Was Chefs noch lernen können

Influencing ist das Führen von morgen

10.11.2023
Von 


Barbara Liebermeister ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter IFIDZ. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist u.a. Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“. Zu diesem Thema hält die Managementberaterin auch (Online-)Vorträge und Seminare. Zudem betreibt sie den Podcast „Business Secrets: Warum Frauen gelikt werden und Männern gefolgt wird“.

 
Ja, auch das muss eine Führungskraft sein, ein „Beeinflusser“, der die Stimmungen in seinem Team kennt und seine Mitarbeiter mit viel Empathie mitnimmt.
Der Job der Führungskräfte wird auch deshalb immer herausfordernder, weil sie es schaffen müssen, ein Team zusammenzuhalten, das sehr heterogen zusammengestellt ist.
Der Job der Führungskräfte wird auch deshalb immer herausfordernder, weil sie es schaffen müssen, ein Team zusammenzuhalten, das sehr heterogen zusammengestellt ist.
Foto: Jirsak - shutterstock.com

Die Rahmenbedingungen von Führung haben sich gewandelt. So wurden im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung zum Beispiel die Beziehungsnetzwerke in den Unternehmen stets komplexer. Deshalb gilt es heute beim Führen mehr Interessen als früher zu berücksichtigen. Außerdem müssen die Führungskräfte in ihr Denken und Handeln verstärkt Personen integrieren, die ihnen nicht unterstellt sind - so zum Beispiel einige ihrer wichtigen Dienstleister.

Rahmenbedingungen haben sich verändert

Die Führungsaufgabe wird auch komplexer, weil die Belegschaften der Unternehmen immer heterogener werden: "Digital Natives" müssen mit "Digital Immigrants" kooperieren, Europäer mit Asiaten, festangestellte Mitarbeiter mit Freelancern und, und, und…. Und all diese Individuen soll die arme Führungskraft führen und inspirieren - und zwar

  • unabhängig davon, ob die Betreffenden im selben Gebäude wie sie selbst, im Home-Office oder sonst wo arbeiten, und

  • obwohl das Umfeld von einer permanenten Veränderung geprägt ist.

Die Führungskraft als Beziehungsmanager

Das ist nur möglich, wenn die Führungskräfte sich als Beziehungsmanager verstehen, deren Kernaufgabe es ist, die Beziehungen im System Unternehmen so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden effektiv zusammenarbeiten können; außerdem als emotionale Leader, deren Aufgabe es ist, ihre Netzwerkpartner zu inspirieren. Sie müssen sozusagen "Beeinflusser" neudeutsch "Influencer" in ihrem sozialen Umfeld werden. Hierfür benötigen sie unter anderem feine Antennen für die unterschiedlichen Stimmungen und Interessenlagen.

Doch dies allein genügt nicht. Sie müssen sich auch viel Zeit für das Gespräch sowie den Meinungs- und Gedankenaustausch mit ihren Netzwerkpartnern nehmen, denn: Kommunikation bleibt die Basis von Beziehung und die wichtigste Informationsquelle. Dabei ist es wichtig, auch die informellen Botschaften wahrzunehmen, die Personen zwischen den Zeilen artikulieren - was gerade bei einer virtuellen Kommunikation oft sehr schwierig ist, unter anderem, weil bei ihr die Körpersprache weitgehend entfällt.

Führungskräfte müssen Wirkung erzielen

Führungskräfte, die sich als Influencer verstehen, brauchen also eine hohe Achtsamkeit und viel Empathie. Sie müssen zudem ihr Denken und Handeln situations- und kontextabhängig daraufhin überprüfen, inwieweit sie damit die gewünschte Wirkung erzielen - sich also selbst als Lernende begreifen.

Als Führungskraft ein Influencer zu sein, bedeutet also nicht primär in den Social Media aktiv zu sein, denn: In den Unternehmen spielt zwar die Kommunikation per Mail und mittels solcher Kollaborationstools wie Teams und Zoom eine immer größere Rolle. Also müssen Führungskräfte diese effektiv nutzen können - speziell wenn sie virtuelle oder hybride Teams leiten.

Anders verfällt es sich aber bezogen auf die klassischen Social Media wie Facebook, Instagram & Co. Sie spielen im Führungsprozess eine marginale Rolle, weil sich in ihm die wesentliche Kommunikation immer noch im persönlichen Kontakt vollzieht - sei es im Face-to-face-Gespräch oder via Telefon, per Mail oder in Video-Konferenzen.

Lernen von Influencern

Ungeachtet dessen können Führungskräfte von den sogenannten Influencern in den Social Media viel lernen, wenn es um die Frage geht: Wie erreiche ich, dass andere Menschen mir folgen und sich von mir beeinflussen lassen?

1. Influencer zeigen sich und stellen sich dem Diskurs.

Ein wichtiger Punkt ist, so banal dies klingt: Influencer sorgen dafür, dass sie sichtbar sind - zum Beispiel, indem sie regelmäßig ihre Social Media-Kanäle füttern und ihr virtuelles Netzwerk pflegen. Ähnliches gilt für alle Personen, die Influencer sind oder sein möchten. Das heißt, eine Führungskraft, die sich nur hinter ihrem Schreibtisch verbirgt, wird nie ein Influencer, denn eine Voraussetzung hierfür ist Kommunikation.

2. Influencer stehen erkennbar für gewisse Werte.

Ein weiterer, wichtiger Punkt bei fast allen erfolgreichen Influencern nicht nur im Internet ist: Sie haben eine klare Botschaft bzw. stehen erkennbar für gewisse Werte. Dies sollte auch bei Führungskräften der Fall sein, denn sonst sind sie für ihre Netzwerkpartner unberechenbar. Also fassen diese zu ihnen auch kein Vertrauen. Und dies führt wiederum dazu, dass auch sie nicht bereit sind, ihnen und ihren Ideen zu folgen.

3. Influencer inszenieren ihre Auftritte.

Ein weiterer Punkt ist: Alle erfolgreichen Influencer überlassen ihr Auftreten nicht dem Zufall. Sie inszenieren ihre Auftritte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Diesbezüglich haben viele Führungskräfte noch Entwicklungspotenzial.

So registriert man als Beobachter bei Online-Meetings von virtuellen und hybriden Teams in den Betrieben auch heute noch häufig folgendes:

  • Die Führungskräfte, die das Meeting anberaumt haben, loggen sich verspätet ein,

  • sie betreiben kein klares Agenda-Setting im Meeting,

  • sie tragen, wenn sie im Home-Office sind, nicht selten eine sehr legere Freizeitkleidung, und hängen so schlaff auf ihrem Stuhl als lägen sie vor dem Fernsehen auf dem Sofa.

Dabei wollen sie in den Meetings ihren Mitarbeitenden eigentlich stets auch die Botschaft vermitteln: "Wir arbeiten nun zwar (weitgehend) virtuell zusammen, doch ansonsten gilt: Business as usual." Von ihrem persönlichen Auftritt geht jedoch oft die gegenteilige Botschaft aus.

Einer Führungskraft, die sich als Influencer versteht, passiert ein solches Missgeschick selten, denn sie reflektiert vor ihrem Auftritt: Welche Wirkung will ich erzielen, und wie sollte ich mich folglich präsentieren bzw. inszenieren?

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