CIO des Jahres

CIO des Jahres 2023

Ingo Elfering transformiert die Fresenius-IT

19.10.2023
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs „CIO des Jahres“. Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Der CIO des Jahres 2023 formte aus der klassischen Konzern-IT von Fresenius einen reaktionsschnellen Business-Partner, der Innovationen vorantreibt. Herzlichen Glückwunsch, Ingo Elfering!
  • CIO des Jahres 2023
  • 1. Platz, Kategorie Großunternehmen
Ingo Elfering, CIO von Fresenius, überzeugte die Jury zum "CIO des Jahres 2023" auf ganzer Linie.
Ingo Elfering, CIO von Fresenius, überzeugte die Jury zum "CIO des Jahres 2023" auf ganzer Linie.
Foto: Fresenius SE

Lässt sich ein schwerer Tanker zu einem wendigen Speedboat umbauen? Ingo Elfering, Group CIO von Fresenius, und sein Team zeigen, wie es gehen kann. Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit mehr als 300.000 Angestellten, der Produkte für Dialyse, Krankenhäuser und ambulante medizinische Versorgung offeriert. "IT und Digitalisierung sind wesentliche Innovationstreiber für das Business", sagt Elfering. Sie ermöglichten der Branche grundlegend neue Geschäftsmodelle. So ließen sich etwa mithilfe von Data Analytics neue Therapien und Dienstleistungen in der Heimdialyse entwickeln, aber auch Entscheidungshilfen für Diagnosen und Telemedizin.

Als Elfering Mitte 2020 von Bayer Crop Science zu Fresenius wechselte, waren die Voraussetzungen nicht ideal. Die IT war stark fragmentiert und dezentral aufgestellt, teilweise überaltert und durch viele Übernahmen und Fusionen sehr komplex, erklärt er die Ausgangslage. "Das erschwerte Standardisierungs- und Modernisierungsvorhaben." Für mehr Wettbewerbsfähigkeit brauchte es eine moderne, skalierbare und effiziente IT, die andere Geschäftsmodelle und eine Neuausrichtung des Konzerns ermöglichte.

Projekt "Global IT Service Transformation"

Vor diesem Hintergrund entstand das Projekt "Global IT Service Transformation" (GIST). "Wir haben die Art und Weise, wie wir IT managen und bereitstellen, fundamental geändert", so der CIO. In nur zwei Jahren sei es gelungen, fundamentale Innovationsprojekte umzusetzen, gleichzeitig ein umfassendes IT-Sourcing-Modell einzuführen und dabei kosteneffizient zu bleiben.

Zentrale IT-Services wurden zu einem globalen und modernen IT-Portfolio weiterentwickelt. Damit einher ging der Aufbau einer skalierbaren Lieferorganisation, die schnell auf Veränderungen der Konzernstrategie reagieren kann. "Die gesamte Organisation hat hier wirklich Großes geleistet", lobt Elfering die vielen Beteiligten. "Ohne den enormen Einsatz des globalen IT-Teams wäre diese Transformation nicht möglich gewesen."

Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit mehr als 300.000 Angestellten, der Produkte für Dialyse (Bild), Krankenhäuser und ambulante medizinische Versorgung anbietet.
Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit mehr als 300.000 Angestellten, der Produkte für Dialyse (Bild), Krankenhäuser und ambulante medizinische Versorgung anbietet.
Foto: Fesenius Medical Care

Für den Umbau des Delivery-Modells und der Services suchte er über eine Ausschreibung zunächst einen Dienstleistungspartner. Daneben ging es auch um die Frage, welche Technologien und Lieferanten künftig zum Zuge kommen sollten. Am Ende fiel die Wahl auf Capgemini als strategischen Begleiter. Um die IT auf den neuesten Stand zu bringen, holte er SAP, Microsoft und Verizon an Bord.

Eine besondere Herausforderung sei der schiere Umfang des Wandels auf allen Ebenen im laufenden Betrieb gewesen, berichtet der Konzern-CIO. "Faktisch realisierten wir eine Art Greenfield Approach." Eine andere große Hürde stellte die Fresenius-Organisation dar, die im vergangenen Jahrzehnt auch aufgrund von Übernahmen schnell gewachsen war und aus vielen Silos bestand.

"Es gab einen immensen Bedarf an Stakeholder-Management und Kommunikation", erinnert sich der Wirtschaftsinformatiker. "Der Move von einer dezentralen IT-Organisation zu wirklich globalen Teams war enorm." Darüber hinaus habe die IT-Transformation auch eine große kulturelle Veränderung mit sich gebracht: "Wir entwickelten uns vom 'Order Taker' zum strategischen Mitgestalter als Partner des Business."

