entwickler
Während die große Nachfrage nach Internet-Experten Personalern Kopfschmerzen bereitet, profitieren Bewerber. Sie können unter einer Vielzahl spannender Tätigkeiten wählen, etwa im Mobile-Umfeld, wie Christof Müller von der Immobilien Scout GmbH bestätigt: „Mobile ist bei uns gerade ein Riesenthema", sagt Müller. Neben der Entwicklung bieten Arbeitgeber hier Jobs in den Bereichen Mobile Advertising und Mobile Payment. Spannende Positionen findet man auch im Produkt-Management. Während Entwickler ohne Führungsverantwortung laut Kienbaum-Berater Busold von zwischen 30.000 Euro für eine Juniorposition und 60.000 Euro für eine Seniorposition verdienen, sind es bei Produkt-Managern zwischen 45.000 und 80.000 Euro. Sie verantworten je nach Unternehmensgröße eine komplette Website beziehungsweise eine Unterseite.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist Customer-Relationship-Management (CRM). „In großen Unternehmen gibt es riesige CRM-Abteilungen, die durch Auswertungen dafür sorgen, dass Kunden auch Kunden bleiben", erläutert Beraterin Thurm. Das Clustern und Auswerten ungefilterter Daten sei eine analytische Tätigkeit, auf der das Kampagnen-Management aufsetze. Immer mehr Internet-Firmen, gerade im E-Commerce- und Travel-Segment, würden nun nachziehen und Spezialisten für CRM einstellen.
Interessante Jobs gibt es in kleinen wie großen Firmen. Wofür man sich entscheidet, hängt für Thurm vom Bewerber ab: „In kleineren Unternehmen übernimmt man weitreichendere Aufgaben, lernt sehr schnell sehr viel und muss Eigeninitiative zeigen. Konzerne dagegen sind viel arbeitsteiliger organisiert." Der Kampf um Talente wird dramatisch schwieriger werden, prophezeit Berater Busold, dessen Buch „War for Talents" im August erscheint: „Alle Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass ihnen gute Mitarbeiter stärker abgeworben werden."
Der eingangs vorgestellte Dirk Köhler hat sich zwei Jahre nach seinem Einstieg in der Internet-Branche für einen Wechsel zu Goodgame Studios entschieden, weil er mehr Verantwortung übernehmen wollte. Heute betreut er die Entwicklung des Clients von Online-Spielen und mit ihr ein Team von über 30 Programmierern. In Vorstellungsgesprächen achte er besonders auf die Persönlichkeit der Kandidaten: „Sie müssen in unser Team passen, lernwillig sein und eine Leidenschaft für die Spiele-Programmierung mitbringen." Sei das gegeben, schaue er über fehlende Berufserfahrung hinweg. Diese Kenntnisse könne man sich auch im Beruf aneignen.
"In Berlin herrscht kein Mangel an Internet-Experten"
Christof Müller, Senior HR Recruiter bei ImmobilienScout24, sucht wie viele andere Mobile-Experten. Unbesetzte Stellen gibt es für ihn nicht, da er auch auf Weiterbildung der Mitarbeiter setzt.
CW: Welche Internet-Profis suchen Sie?
Müller: Stark nachgefragt sind Entwickler mit Java-Spezialisierung. Darüber hinaus suchen wir auch Systemadministratoren, Systemarchitekten und Datenbankexperten. Mobile ist bei uns gerade ein Riesenthema. In diesem Bereich brauchen wir Entwickler mit Java-, Android-, iOS- oder HTML5-Kenntnissen.
CW: Welche Anforderungen stellen Sie an Bewerber für diese Jobs?
Müller: Generell bevorzugen wir Bewerber mit Berufserfahrung. Doch es gibt auch Ausnahmen von dieser Regel. Es kommt immer wieder vor, dass Studenten bei uns Praktika und Werkstudentenaufenthalte absolvieren, ihre Abschlussarbeit im Unternehmen schreiben und dann direkt eingestellt werden.
CW: Wie wichtig sind Ihnen Soft Skills?
Müller: Neben den Fachkenntnissen müssen erfolgreiche Bewerber soziale Kompetenzen mitbringen. Das verlangt allein schon unsere Arbeitsweise. Wir arbeiten bei Immobilienscout abteilungsübergreifend mit der Scrum-Methodik.
CW: Wie beurteilen Sie den Markt für Internet-Experten?
Müller: Das ist sicher von Region zu Region unterschiedlich. Bei uns in Berlin würde ich nicht von einem Mangel sprechen. Trotzdem bleiben nur sehr wenige qualifizierte Kandidaten übrig, wenn man jemanden mit Fachkenntnissen und ausgeprägter Sozialkompetenz sucht.
CW: Was tun Sie, wenn sich eine Stelle nicht besetzen lässt?
Müller: Dann machen wir einen unserer Mitarbeiter durch eine Weiterbildung fit für die Stelle. Den idealen Wunschkandidaten gibt es noch nicht.