Die Flugbranche verlässt sich in ihrer Preisgestaltung seit den 1980er Jahren auf das sogenannte "Dynamic Pricing". Hierbei werden die Preise für Flüge an den aktuellen Marktbedarf angepasst. Das strategische Ziel dieses Prinzips war es bislang, eine Vielzahl von Kundensegmenten gemäß ihrer individuellen Zahlungsbereitschaft adressieren zu können. Hierfür werden verschiedene Variablen, zum Beispiel die Abflugzeit, die Flugstrecke und die Aufenthaltsdauer, einbezogen und auf dieser Basis der Flugpreis berechnet. Wie der Lufthansa Innovation Hub versucht, diese Herangehensweise zu revolutionieren, zeigt die Bewerbung zum DIGITAL LEADER AWARD 2020.
"Diese Strategie hat sich bis heute kaum verändert. Stattdessen führt ein zunehmend schärferer Preiswettbewerb dazu, dass Revenue Manager mit sinkenden Margen auskommen müssen", erläutert Kristian Weymar, Senior Venture Development Manager vom Lufthansa Innovation Hub die aktuellen Herausforderungen in einem dynamischen Marktumfeld der Fluggesellschaften. Aufgrund dieser Ausgangssituation hat es sich der Lufthansa Innovation Hub als zentrale Digitalisierungs- und Innovationseinheit der Lufthansa Group zur Aufgabe gemacht, eine Softwarelösung für innovative Preisgestaltung zu entwickeln, die sowohl den Revenue Managern der Airlines als auch den Kunden Vorteile verschafft: REVENEO.
Mit REVENEO sollen Revenue Manager neue Umsatzquellen und Kundengruppen erschließen können. Außerdem soll damit die Kundenbindung und -zufriedenheit gesteigert werden. Für den Fluggast ist REVENEO außerdem ein neuartiges Ticketangebot, das besser auf seine individuellen Bedürfnisse eingeht.
Vom Kundenfeedback zum Konzept
Der Startschussfiel im Juni 2019. Gemeinsam mit dem Revenue Management der Lufthansa Group und inspiriert von Netflix, Spotify und Co. wurde das Konzept für die neue Softwarelösung erarbeitet. Als wichtiger Anhaltspunkt dienten unter anderem auch Interviews mit Kunden und mit Kollegen aus dem Konzern. Aus diesen Gesprächen konnten die entsprechenden Bedürfnisse abgeleitet werden und in die Entwicklung einfließen.
Bereits zwei Monate später begann die technische Umsetzung der Softwarelösung mit dem Ziel, durch eine 100 prozentige Automatisierung die Lösung skalierbar und effizient nutzbar zu machen. Insbesondere die Tatsache, dass nach dem "Lean-Startup"-Prinzip gearbeitet wurde führte dazu, dass bereits im Oktober 2019 mit dem SWISS Airlines Flightpass der erste kundenzentrierte und agile Prototyp an den Start gehen konnte. Diese "10er-Karte fürs Fliegen" überzeugte sowohl die Kunden als auch die Airlines. "Alle im Vorfeld definierten KPIs wurden erfüllt oder übertroffen, die Neukundenquote lag mit 21 Prozent weit über dem Zielwert von 15 Prozent", schildert Weymar den Erfolg des ersten Tests.
Zwei Monate vom ersten bis zum zweiten MVP
Dadurch gewann das Projekt weitere Unterstützer innerhalb des Konzerns und schon im Dezember 2019 ging mit dem Austrian Airlines Flightpass der zweite MVP live. Auch hier wurden wieder alle im Vorfeld definierten KPIs erfüllt, weshalb seither stetig an der Erweiterung des Angebots gearbeitet wird.
Im Zuge der Entwicklung von REVENEO wurde innerhalb des Lufthansa Innovation Hubs, eine neue Art von "test and learn"-Kultur etabliert. Kurzfristig entwickelte Features wurden schnell am Markt getestet, Kundenbefragungen und Analytics-Tools gaben wichtige Hinweise für die Produktoptimierung in Wochensprints. Konsequenterweise ließen sich so Features, die von den Kunden gut angenommen wurden, weiterentwickeln und verbessern und Anwendungen, die nicht funktionierten, zügig einstellen.
REVENEO mit Nutzen für die gesamte Flugbranche
REVENEO ist als White-Label-Lösung airline-agnostisch angelegt und kann daher auch für alle Airlines außerhalb der Lufthansa Group eingesetzt werden. Die Landingpages werden hierfür einfach im jeweiligen Design der Airline erstellt. Die Basis-Infrastruktur enthält eine Payment Engine für die Zahlungsabwicklung, eine Booking Engine für die vollautomatische Buchung der Tickets und eine Revenue Accounting Engine für die korrekte Verbuchung der generierten Umsätze.
Die verschiedenen Preismodule reichen von der bereits erwähnten Zehnerkarte über eine Art Bahncard-Modell bis hin zu Auktionsverfahren für Flugtickets. Die Preismodule lassen sich vollautomatisiert und ohne manuellen Aufwand in die Basisinfrastruktur integrieren, was dem Revenue Manager volle Transparenz und Autonomie beim Testen und Implementieren verschafft. Kristian Weymar hierzu: "Heute können wir mit Stolz behaupten, dass durch den hohen Automatisierungsgrad der Software für den Betrieb eines neuen Preismoduls keinerlei manueller Aufwand notwendig ist."
Der Blick über den Branchentellerrand hinaus und die Adaption branchenfremder Preismodelle ist dem Lufthansa Innovation Hub mit REVENEO gut gelungen und führt zu einem vollkommen neuen Ansatz für die Bepreisung von Flügen. Mit Abomodellen wie dem SWISS Air Lines Flightpass und dem Austrian Airlines Flightpass oder der Discount-Card, die dem Modell der Bahncard ähnelt, können sowohl Revenue Manager der Fluggesellschaften als auch Fluggäste in Zukunft von einer individuelleren Preisgestaltung und einer automatisierten Abwicklung profitieren.