Das Internet of Things (IoT) bietet Unternehmen einen echten Businessnutzen. Vor allem in der Industrie steht das Thema Daten hier im Fokus. Denn durch die zunehmende Vernetzung von Anlagen und Geräten werden zukünftig immer mehr Daten sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Unternehmens erzeugt und ausgetauscht. Im Rahmen von IoT-Anwendungen können diese wertschöpfend weiterverarbeitet werden.
Die Entwicklung auf diesem Gebiet schreitet rasend schnell voran. Um herauszufinden, was sich an der Situation in deutschen Firmen seit der letzten Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2018 verändert hat, hat IDC die Studie „Industrial IoT in Deutschland“ durchgeführt. Dazu wurden im Juli 2019 erneut knapp 260 IT-Entscheider und Anwender aus Unternehmen der Industrie und aus industrienahen Wirtschaftszweigen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland befragt. Die Ergebnisse wurden der IT-Fachpresse im Herbst 2019 in München vorgestellt.
Neben den Studienautoren Elena Georg und Marco Becker teilten Christian Vogt (Fortinet), André Theilig (GEC – German Edge Cloud), Sebastian Seutter (Microsoft) und Dr. Mike Eissele (TeamViewer) ihre Sicht auf den Markt mit den anwesenden Journalisten. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Lynn Thorenz, Leiterin des Bereichs Research und Consulting bei IDC.
IIoT ist angekommen, aber nicht überall gleichermaßen
Eine wichtige Erkenntnis vorab: Unternehmen in Deutschland haben nach wie vor mit Startschwierigkeiten bei der Umsetzung von IoT-Initiativen zu kämpfen. Die größten Hürden liegen immer noch in Bedenken beim Thema Daten- und Netzwerksicherheit, in der hohen Komplexität und dem Mangel an Fachkräften. Auch die wenig integrierten und teilweise veralteten IT-Landschaften scheinen zu einem größeren Problem zu werden. Hier sehen wir als IDC eindeutig die Anbieter in der Pflicht, unter anderem mit überzeugenden Use Cases zu unterstützen.
Allerdings – und das sind die guten Nachrichten - bleiben die Firmen am Ball. So hat über alle befragten Branchen hinweg mehr als jedes vierte Unternehmen bereits IoT-Initiativen umgesetzt, weitere 15 Prozent befinden sich zudem zurzeit in der Pilotierung, 47 Prozent stecken zurzeit noch in der Evaluierungs- oder Planungsphase. Wie holen die Anbieter dieses Klientel ab? „Wir versuchen, Unternehmen von den Vorteilen einer vernetzten Produktion und von durchgehend digitalisierten Prozessen zu überzeugen, bei denen wertvolle Daten als Basis völlig neuer Erkenntnisse erzeugt werden. Diese Insights bringen Unternehmen nach vorne, machen sie wettbewerbsfähig oder helfen ihnen, ihre Position am Markt zu halten“, erklärt Sebastian Seutter, Industry Lead Manufacturing (Director) bei Microsoft. In diese Überzeugungsarbeit geht Microsoft mit einer sehr klaren Position: „Ohne moderne, über die Cloud vernetzte Technologien sind zukunftsfähige Lösungen nicht möglich“, so Seutter weiter.
Wir stellen also fest: IoT ist im industriellen und industrienahen Sektor generell angekommen. Die Unternehmen zeigen sich ambitioniert, zielen aber in erster Linie auf die Reduzierung von Kosten (40 Prozent) und die Verbesserung der internen Effizienz und Produktivität (35 Prozent) ab. Lediglich jedes vierte Unternehmen nennt die Förderung von Innovationen als eines der drei wichtigsten Gründe für den Einsatz von IoT.
IIoT-Projekte: Was sie erfolgreich macht und woran sie scheitern
Ist der Fokus auf interne Optimierung vielleicht auch der Grund, weshalb viele IoT-Projekte nach der Proof-of-Concept-Phase (PoC) nicht weiterverfolgt werden? „Viele PoCs sind zu klein gedacht und werden nicht ambitioniert genug umgesetzt“, gibt Mike Eissele, CTO bei TeamViewer zu bedenken. „Daher ist es wichtig, dass PoCs eine klare und hinreichend große Ambition verfolgen und so aufgesetzt werden, dass innerhalb von weniger als drei Monaten klar wird, ob eine IIoT-Idee skaliert oder nicht“, rät Eissele. Ein IoT-Starter-Kit, das alle notwendigen Hard- und Softwarekomponenten vereint, sei beispielsweise eine gute Option für Unternehmen, die sich in dieser Phase befinden.
IDC beobachtet im Fortschritt der IoT-Implementierung starke Unterschiede in den einzelnen Branchen, die im Rahmen der Studie beleuchtet wurden. Fertigungsunternehmen, gemeinhin als innovativ bekannt, haben IoT schon häufig in umfassenden Projekten umgesetzt. Auch die Ver- und Entsorger sehen große Mehrwerte und zeigen sich ambitioniert, haben aber aktuell beim Sprung von der Evaluation und Pilotierung in die Umsetzung noch Schwierigkeiten. Die Branchen Handel sowie Transport und Logistik folgen mit etwas Abstand, aber auch hier zeigt sich, dass in verschiedenen Use Cases großes zukünftiges Potenzial gesehen wird. „Unsere Kunden schätzen besonders, dass sie Prozesse automatisieren und Engpässe erkennen können, bevor sie entstehen", erklärt André Theilig, Leiter Business Development bei German Edge Cloud (GEC). "Daraus ergeben sich Kostenvorteile sowie neue Daten- und Service-basierte Geschäftsmodelle. Die Wertschöpfungskette wird um digitale Services erweitert: vom Produkt-Design über die Produktion bis hin zum fertigen Produkt und die spätere Kundennutzung. Wertschöpfung durch Daten ist der entscheidende Vorteil.“ Klingt überzeugend, aber wie sieht es eigentlich mit der Sicherheit aus?
