Die Angriffe erfolgen lautlos und ohne Vorwarnung. Innerhalb weniger Sekunden werden Daten aus Unternehmen geraubt oder Gelder auf fremde Konten überwiesen. Der finanzielle Verlust erreicht schnell mehrere Millionen Euro. Der Schaden für den Ruf eines Unternehmens ist nicht zu beziffern.
Cybersecurity, also die Abwehr von Angriffen aus dem Internet, ist kein neues Thema. Aber die Qualität und Quantität der Angriffe hat massiv zugenommen, wie im aktuellen Lagebericht des BSI nachzulesen ist. Immer häufiger werden diese Angriffe auch publik, sei es, weil der finanzielle Schaden bei Unternehmen sehr groß wird, oder weil Organisationen von nationaler Bedeutung betroffen sind. Auch die Bundesregierung hat reagiert. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2015 und dem ersten Teil der KRITIS-Verordnung 2016 wurden erste Schritte unternommen, um Unternehmen und kritische Infrastrukturen besser zu schützen.
Dabei ist es gar nicht so, dass sich Organisationen heute nicht gegen Cyber-Angriffe schützen würden. Aber der Fokus ist häufig noch zu eng gewählt oder orientiert sich an veralteten Methoden. Beispielsweise ist es nicht mehr ausreichend, den Zugang zur Organisation nur über physische Zugangskontrollsysteme zu schützen. Vielmehr ist eine Identitätsprüfung von Personen erforderlich, die sich im Computernetz aufhalten. Und es müssen immer wieder Nachbesserungen vorgenommen werden, weil auch die Angreifer ihre Strategien immer schneller modifizieren.
Die damit verbundenen Herausforderungen sind durchaus beachtlich. Die Angriffe werden immer komplexer und erstrecken sich teilweise über lange Zeiträume. Die Angreifer verfügen über gestohlene Identitäten, mit denen sie sich Zugang zum IT-System der Organisation verschaffen. Über mehrere Tage wird dann ausspioniert, wie Zahlungen ausgeführt werden und wer dazu berechtigt ist. Erst nach einiger Zeit erfolgt eine erste Überweisung. Ist der Test erfolgreich, wird wenige Tage später eine zweite, größere Zahlung ausgeführt.
- Die Top 15 Hacker-Angriffe auf Unternehmen
Unternehmen weltweit rücken seit Jahren in den Fokus von Hackern und Cyberkriminellen. Identitäts- und Datendiebstahl stehen bei den Anhängern der Computerkriminalität besonders hoch im Kurs - kein Wunder, dass Cyber-Risk-Versicherungen immer mehr in Mode kommen. Wir zeigen Ihnen 15 der größten Hacking-Attacken auf Unternehmen der letzten Jahre. - Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen. - Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar. - Cicis
Auch die US-Pizzakette Cicis musste Mitte 2016 einen Hackerangriff eingestehen. Wie das Unternehmen mitteilte, wurden die Kassensysteme von 130 Filialen kompromittiert. Der Diebstahl von Kreditkartendaten ist sehr wahrscheinlich. Wie im Fall von Wendy's und Target gelang es Hackern auch bei Cicis Malware in das Point-of-Sale-Kassensystem einzuschleusen. Erste Angriffe traten bereits im Jahr 2015 auf, im März 2016 verstärkten sich die Einzelattacken zu einer groß angelegten Offensive. Nach eigenen Angaben hat Cicis die Malware inzwischen beseitigt. - Wendy's
Anfang Juli 2016 wurde ein Hacker-Angriff auf die US-Fastfood-Kette Wendy’s bekannt. Auf den Kassensystemen wurde Malware gefunden – zunächst war von weniger als 300 betroffenen Filialen die Rede. Wie sich dann herausstellte, waren die Malware-Attacken schon seit Herbst 2015 im Gange. Zudem ließ die Burger-Kette verlauten, dass wohl doch bis zu 1000 Filialen betroffen seien. Die Kreditkarten-Daten der Kunden wurden bei den Malware-Angriffen offenbar ebenfalls gestohlen. Wie im Fall von The Home Depot hatten sich die Hacker per Remote Access Zugang zum Kassensystem der Fast-Food-Kette verschafft. - Heartland Payment Systems
