Industrie 4.0 und KI

Informatiker und Ingenieure im Team

08.04.2019
Von 
Michael Sudahl lebt in Stuttgart und arbeitet in Schorndorf. Der gelernte Banker und Journalist beschäftigt sich seit 20 Jahren mit den Themen Personal, Karriere und IT. Daneben berät er Firmen in internen und externen Kommunikationsfragen, erstellt Kundenmagazine, schreibt Fachartikel und moderiert Prozesse rund um die Felder Unternehmensstrategie, öffentliche Wahrnehmung und Unternehmenskultur. Darüber hinaus hat er eine mehrjährige Ausbildung zum Körpertherapeuten (Cranio) abgeschlossen und ist inzwischen ebenfalls als Coach und Trainer tätig. 
Über den eigenen Tellerrand schauen – so könnte das Motto für eine bessere Zusammenarbeit von Informatikern und Ingenieuren lauten. Die Digitalisierung erfordert jedenfalls, dass beide Berufsgruppen stärker aufeinander zugehen.

"Informatiker und Ingenieure sprechen eine ähnliche Sprache", erklärt Dominik von Lavante, wie die interne Zusammenarbeit funktioniert. Der technische Leiter fungiert in der Firma DeVeTec bei Saarbrücken als Schnittstelle zwischen den Ingenieuren und Informatikern. Der Grund: Mit der Industrie 4.0 verschmelzen die Grenzen zwischen Soft- und Hardware. Als promovierter Maschinenbauer leitet und moderiert er die unterschiedlichen Fachkräfte, die seit 19 Jahren Anlagen zur Abwärmenutzung entwickeln.

Mit der Industrie 4.0 verschmelzen die Grenzen zwischen Soft- und Hardware.
Mit der Industrie 4.0 verschmelzen die Grenzen zwischen Soft- und Hardware.
Foto: Robert Kneschke - shutterstock.com

Dominik von Lavante maß sich bereits als Jugendlicher in Programmierwettbewerben. Dennoch entschied sich der heute 35-Jährige bewusst gegen ein Informatikstudium: "Mir war immer klar, dass Programmieren ein reines Werkzeug bleiben soll." Nach seiner Doktorarbeit an der Universität Stuttgart über Störungssimulationen in Atomkraftwerken (AKWs) entwickelte der gebürtige Heidelberger beim TÜV Rheinland eine Software, die sämtliche Reststoffflüsse beim Rückbau von AKWs verfolgt und dokumentiert. Nach der Katastrophe von Fukushima plante er ein Sicherheitssystem, das solche Vorfälle verhindern soll, wenn alte AKWs damit nachgerüstet werden.

Technologietransfer in die Digitalisierung

Auf Investorensuche für seine Idee lernte er die Goffin Gruppe kennen. Die Inhaber übernahmen kürzlich die Firma DeVeTec, die Abwärmekraftwerke baut, die mit einem Nutzungsgrad von 90 Prozent Prozesswärme oberhalb von 250 Grad zu Strom, Druckluft oder Kälte umwandeln. Von seiner Idee einer effizienten und kompakten Wärmemaschine überzeugt, boten die Investoren von Lavante eine Stelle als Technischer Leiter an. Seit Mai 2018 verantwortet er das Gesamtkonzept der ORC-Abwärmekraftwerke und transformiert die Technologie in die Digitalisierung.

Dominik von Lavante: "Als Startup haben wir Probleme, studierte Informatiker zu finden, die über genügend Branchenwissen im Maschinenbau verfügen."
Dominik von Lavante: "Als Startup haben wir Probleme, studierte Informatiker zu finden, die über genügend Branchenwissen im Maschinenbau verfügen."
Foto: von Lavante - DeVeTec

Momentan designen die Ingenieure das Kraftwerk und überwachen dessen Konstruktion. Die Informatiker arbeiten an der Vernetzung von Anlagen mit Cloud- und Datenbanksystemen für Fernwartung und Predictive Maintenance, eine Wartung, die mit intelligenten Systemen Prognosen über den Zustand der Maschine macht. Von Lavante sieht aber noch mehr Potenzial in der Zusammenarbeit. Deep Learning könne die Maschinenbauer bei einfachen Tätigkeiten wie der Rohrstreckenfindung entlasten. Und künstliche Intelligenz (KI) könne in der Fertigung fehlerhafte Komponenten frühzeitig erkennen. Mit cyber-physischen Modellen und virtuellen Kraftwerken optimieren Fachleute wie er Anlagen immer weiter. "Parallel dazu wird alles dokumentiert", erklärt der Ingenieur. Das Bedürfnis des Besitzers nach Informationen werde immer größer. Mit all dieser Vernetzung erhalte der Anlagenbesitzer alle wichtigen Prozessdaten in Echtzeit und Informationen über jede verbaute Komponente.

Startups finden keine Informatiker

"In der Sensorik herrscht noch viel Vernetzungsbedarf", weiß von Lavante. Während bei Prozessen die Ingenieure proaktiv Informatiker nach intelligenten Lösungen für einzelne Probleme fragen, müssten bei der Messtechnik beide Parteien voll involviert sein. "Welche Daten mit welchen Methoden am besten erhoben, und wie und wann diese Daten verarbeitet werden, übersteigt die Kompetenz des Einzelnen", erläutert der Maschinenbauer die notwendige Zusammenarbeit. Seiner Erfahrung nach fällt es vielen Ingenieuren leicht, sich Grundkenntnisse in Informatik anzueignen. Auch lernen Ingenieurstudenten mittlerweile Programmieren im Studium. "Dagegen haben wir Probleme als Startup, studierte Informatiker zu finden, die über genügend Branchenwissen im Maschinenbau verfügen", berichtet der Insider. Die Guten bevorzugen Großkonzerne und Absolventen fehle die Praxis.

"Die einzelnen Bereiche werden immer komplexer", verdeutlicht von Lavante. Auch die Spezialisierung innerhalb der Berufe nehme zu. Dementsprechend mehr Schnittstellen entwickeln sich. Von Lavante sieht auf beiden Seiten Wachstumspotenzial. Informatiker sollen mehr Verständnis und Interesse für die physische Welt entwickeln. Ingenieure müssen zumindest die Grundbausteine der Informatik kennen.