Innovation aus der CIO-Perspektive: Chief Innovation Officer

29.11.2007
Die Rolle des Chief Information Officer ist im Wandel. Nicht nur als Betreiber eines makellosen IT-Betriebs, auch als Stratege und Innovator mit engem Bezug zum Business ist er gefragt.

Business Manager wollen IT-Verantwortliche, die "so sind wie sie selbst. Sie sollen die IT als Führungsaufgabe auf Management-Level angehen", sagt Tina Nunno, Analystin bei Gartner. Erwartet werde, dass die IT-Chefs ihre Kompetenz als Kenner der abteilungs- und konzernübergreifenden Prozesse in die Waagschale werfen und das Business verstehen. Gartner-Kollege Ken McGee geht noch einen Schritt weiter. Für ihn müssen CIOs keine gelernten Techniker sein, sie benötigten keinen Informatik- oder Mathematik-Abschluss. In fünf Jahren könne es in vielen Unternehmen dazu kommen, dass CIOs gar nicht mehr für den IT-Betrieb zuständig seien. Dann gehe der IT-Betrieb möglicherweise in eine separate Verantwortung über. McGee betonte, dies sei ein Gedankenspiel, mit dem sich Gartner beschäftige, noch sei es nicht so weit.

CIOs sind auf dem Sprung ins Topmanagement, meint Personalberater Reynold Lewke.
CIOs sind auf dem Sprung ins Topmanagement, meint Personalberater Reynold Lewke.

Doch die Aussagen passen zu denen von Reynold Lewke, Principal der Personalberatung Egon Zehnder International: Für ihn ist ein guter CIO nicht zuletzt Stratege und Innovator. Als Headhunter, der weltweit die besten CIOs vermittelt, beobachtet Lewke ein Phänomen, das vor allem in Deutschland auftrete: Viele CIOs verstecken sich hinter ihrer Rolle als IT-Betreiber. Sie wachen über Standards, Sicherheit und Kosten und lassen sich damit in die Rolle des Zensors und Verhinderers drängen. "Innovation ist gleich Risikobereitschaft", mahnt Lewke zum Aufbruch.

Eine Veranstaltung der COMPUTERWOCHE, in der es um den Innovationsbeitrag der IT im Unternehmen ging, zeigte, dass die Aufbruchstimmung bereits da ist. Die teilnehmenden CIOs diskutierten engagiert darüber, was ihre IT-Organisation tun kann, um das Unternehmen voranzubringen. Voraussetzung ist natürlich ein reibungsloser und effizienter IT-Betrieb, ohne den – darin bestand Einigkeit – eine IT-Organisation im Unternehmen nicht ernst genommen wird. Sind jedoch die Hausaufgaben bezüglich Governance und Sourcing, IT-Service-Management und Projektabwicklung gemacht, gibt es durchaus Mittel, Innovationen voranzutreiben.

Die Möglichkeiten unterscheiden sich von Branche zu Branche erheblich. Auf einen Nenner kamen die CIOs jedoch in der Erkenntnis, dass eine optimale Einbindung des Kunden mit seinem Feedback und seinen Bedürfnissen große Chancen für ein Unternehmen bietet. So stellte sich also die Frage, wie die IT dazu beitragen kann, Kundenwissen und -informationen effektiv für Produktion und strategische Ausrichtung zu nutzen. "In vielen Unternehmen sind die meisten Geschäftsprozesse - und damit die IT-Architektur - noch nicht am Kunden ausgerichtet. Das muss sich ändern", sagte Michael Nilles, CIO bei der Bosch Rexroth AG. Als Kernproblem erkannte er, dass das Geschäftsmodell vieler Unternehmen historisch um organisatorische Silos wie Geschäftsbereiche oder Technologiefelder gebaut wurde und damit eine ganzheitliche Markt- und Kundenorientierung oft nur im Marketing, weniger jedoch in den Fulfillment- und Serviceprozessen möglich ist.

Kunden-Feedback einsammeln

CIOs bei der Arbeit: Um das Thema Innovation ging es auf der Veranstaltung CIO Beyond in Zürich.
CIOs bei der Arbeit: Um das Thema Innovation ging es auf der Veranstaltung CIO Beyond in Zürich.

Eine grundlegende Veränderung könnten Web-2.0-Techniken bewirken. Social Networks, Wikis, Blogs – das alles sind Plattformen, auf denen Kunden Feedback loswerden können, theoretisch eine Goldmine für Unternehmen. Allerdings ist der Umgang mit unstrukturierten Daten und ihre Einbindung in die Unternehmens-IT für die meisten Firmen schwierig. Wenn wir diese Dinge hereinlassen, brauchen wir eine Aufbauorganisation, die damit umgehen kann. Das Risiko, in einer Flut von Informationen unterzugehen, ist beträchtlich", warnte Jens Hittmeyer, CIO der Maxdata AG.