Noch heute gilt der 2008 erfolgte Cyberangriff auf das US-Unternehmen Heartland Payment Systems als einer der größten Hacks aller Zeiten wenn es um Kreditkartenbetrug geht. Heartland ist einer der weltweit größten Anbieter für elektronische Zahlungsabwicklung. Im Zuge des Hacks wurden rund 130.000.000 Kreditkarten-Informationen gestohlen. Der Schaden für Heartland belief sich auf mehr als 110 Millionen Dollar, die zum größten Teil für außergerichtliche Vergleiche mit Kreditkartenunternehmen aufgewendet werden mussten. Verantwortlich für den Hack war eine Gruppe von Cyberkriminellen. Deren Kopf, ein gewisser Albert Gonzalez, wurde im März 2010 wegen seiner maßgeblichen Rolle im Heartland-Hack zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Heartland bietet seinen Kunden seit 2014 ein besonderes Security-Paket - inklusive "breach warranty". - Sony Playstation Network
Im April 2011 ging bei vielen Playstation-Besitzern rund um den Globus nichts mehr. Der Grund: ein Cyberangriff auf das digitale Serviceportal Playstation Network (PSN). Neben einer Ausfallzeit des PSN von knapp vier Wochen (!) wurden bei der Cyberattacke jedoch auch die Daten (Kreditkarteninformationen und persönliche Daten) von rund 77 Millionen PSN-Abonennten gestohlen. Sony informierte seine Nutzer erst rund sechs Tage über den Hack - und musste sich dafür harsche Kritik gefallen lassen. Die Kosten des PSN-Hacks beliefen sich auf circa 170 Millionen Dollar. Die Verantwortlichen wurden bislang nicht identifiziert. - Livingsocial.com
Die Online-Plattform Livinggsocial.com (inhaltlich vergleichbar mit Groupon) wurde im April 2013 Opfer eines Hacker-Angriffs. Dabei wurden die Passwörter, E-Mail-Adressen und persönlichen Informationen von circa 50 Millionen Nutzern der E-Commerce-Website gestohlen. Glücklicherweise waren die Finanzdaten von Kunden und Partnern in einer separaten Datenbank gespeichert. Die Verursacher des Security-Vorfalls wurden nicht identifiziert. - Adobe Systems
Mitte September 2013 wurde Adobe das Ziel von Hackern. Circa 38 Millionen Datensätze von Adobe-Kunden wurden im Zuge des Cyberangriffs gestohlen - darunter die Kreditkarteninformationen von knapp drei Millionen registrierter Kunden. Die Hacker die hinter dem Angriff standen, wurden nicht gefasst. - Target Corporation
Die Target Corporation gehört zu den größten Einzelhandels-Unternehmen der USA. Ende des Jahres 2013 musste Target einen Cyberangriff eingestehen, bei dem rund 70 Millionen Datensätze mit persönlichen Informationen der Kundschaft gestohlen wurden. Weitaus schwerer wog jedoch, dass unter diesen auch 40 Millionen Datensätze waren, die Kreditkarteninformationen und sogar die zugehörigen PIN-Codes enthielten. Für außergerichtliche Einigungen mit betroffenen Kunden musste Target rund zehn Millionen Dollar investieren, der damalige CEO Gregg Steinhafel musste ein halbes Jahr nach dem Hack seinen Hut nehmen. - Snapchat
Ein kleiner Fehler führte Ende Dezember 2013 dazu, dass Hacker die Telefonnummern und Nutzernamen von 4,6 Millionen Snapchat-Usern veröffentlicht haben. Snapchat selbst geriet darauf ins Kritikfeuer von Nutzern und Sicherheitsforschern, denn wie so oft war die Ursache für die Veröffentlichung der Daten ein Mangel an Sicherheitsvorkehrungen. Die von Hackern verursachten Probleme sind jedoch meist weniger schlimm als der Schaden, der nach der Veröffentlichung folgt. Auch wenn man seinen Nutzernamen oder seine Telefonnummer nicht als großes Geheimnis ansieht – ein motivierter Angreifer wie ein Stalker oder ein Identitäts-Dieb könnten mit diesen Daten Übles anrichten. Dieser Hack zeigt wiederum, dass alle Daten wichtig sind - vor allem wenn sie den Nutzern gehören. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Entwickler von Snapchat diesen Sicherheitsfehler gerne vor den Hackern gefunden hätten. - Ebay Inc.