Showstopper Security
Knapp mehr als ein Drittel der Befragten äußert Sicherheitsbedenken als größte Hürde für die Umsetzung von IoT-Projekten. Ob dies bedeutet, dass sich knapp zwei Drittel sicher fühlen oder vielmehr die Unbedarftheit oder auch fehlende Kenntnis über die Risiken widerspiegelt, ist nicht klar. Fakt ist, dass sich die Angriffsfläche eines Unternehmens im Zuge tiefergehender IoT-Projekte auf die Produktion sowie auf die OT-Daten erweitern wird. Damit geraten auch Daten, die vorher nur in isolierten Zonen verarbeitet wurden, potenziell in die Reichweite von Cyberkriminellen.
Lesetipp: Im Kopf des Bösen - So denen und handeln Hacker
Auch die hohe Komplexität von IoT-Implementierungen ist eine Herausforderung: wachsende Landschaften werden schnell unübersichtlich, schwieriger zu managen und lassen sich – im Hinblick auf die Sicherheitsbedenken – dann auch schwieriger lückenlos absichern. „Unternehmen gewinnen eindeutig Wettbewerbsvorteile durch sichere Lösungen, Produkte und Dienstleistungen, denn diese führen zu einer nachhaltigen Wertschöpfungskette und einer Abgrenzung zu Mitbewerbern“, betont Christian Vogt, Senior Regional Director Germany bei Fortinet. „Cyber-Risiken können sich negativ auf Reputation und Kapitalisierung auswirken – hin zu einer möglichen Insolvenz. Daher sollten Unternehmen von vornherein die Security mit in alle Prozesse einbeziehen und Sicherheit als Business Enabler sehen. Außerdem helfen sichere Systeme, DSGVO-Strafzahlungen zu vermeiden, welche durch Datenverlust durchaus relevant werden können.“
Wo geht die IIoT-Reise hin?
Um die IoT-Vorhaben erfolgreich zu realisieren, spielt die Berücksichtigung aktueller Technologietrends eine ganz entscheidende Rolle. Die Entwicklungen in den Bereichen IoT-Plattformen, Edge Computing, ML/KI und Security sind dynamisch und bieten Unternehmen heute eine Vielzahl an Möglichkeiten. Zudem haben die in Deutschland operierenden Mobilfunkanbieter in diesem Jahr den flächendeckenden Aufbau ihrer 5G-Netze begonnen. Die IoT-freundlichen Anwendungsprofile des neuen Mobilfunkstandards werden einige Use Cases für Industrial IoT attraktiver machen und viele neue Szenarien ermöglichen.
Das klingt vielversprechend, bringt aber facettenreiche Herausforderungen in punkto Vielschichtigkeit mit sich. „Die Implementierung moderner Technologien ist mittlerweile so komplex, dass kein Unternehmen alleine in der Lage ist, die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern“, bestätigt Sebastian Seutter. „Wir fördern daher Innovationen über Partnerschaften, nicht über Wettbewerb.“ Ähnlich sieht es auch CTO Eissele: „Als Software-Anbieter arbeiten wir auch am Aufbau unseres eigenen Ökosystems: Unser Produkt lässt sich beispielsweise problemlos in Plattformen von Drittanbietern integrieren. Und auch auf der Hardware-Seite arbeiten wir mit namhaften Partnern zusammen, um unseren Kunden den Einstieg in die IIoT-Welt zu erleichtern.“
Für deutsche Unternehmen aus der Industrie ist es jetzt wichtig, Industrial IoT deutlich stärker im Kontext der Digitalisierung anzuwenden und vor allem die Chancen zu begreifen, die die Technologien abseits von Optimierung und Kosteneinsparung mit sich bringen. Bestätigung kommt hier von Christian Vogt: „Die Integration digitaler Technologien ist in vielen Bereichen der Wirtschaft in vollem Gange, was zu grundlegender Veränderung des Geschäftsbetriebs und der Wertschöpfung für die Kunden führt. Daher sollten sich alle Unternehmen dieses Wandels annehmen.“ Vor allem der Mittelstand müsse hier aufholen. „Ein einfacher Einstieg in die IoT-Welt ist gerade für diese Unternehmen maßgeblich wichtig“, sagt Theilig. Eine gesamtheitliche, standardisierte Lösung im Sinne von „Plug & Produce“ sei hier die Maßnahme der Wahl.
Was bleibt als Quintessenz? So banal es vielleicht klingen mag, aber Industrial IoT muss vor allem endlich flächendeckend als Businessthema begriffen werden, das neue Geschäftsmodelle und Innovation ermöglicht. Und weil man es gar nicht oft genug sagen kann: Die industrielle Anwendung des IoT ist ein immens wichtiges Element der Business Transformation und eben nicht nur der Business Optimization. Hier sehen wir in der deutschen Industrie noch sehr viel Luft nach oben. Nur wenn das verstanden und vor allem umgesetzt wird, wird die deutsche Wirtschaft ihren Vorsprung in der Welt ausbauen und verteidigen können. Wir bleiben dran am Thema und schauen im nächsten Jahr, ob Anwender und Anbieter ihre Hausaufgaben gemacht haben.