Über Enterprise Social Networking (ESN) könnte man in Abwandlung eines angejahrten Sponti-Spruchs sagen: Stell dir vor es ist Revolution, und keiner geht hin. Revolution deshalb, weil ja mit dem Einsatz von facebook- oder twitterhaften Werkzeugen zur Verbesserung der internen Kommunikation große Verheißungen verbunden waren - und noch sind. Wer ärgert sich nicht mindestens einmal am Tag über die elektronische Post, weil sie nicht Netzwerk ist, sondern Rohrpost. Durch dieses Rohr pumpen die lieben Kollegen alles, was vielleicht irgendwer lesen könnte oder müsste.
Sie könnte so schön sein, die Welt ohne Anhänge und CCs. Doch obwohl technisch ausgereift und nicht notwendigerweise teuer, setzt sich ESN nur sehr schleppend durch. Viele Plattformen, die mit großer Begeisterung vor allem von Seiten des Topmanagements eingeführt wurden, verstaubten heute in einer verlassenen Ecke der Unternehmens-IT wie ein alter Desktop-PC im Regal über dem Kopierer.
Gartner-Analystin Carol Rozwell schätzt, dass 70 bis 80 Prozent aller Unternehmen, mit denen sie über ihr ESN spricht, massive Umsetzungsprobleme haben.
"Wir erleben sehr oft, dass Vorstände von der Technologie begeistert sind und ihre Erwartungen daran orientieren, wie schnell Consumer Social-Networks gewachsen sind. Und dann denken sie, mit dem richtigen Tool erreichen wir unternehmensintern ähnliche Mitmach-Quoten. Diese Gleichung geht aber fast nie auf", so Rozwell.
Business-Ziele müssen klar sein
Anders gesagt genügt es nicht, den Kollegen ein mächtiges Netzwerk mit individuellen Profilen, File Sharing, Mikroblogging und Foren zu schenken, das in seiner Logik Facebook ähnelt.
Was dagegen notwendig ist, sind Business-Ziele, die mit der Einführung einer solchen Plattform erreichet werden sollen. Und diese Ziele müssen den Mitarbeitern gegenüber klar formuliert werden: Sie wollen wissen, wie genau ihnen die neue Technik dabei helfen kann, ihren Job besser oder schneller zu erledigen als bisher.
ESNs sollten Teil vorhandener Business-Lösungen sein oder zumindest eine erkennbare Verbindung zu Anwendungen wie ERP, CRM oder CMS haben. Denn dann ist die neue Kommunikationsplattform schlicht ein Werkzeug unter vielen, und es gibt keinen Grund, es nicht zu benutzen.
Doch an dieser Einbindung hapert es: Wegen schlechtem Management der Projekte und übertriebener Technologie-Gläubigkeit werden bis Ende 2015 etwa 80 Prozent aller Versuche, interne Business-Netzwerke zu etablieren, die anvisierten Ziele verfehlen, schätzt Gartner.
Dabei sind die Möglichkeiten enorm, niemand zweifelt daran. "ESN eignen sich besonders dazu, geographische Entfernungen zu überwinden und gemeinsam mit anderen Projekte anzuschieben", so Rob Koplowitz von Forrester Research.
Facebook ist ein trügerisches Vorbild
Ganz so, wie es Facebook im privaten Umfeld mit großem Erfolg gelingt. Diesen Erfolg auch für eigene Zwecke zu nutzen, das schaffen Unternehmen besser als den Aufbau eines eigenen Facebooks. Etwa jede siebte Firma in Deutschland setzt Social Media für die Öffentlichkeitsarbeit ein, jedes zehnte plant darüber hinaus einen solchen Einsatz. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Meinungsforscher von TNS Infratest, die Ende vergangenen Jahres knapp 1900 Betriebe zu dem Thema befragt hatten.
- Social-Business-Plattformen im Vergleich
Wenn Teams Projekte gemeinsam bearbeiten, können Social-Business-Plattformen eine sinnvolle Lösung sein. Mit ihrer Hilfe kann die Kommunikation konstant und übersichtlich gestaltet werden, insbesondere dann, wenn die Beteiligten über mehrere Standorte verteilt sind. Allerdings passt nicht jede Software zu jedem Team. Der folgende Vergleich gibt einen Angebotsüberblick. - SharePoint Online (Office 365)
"SharePoint Online" ist eine Lösung des amerikanischen Anbieters Microsoft, die den Fokus auf die gemeinsame Bearbeitung von Inhalten legt.