Im Mai 2014 wurde Ebay das Ziel von Cyberkriminellen. Zwar wurden bei der Attacke keine Zahlungsinformationen entwendet - dafür aber E-Mail-Adressen, Usernamen und Passwörter von knapp 145 Millionen registrierten Kunden. Die Hacker erlangten scheinbar über von Ebay-Mitarbeitern gestohlene Logins Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens. Die Verantwortlichen wurden nicht identifiziert. - J.P. Morgan Chase
Mit J.P. Morgan rückte im Juli 2014 eine der größten US-Banken ins Visier von Cyberkriminellen. Rund 83 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Kunden fielen den Hackern in die Hände. Zugang erlangten die Kriminellen offensichtlich über gestohlene Login-Daten eines Mitarbeiters. Allerdings musste sich J.P. Morgan den Vorwurf gefallen lassen, seine Systeme nicht ausreichend zu schützen. Inzwischen wurden in den USA und Israel vier Personen festgenommen, die mutmaßlich an diesem Hack beteiligt waren. - The Home Depot
Die US-Baumarktkette The Home Depot wurde im September 2014 Opfer eines besonders hinterhältigen Hacks. Cyberkriminelle hatten es geschafft, Malware in das Kassensystem von über 2000 Filialen einzuschleusen. Die Folge davon: 56 Millionen Kreditkarteninformationen von Bürgern der USA und Kanada wurden direkt bei der Zahlung in den Home-Depot-Geschäften entwendet. Darüber hinaus fielen auch noch 53 Millionen E-Mail-Adressen in die Hände der Hacker. Der Schaden für das US-Unternehmen wird auf rund 62 Millionen Dollar beziffert. - Anthem Inc.
Anthem gehört zu den größten Krankenversicherern der USA. Im Februar 2015 gelang es Cyberkriminellen, persönliche Daten von circa 80 Millionen Kunden zu stehlen. Die Datensätze enthielten Sozialversicherungsnummern, E-Mail-Adressen und Anschriften. Darüber hinaus wurden auch Gehaltsinformationen von Kunden und Angestellten entwendet. Immerhin: Medizinische Daten sollen nicht betroffen gewesen sein. Verschiedenen Security-Experten zufolge führt die Spur des Hacks nach China. - Ashleymadison.com
Anschriften, Kreditkartennummern und sexuelle Vorlieben von circa 40 Millionen Usern hat eine Hackergruppe namens Impact Team im August 2015 nach einem Cyberangriff auf das Seitensprung-Portal Ashley Madison öffentlich gemacht. Der Angriff bewies, dass Ashley Madison nicht – wie eigentlich versprochen – persönliche Informationen der Nutzer gegen eine Gebühr löschte. Das erbeutete 30-Gigabyte-Paket beinhaltete insgesamt 32 Millionen Datensätze, darunter 15.000 Regierungs- und Militäradressen von Nutzern. Auch Teile des Seitenquellcodes und interne E-Mails der Betreiber lagen dadurch offen. Aufgrund der intimen Nutzerdaten und der geheimnisvollen Natur von Ashley Madison ist dieser Hackerangriff besonders heikel. Dass die Betreiber persönliche Daten auch auf Wunsch nicht vernichtet haben, zeigt ein Problem von Unternehmen, die personenbezogene Daten auf verschiedenen Systemen verarbeiten. Aber auch solche Unternehmen müssen Nutzerinformationen gegen Gefahren schützen – ganz gleich, ob die Gefahr von externen Hackern, böswilligen Insidern oder zufälligen Datenverlusten ausgeht. Ein Ashleymadison-User hat inzwischen vor einem Gericht in Los Angeles Klage gegen Avid Life Media eingereicht. Der Vorwurf: fahrlässiger Umgang mit hochsensiblen Daten. Ein Antrag auf Sammelklage ist ebenfalls bereits eingegangen. Sollte das Gericht diesem folgen, könnten ALM Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe ins Haus stehen.
