„Gibt’s dafür auch eine App?“ Mit dieser Frage sehen sich Unternehmen auch im B2B-Geschäft immer häufiger konfrontiert. Denn die Erwartungshaltung ihrer Kunden hat sich verändert. Wer im Privatleben die Vorzüge digitaler Services zu schätzen gelernt hat, will sie im Büro, im Laden, in der Fabrikhalle nicht missen. "Keiner will mehr einen Schalter drücken, alle möchten ihre Maschinen plötzlich mit einer App bedienen“, seufzte ein Mittelständler kürzlich im Gespräch. Aber auch er wird das Rad nicht zurückdrehen, sondern sich auf eine Entwicklung einstellen, die sich immer deutlicher herauskristallisiert: Im Mittelpunkt wettbewerbsfähiger Geschäftsmodelle stehen künftig weniger die physischen Produkte. Software macht in Zukunft den Unterschied.
In 5 Schritten zu digitalen Services
Mein Tipp: Wenn Sie sich auf dem Weg in die Zukunft digitaler Services nicht in Sackgassen verirren wollen, sollten Sie sich Hilfe holen. Von Ihren Beschäftigten, von Ihren Kunden, von anderen Unternehmen, von Partnern. Leichter fällt die Transformation mit den folgenden fünf Schritten:
1. Nutzen Sie Design Thinking
Die Kunst besteht darin, nicht zu eng zu denken. Nicht zu sehr am eigenen Produkt zu kleben. Bringen Sie Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen Abteilungen zusammen, um über die Zukunft des eigenen Unternehmens nachzudenken. Lassen Sie sie einfach mal herumspinnen, ohne Angst vor gedanklichen Tabus:
Wie könnte das Geschäftsmodell in fünf Jahren aussehen?
Nehmen Sie die Kundenperspektive ein: Womit beschäftigen sich Ihre Kunden in zehn Jahren?
Ist Ihr Produkt in fünfzehn Jahren vielleicht tot?
Können Sie aus dem, was Sie haben, schon jetzt etwas ganz Neues aufbauen?
Engen Sie die Gedanken nicht ein, auch wenn sie auf den ersten Blick verrückt erscheinen mögen.
2. Beteiligen Sie Ihre IT-Abteilung
Holen Sie Ihre IT-Experten bei Zukunftsplanungen unbedingt von Anfang an den Tisch. Das sind die Leute, die die Zukunft Ihres Unternehmens programmieren – im Wortsinn und darüber hinaus. Weil sie idealerweise nicht nur die Computer der Kolleginnen und Kollegen ins Laufen bringen, sondern auch jene Daten in Echtzeit zur Verfügung stellen können, die Sie für Ihre neuen Geschäftsmodelle brauchen.
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3. Holen Sie Partner ins Boot
Profitieren Sie von externem Know-how. Der Blick von außen kann sehr befruchtend sein. Ihre Partner sollten sich in Ihrer Branche auskennen und hohe Technologie- und Methodenkompetenz mitbringen. Klären Sie mit deren Hilfe, was technisch machbar ist. Welche digitalen Services rund ums eigene Produkt sinnvoll sind. Ermitteln Sie, welche Services bestehende und künftige Kundenprobleme lösen können.
4. Hören Sie auf Ihre Kunden
Ihre Kunden wissen am besten, was sie sich wünschen. Aber stellen Sie ihnen die richtigen Fragen. Sonst geht es Ihnen wie dem Kompressorhersteller, der von seinen Kunden wissen wollte, was sie an seinen Produkten optimieren würden. Die Antwort: mehr Drehzahl, mehr Leistung. Sprich: inkrementelle Verbesserungen. Also nichts Neues. Aber mal ehrlich: Wären Sie bei dieser Fragestellung auf die Idee gekommen, dass Sie künftig gerne Druckluft mieten würden, statt einen Kompressor zu kaufen?
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5. Kooperieren Sie
Teilen Sie Ihr Wissen und Ihre Daten. Nutzen Sie gemeinsame Plattformen mit anderen. Mit solchen Ökosystemen im Rücken fällt es leichter, datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln. Haben Sie keine Scheu, sich mit Ihren Kunden, Lieferanten, anderen Unternehmen und sogar Wettbewerbern zu vernetzen, wenn das Ihren Horizont erweitert und Ihnen digitale Chancen eröffnet.