Produkt: SharePoint <br> SaaS-Version: SharePoint Online <br> Preisstruktur: P1: 2,50 € je Nutzer/Monat P2: 5,70 € je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /- xelos.net team
Entwickelt von der Blueend Web:Applications AG aus Wiesbaden, deckt "xelos.net team" viele Einsatzszenarien insbesondere für kleine bis mittelständische Unternehmen ab.
Produkt: xelos.net <br> SaaS-Version: xelos.net team <br> Preisstruktur: 8,32 € je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: 5 Nutzer <br> max. Nutzer: 50 Nutzer- Jive Essentials
Der US-amerikanische Hersteller Jive Software legt den Schwerpunkt seiner Lösungen auf die Ablage und Verwaltung von Inhalten beziehungsweise Dokumenten mit sozialen Aspekten. - JiveScreenshot-Profiles
Produkt: Jive <br> SaaS-Version: Jive Essentials <br> Preisstruktur: 12 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: 25 Nutzer, Jahresvertrag erforderlich <br> max. Nutzer: / - Podio Teams
Podio ist ein Angebot des US-amerikanischen Unternehmens Citrix, das vor allem die Arbeit mit strukturierten Informationen erleichtern soll.
Produkt: Podio <br> SaaS-Version: Podio Teams <br> Preisstruktur: 9 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /- Bitrix24 Standard
Bitrix ist ein 1998 gegründetes Unternehmen mit Hauptsitz in Kaliningrad, Russland. Die Lösung fokussiert sich stark auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen.
Produkt: Bitrix24 <br> SaaS-Version: Bitrix24 Standard <br> Preisstruktur: 99 €/Monat bis 199€/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: unbegrenzt
Produkt: Yammer <br> SaaS-Version: Yammer Enterprise <br> Preisstruktur: 3 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /
Allerdings hängt dieses Engagement stark von der Unternehmensgröße ab, bei den Großen bedient sich schon jede vierte Company der Beliebtheit von Facebook. Und diese Nutzung beschränkt sich keineswegs auf das B2C-Segment; auch Firmenkunden lassen sich über Soziale Medien erreichen. Unterschiedlich ist das Engagement auch nach Branchen. An der Spitze steht die Dienstleistungssparte mit 23 Prozent Nutzungsanteil, am Schluss die Bauwirtschaft mit lediglich zwei Prozent.
Den massenhaften Gebrauch von unternehmensinternen sozialen Netzwerken erkennen die Macher der Deutschland-Studie von TNS Infratest dagegen nicht. Nach ihren Erkenntnissen nutzen lediglich sieben Prozent der kleinen und mittelständischen Betriebe und zwölf Prozent der der Großunternehmen Social Media zur internen Kommunikation.
Die Gründe für das Ausbleiben dieser Revolution sind vielfältig. Einer dürfte sein, dass die Mitarbeiter keine Lust haben, täglich noch eine "Inbox" zu checken, nachdem sie schon eine halbe Stunde lang die wirklich wichtigen E-Mail unter einer dicken Schicht von Müll hervorgezerrt haben.
Beispiel Atos: Der Abschied von E-Mails bleibt schwierig
Andere - vor allem Menschen, die privat Facebook und ähnliches nicht nutzen - verspüren eine generelle Abneigung gegen Foren und Postings. Um solche Hemmungen zu überwinden, wäre intensive Schulung notwendig, Mitarbeiter sollten dadurch lernen, wie sie zum Beispiel durch die Nutzung der ESN-Plattform auf Teile der nervenden E-Mail-Kommunikation verzichten können.
Vorausgesetzt, sie wollen das. Den vielen Spam hassen zwar alle, andererseits haben sich aber auch alle an die E-Mail-Kommunikation und alles, was damit zusammenhängt, gewöhnt. Diese Erfahrung machen auch die Berater von Atos, deren ehrgeiziges Projekt "Zero-E-Mail" sich 2011 zum Ziel gesetzt hatte, bis Ende 2013 E-Mails aus der unternehmensinternen Kommunikation vollständig zu verbannen.
Die Widerstände waren erheblich, und 100-Prozentig erreicht wurde das Ziel nicht. Trotzdem ist man bei Atos mit den Ergebnissen mehr als zufrieden, weil der Aufbau von ESNs und das Erlernen des Umgangs damit das Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter nachhaltig verändert und damit einen Mentalitätswandel eingeläutet hat.