Trotzdem war er sich mit den anderen Diskutanten einig darin, dass die IT hier eine Chance hat. Allerdings nicht, wenn sie mit diesem Thema in ihrer "üblichen, strukturierten Art" umgehe, dann dauere es zu lange. Die IT-Macher zeigten sich risikobereit: Man könne mit einem simplen Projekt einfach mal beginnen, die Ergebnisse auswerten und die "Learnings" auf andere Produkte und Services anwenden. Es gehe um schnelle Antworten für Marketing, Vertrieb oder Produktentwicklung. "Das ganze Vorgehensmodell ist iterativ", so Hittmeyer, Fehler müssten in Kauf genommen werden, um weiterzukommen.

Unter den CIOs bestand Konsens darin, dass man auf Policies und Regeln vorerst verzichten müsse und diese später "retrospektiv entwickeln" könne. Sinnvoll sei es aber, einen Risiko-Manager mit an Bord zu nehmen, um die größten Rechts- und Sicherheitsprobleme zu umschiffen. Die Initiative könne dann von einer Taskforce oder einem virtuellen Team mit Teilnehmern aus den betroffenen Funktionen ausgehen, das aber nicht mehr als zwölf Mitarbeiter umfassen dürfe, "damit noch etwas vorangeht".

Prozessketten aufbrechen und neu zusammensetzen

Das Kunden-Feedback in die Wertschöpfungsketten einzubeziehen ist aus IT-Sicht nur die eine Seite der Medaille. Die zweite große Chance für Innovationen bietet das Aufbrechen von Wertschöpfungsketten und das Einbeziehen von Partnern in Collaboration-Netzwerke, die klassische Lieferketten zunehmend ersetzen. Unternehmen analysieren ihre Prozesse, definieren deren Einzelteile und vergeben sie – global – an Spezialisten, die ihren Fokus auf die Lösung der Teilprobleme legen.

"Collaboration erfolgt nicht nur unter Menschen, sondern auch auf Maschinen- und Prozessebene", verdeutlichte Johannes Helbig, CIO der Deutschen Post AG, die Ausmaße der Veränderung. Das habe völlig neue Prozessmodelle zur Folge, etwa wenn Teile der internen Leistungserbringung auch auf dem Markt angeboten und zu Umsatzträgern würden. Er nannte das Beispiel der Postbank, die als Dienstleister auch den Zahlungsverkehr für die Deutsche und die Dresdner Bank übernommen hat.

Die IT, so zeigte die Diskussion, ist heute kaum in der Lage, die permanente Zerschlagung und Neuzusammensetzung der Prozessketten zu unterstützen, geschweige denn, die Prozessketten und Prozessnetze zu transformieren. Monolithische Anwendungen und fehlende Schnittstellen stellen ein gravierendes Hindernis dar, ebenso das Fehlen von Prozessdesign, modularisierbaren Systemen (Web-Services), Service-Level-Agreements (SLAs) und Tools zur unternehmensübergreifenden Prozesssteuerung. Widerstände gibt es auch beim Personal, das keinen Wert darauf legt, Prozessketten aufzubrechen und damit die Auslagerung von Teilprozessen zu erleichtern. Auch Sicherheitsrisiken werden oft als Killerargumente angeführt.

"Dort wo es um transaktionsbasiertes Arbeiten geht und um Stücklisten, ist es schwierig, stabile Produktionsketten sinnvoll aufzubrechen", beobachtet Thomas Henkel, Vice President Global IT bei der Amer Sports Corp., Helsinki. Einfacher sei es im Bereich Forschung und Entwicklung, da kreative Prozesse nicht so starr strukturiert und deutlich flexibler sind. Der Einsatz von Collaboration-Tools habe sich hier besonders bewährt.

Der Ansatzpunkt für die IT, so der Konsens in dieser Arbeitsgruppe, liegt im Prozessdesign. Ablaufketten verstehen, Potenziale erkennen und Entkoppelungspunkte definieren seien die Aufgaben, die von der IT als querstehender Institution gelöst werden können. "Es geht hier um eine völlig neue Rolle für die IT", sagte Post-CIO Helbig. "Von unserer Ausbildung und intellektuellen Veranlagung her sind wir es, die solche Prozesse denken müssen. Wir sind quer zu allen anderen Unternehmensbereichen aufgestellt. Das ist eine Chance für die IT!" Man darf gespannt sein, ob die CIOs diese Chance wahrnehmen werden. (hv)