Digitale Vorreiter zeigen, wie’s geht
Die gute Nachricht zuerst: Es gibt bereits viele Mittelständler, die das Kundenbedürfnis nach digitalisierten Services erfüllen, man denke nur an den Bereich Smart Home. Laut einer Studie der Technischen Universität Mittelhessen aus dem vergangenen Jahr bieten 28 Prozent der Unternehmen produktbezogene IT-Services für ihre Kunden an. Das heißt aber auch: Der Rest der befragten Firmen, und das sind fast drei von vier, hat noch keine Apps im Portfolio.
Dabei gibt es zahlreiche Unternehmen, die schon vormachen, wohin die Reise geht: Etwa ein Hersteller von Verpackungsmaschinen, der dank digitaler Services stets weiß, wie zuverlässig seine Maschine momentan und mutmaßlich in den kommenden Wochen und Monaten arbeitet. Damit kann das Unternehmen eine punktgenaue, vorausschauende Wartung anbieten und seinen Kunden gleichzeitig eine neue Zahlungsmetrik offerieren. Die Kunden müssen nicht mehr die Maschine kaufen, sondern ordern den laufenden Meter produzierte Verpackung.
Ebenfalls eine gute Anregung liefert das Logistikunternehmen, das seine Stapler mit Sensoren und einer Scan-Technologie ausstattet und über eine Cloud-Plattform vernetzt. Ergebnis: neue Pay-per-Use-Vertriebsmodelle. Auch hier bestellt und kauft der Kunde nicht mehr das bloße Gerät – in diesem Fall also einen Stapler. Er entrichtet eine Gebühr für das pro Fahrzeug transportierte Gewicht. Selbst ein etabliertes Produkt wie eine gewerbliche Spülmaschine lässt sich mit digitalem Service für die Zukunft rüsten. Die dazugehörende App zeigt an, welche Geräte einwandfrei funktionieren oder wie hoch die Füllstände der Reinigungsmittel sind – und bietet dem Kunden dann gleich noch eine Bestellfunktion dafür an.
Noch einen Schritt weiter ist ein Druckmaschinenhersteller gegangen: Er hat seine Maschinen früh digitalisiert, Erfahrungen mit Stromnetzen in aller Welt gesammelt und auf dieser Basis intelligente Steuerungs- und Leistungselektronik entwickelt. Diese Daten und das Know-how lässt das Unternehmen nun in moderne Wallboxen – also private Ladestationen für E-Autos – einfließen und hat sich dank digitaler Services ein komplett neues Geschäftsmodell erschlossen.
Was bremst Unternehmen?
Trotz dieser ermutigenden Vorbilder tun sich viele Mittelständler mit der Entwicklung solcher digitalen Services noch schwer. Warum ist das so? Erstens, weil sie mit den etablierten Modellen noch erfolgreich sind und diese deshalb immer weiter optimieren – warum etwas grundlegend verändern, was gut funktioniert und wofür es einen Markt gibt? Bei digitalen Services ist das anders – dieser Markt entsteht schließlich erst. Es geht also darum, etwas anzubieten, was heute noch kaum jemand kennt. Was wir in Zukunft aber alle brauchen.
Viele Mittelständler scheuen zweitens die Kosten, die die Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells mit sich bringt. Und drittens - und das dürfte der Hauptgrund sein - wissen sie nicht, wie sie das, was sie traditionell tun, mit neuen digitalen Techniken kombinieren und aufwerten können. Denn vielerorts ist das notwendige IT-Wissen nicht ausreichend vorhanden.
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Wenn Apps mehr als eine schicke, aber letztlich verzichtbare Deko sein sollen, muss ein Unternehmen
seine Produkte auf den Prüfstand stellen – selbst dann, wenn ihre Exzellenz außer Frage steht,
seine bisherigen Unternehmensziele hinterfragen,
sich Gedanken machen, in welche Richtung man die eigenen Beschäftigten weiterentwickelt.
Dieses Umdenken kostet Kraft und fällt niemandem in den Schoß. Unternehmen müssen sich viele Fragen stellen: Muss ich eigentlich jeden Wasserhahn digitalisieren? Welcher Service ist mach-, aber verzichtbar? Und welcher sinnvoll und damit unbedingt notwendig? Die Antwort: Digitale Services sind nur dann erfolgversprechend, wenn sie einen Mehrwert für den Kunden bedeuten. Zum Beispiel, weil er ein Gerät über Sprache steuern kann. Und ja, es kann sinnvoll sein, auch den Wasserhahn zu digitalisieren. Nicht, weil wir zum Duschen unbedingt Touchpanels bräuchten. Aber wenn der Hersteller seine Wasserhähne digitalisiert, gewinnt er Daten. Und wenn er auf dieser Grundlage mehr über seine Kunden und deren Wünsche erfährt, lohnt sich die Investition allemal. (bw)