Das GE Colab von General Motors
Dass ein solcher Wandel machbar ist, beweist auch das Beispiel General Electric (GE). Der Mischkonzern betreibt ein internes Kern-Netzwerk für zentrale Funktionen - GE Colab genannt, das allen 300.000 Mitarbeitern weltweit zur Verfügung steht. Darüber hinaus gibt es mehrere weitere ESNs für spezielle Aufgaben oder bestimmte Abteilungen.
GE Colab wird intensiv genutzt, in ca. eineinhalb Jahren verzeichnete es etwa 50 Millionen Page Views, Hunderte von Communities sind entstanden. Den entscheidenden Grund für den Erfolg sieht Andrew Markowitz, der für die globale Digital-Strategie Verantwortliche bei GE, in der Tatsache, dass es sich hier nicht um eine Lösung handelte, die sich ein Problem suchen musste.
GE wollte den Zugang zu Informationen erleichtern und hat seine Mitarbeiter von Beginn an dazu motiviert, Colab zu nutzen, hat ihnen klargemacht, wie und warum sie mit diesem Tool schneller Informationen und Kontakte innerhalb der riesenhaften Organisation finden.
Führungskräfte sollten Vorbild bei der Nutzung sein
Wichtig sind natürlich auch Vorbilder, auch das zeigen die Beispiele Atos und GE: C-Level-Manager müssen bei der Nutzung neuer Werkzeuge ebenso vorangehen wie Abteilungsleiter. Tun die Häuptlinge dies nicht, kann auch niemand von den Indianer erwarten, mit Begeisterung bei der Sache zu sein.
- Vor dem Start
Bevor CIOs in sozialen Netzwerken aktiv werden, sollten sie sich informieren, wie das Thema bei ihrem Arbeitgeber gehandhabt wird. Mittlerweile gibt es in vielen Unternehmen Social Media Guidelines mit Verhaltensregeln, wie Beschäftigte sich in sozialen Netzwerken bewegen sollten, wenn sie als Mitarbeiter des Unternehmens nach außen auftreten. - Eine klare Strategie überlegen
Idealerweise überlegt man sich vor den ersten Aktivitäten, warum man in sozialen Netzwerken aktiv sein möchte. Möchte man sich als Experte zu einem Thema positionieren, über die Produkte des Arbeitgebers schreiben oder neue Mitarbeiter finden? - Zielgruppe festlegen
Steht die Strategie, fällt es dem CIO leichter, die Zielgruppe für seine Social Media-Aktivitäten zu definieren. - Aktivitäten auswählen
Kennt man seine Strategie und seine Zielgruppe, trifft man die Entscheidung für konkrete Plattformen. Das können Xing, Linkedin und je nach Branche auch Facebook sein. Vielleicht ist auch ein Blog der richtige Kommunikationskanal für Strategie und Zielgruppe. - Auf den Umgang mit persönlichen Informationen achten
Wer als CIO in sozialen Netzwerken aktiv ist, sollte auch seine persönlichen Informationen pflegen. Das bedeutet nicht, dass man viel über sich preisgeben muss. Man sollte jedoch darauf achten, dass die Profile keine veralteten Daten enthalten und man Privates und Berufliches nicht vermischt. Wer auch berufliche Kontakte auf Facebook bestätigt, sollte sie so kategorisieren, dass sie private Fotos und Postings nicht sehen können. - Das richtige Profilbild
Wer in sozialen Netzwerken aktiv ist, sollte - auch als CIO - mit einem aktuellen Profilbild vertreten sein. Besonders professionell ist der Auftritt, wenn man das gleiche Porträtbild für alle Plattformen nutzt, auf denen man aktiv ist. Damit es auch in den Suchmaschinen korrekt angezeigt wird, sollte die Datei den Namen des CIOs tragen. - Auf Regelmäßigkeit achten
CIOs müssen im Web 2.0 keine Beiträge wie am Fließband produzieren. Allerdings wäre es von Vorteil, wenn man auf eine gewisse Kontinuität achtet. - Vor Identitätsdiebstahl schützen
Als Manager stehen CIOs in der Öffentlichkeit und sollten Vorsichtsmaßnahmen vor Identitätsdiebstahl ergreifen. Dazu gehört es zwingend, besonders sichere Passwörter zu wählen. - Fotos ohne Geodaten
Wer nicht möchte, dass andere auslesen können, wo ein Schnappschuss entstanden ist, sollte sicherstellen, dass im Internet veröffentlichte Fotos keine geokodierten Metadaten enthalten. Im Zweifel empfiehlt es sich, vorsichtigere Privatsphäreeinstellungen zu wählen.