Outsourcing, Cloud und IT-Modernisierung

Zum 1. Oktober 2022 übernahm Capgemini sowohl etliche IT-Services als auch viele IT-Mitarbeitende aus den Fresenius-Standorten in Deutschland, Polen, den USA und China. Zusammen mit dem IT-Dienstleister stießen Elfering und sein Team eine ganze Reihe großer Digitalisierungsvorhaben an, die überwiegend bereits abgeschlossen sind. Dazu gehören unter anderem:

  • die Migration der gesamten SAP-Landschaft in die Azure-Cloud mithilfe von RISE with SAP,

  • die Migration mehrerer Rechenzentren und Applikationen im In- und Ausland in die Azure-Cloud,

  • die Konsolidierung der verteilten Support-Teams in einen globalen Service Desk,

  • die Standardisierung der Arbeitsplatz-Ausstattungen als "Workplace as a Service",

  • der Ausbau der Cybersecurity, einhergehend mit einer globalen SASE-Architektur (Secure Access Service Edge) und einem SD-WAN mit Verizon.

Besonders wichtig war für Elfering die Weiterentwicklung der IT-Organisation zu einer "flexible Workforce". Diese sollte vor allem neue Kompetenzen zur Provider-Steuerung mitbringen und sich auf Innovationen mithilfe von Cloud Computing, S/4HANA sowie Data Science und Analytics konzentrieren. Erfolgsentscheidend für den Wandel seien zudem "neue Werte, Leadership Principles und Ways of Working", die im Zuge der Transformation entwickelt und eingeführt wurden.

Wertbeitrag und Lessons Learned

Der Wertbeitrag des GIST-Projekts hängt eng mit der Konzernstrategie zusammen, erläutert Elfering. Der Vorstand der Fresenius SE habe den "Reset-Knopf gedrückt" und plane mit dem Programm #FutureFresenius eine neue Aufstellung und Ausrichtung des Konzerns. "Durch die IT-Transformation sind wir für die neue Strategie zukunftsgerichtet aufgestellt, können schnell und flexibel auf geschäftliche Veränderungen und Entscheidungen reagieren und das volle Innovationspotenzial für eine bessere Gesundheitsversorgung unserer Patienten heben."

Den anstrengenden Transformationsprozess vergleicht er mit Wildwasser-Rafting: "Man kennt das große Ziel, sieht aber immer nur bis zur nächsten Kurve und muss ständig auf neue Unwägbarkeiten reagieren." Zu den Lessons Learned auf diesem Weg gehört für ihn unter anderem, wichtige Entscheidungen und Meilensteine niemals aufzuschieben, von Anfang an den Betriebsrat und das Business einzubinden und eng mit dem strategischen Servicepartner zusammenzuarbeiten.

Last, but not least, brauche es ein internes Change- und Communications-Team: "Es muss die Klaviatur der Veränderung beherrschen, Widerständen früh begegnen, aber auch aufdecken, wo nachjustiert werden muss." Dabei gelte es, alle Stakeholder über diverse Kanäle ins Boot zu holen. So gab es bei Fresenius unter anderem Town Hall Meetings, Open Info Sessions, Blogs, Videos und Podcasts zur IT-Transformation.

Seinen Führungsstil bezeichnet Elfering als kooperativ und partizipativ. Er beschreibt ihn mit dem Bild einer umgedrehten Pyramide: "Ich stehe unten mit Fokus auf meinem Team und dem Business. Meine Aufgabe ist es, alle zu befähigen, ihren Job zu machen." Dabei arbeite er eng mit dem Business und dem Vorstand zusammen. Wichtig sei ihm, nahbar zu sein: "Ich freue mich, wenn Mitarbeitende mit Vorschlägen direkt zu mir kommen oder auch mal den Status quo in Frage stellen."

Das sagt die Jury zum "CIO des Jahres"

Die Jury zum CIO des Jahres lobt die Auswirkungen seiner Arbeit über die IT hinaus. "Ingo Elfering ist ein 'mutiger Vorausdenker', der in einem sehr herausfordernden Umfeld ein IT-Transformationsprogramm vorangetrieben hat", urteilt etwa Christina Raab von Accenture. "Das Programm hat nicht nur die IT, sondern die gesamte Organisation verändert." Dies komme letztlich auch der Patientenversorgung zugute.

Jens Schulze, CIO des Universitätsklinikums Frankfurt, kommentiert: "Das Global IT Service Transformation Program von Ingo Elfering und seiner Mannschaft ist sehr umfangreich und beeindruckend, gerade im Hinblick darauf, wie viele Themen in dieser kurzen Zeit parallel bewegt und erfolgreich realisiert wurden."

Große Unternehmen agil zu strukturieren, sei "eine der schwierigsten Herausforderungen", betont auch Stefanie Kemp, Chief Transformation Officer bei den Sana Kliniken. Gerade im angespannten Health-Umfeld sei dies eine besondere Aufgabe. Marion Weissenberger-Eibl, Professorin am Karlsruher Institut für Technologie, hebt hervor: "Hier wurde eine hochmoderne, skalierbare und effiziente IT eingerichtet, um dezentrale Silos aufzubrechen. Zudem wurden IT und Digitalisierung als wesentliche Innovationstreiber für das Business und neue Geschäftsmodelle genutzt." (kf)