Solche Angriffe zu erkennen, erfordert profundes Wissen über den Umgang mit riesigen Datenmengen, eine Analyse komplexer Zusammenhänge und die Fähigkeit, sich permanent an neue Angriffsmuster anpassen zu können. Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, ist der Aufbau eines ganzheitlichen Cybersecurity-Managementsystems, das drei Disziplinen zusammenfasst:
1. Prozessmanagement
Prozessmanagement dient der Dokumentation, Analyse und Publikation der Abläufe in einer Organisation. Dieser Ansatz ist einerseits gut, weil so allen Mitarbeitern klar wird, wie bestimmte Aktivitäten ablaufen sollen und an welchen Stellen Prüfungen oder Freigaben durchzuführen sind. Andererseits ist an dieser Stelle zu viel Transparenz auch gefährlich, weil sich Angreifer mit Hilfe gestohlener Identitäten überhaupt erst über die genauen internen Abläufe in einer Organisation informieren können.
Für ein effektives Cybersecurity-Management sind daher zwei Anpassungen in Erwägung zu ziehen. Erstens sollte überprüft werden ob wirklich alle Informationen für jeden Mitarbeiter zugänglich sein müssen. Zweitens müssen alle Prozesse noch einmal hinsichtlich möglicher Missbräuche untersucht und entsprechende Gegenmaßnahmen definiert werden.
2. Architekturmanagement
Nicht immer steht der Geschäftsprozess im Zentrum eines Angriffs. Häufig werden auch gezielt einzelne Systeme oder Geräte angegriffen. Dabei werden technische Schwachstellen ausgenutzt, um der Organisation zu schaden. Bestes Beispiel hierfür sind Distributed Denial-of-Service (DDoS)-Attacken.
Daher ist es für Organisationen von hoher Wichtigkeit, für ihre komplette System- beziehungsweise Gerätelandschaft zu dokumentieren, was sich im Einsatz befindet und welche Abhängigkeiten zwischen diesen Komponenten bestehen. So können im Krisenfall schnell Entscheidungen getroffen werden, und die eigene Infrastruktur wird mit gezielten Aktivitäten sicherer gemacht.
3. Datenmanagement
Die Auswertung der großen Datenmengen, die im Kontext von Cybersecurity anfallen, erfordert neue Konzepte. Nicht mehr das Speichern und spätere Auswerten aller relevanten Daten ist zielführend. Vielmehr müssen die relevanten Daten aus den Datenströmen herausgefiltert werden. Diese können dann mit Daten aus anderen Datenströmen oder mit Vergangenheitsdaten verknüpft werden. So lassen sich komplexe Abhängigkeiten und Entwicklungen über sehr lange Zeiträume innerhalb weniger Augenblicke erkennen. Die Reaktion auf ein kritischsn Event ist dann quasi nur noch eine Formalität. Und die Kosten für das Management der Daten werden nicht durch riesige Datenbanken in die Höhe getrieben.
Die Vorteile dieses ganzheitlichen Ansatzes liegen in den Bereichen Qualität, Kosten und Zeit. Die Qualität wird durch eine höhere Sensibilität bei den Mitarbeitern erreicht, die besser verstehen, an welchen Stellen Cyber-Angriffe möglich sind, auf was zu achten ist und wie im Falle eines Angriffs zu reagieren ist.
Auch die Transparenz hinsichtlich der Gefährdungen und der Abhängigkeiten bei Angriffen wird erhöht, was zu einem gezielteren Handeln bei der Vorbeugung und Behebung von Schäden führt. Dies wiederum hat konkrete Auswirkungen auf die Kosten. Die laufenden Kosten für das Cybersecurity-Management werden so gering wie möglich gehalten, und die Kosten bei Schäden werden hoffentlich ganz vermieden.
Der zeitliche Vorteil liegt primär im schnelleren Erkennen von Angriffen. Nicht immer lassen sich diese nämlich von vorneherein verhindern, doch durch die schnelle Reaktion können Transaktionen gegenbenenfalls rückgängig gemacht oderwenigstens Wiederholungen vermieden werden.
Wie also anfangen? Was ist der beste Weg? Zunächst sollte eine Analyse durchgeführt werden. Dabei sind Prozesse und Systeme gleichermaßen zu berücksichtigen. Auf dieser Basis wird die notwendige Transparenz hinsichtlich der kritischsten Punkte geschaffen. Danach kann im Rahmen eines Pilotprojektes die grundsätzliche Machbarkeit untersucht und die Grundlage für alle nachfolgenden Schritte gelegt werden. Schließlich können immer weitere Verfeinerungen am Cybersecurity-Management vorgenommen und weitere Angriffsmuster berücksichtigt werden.
Cybersecurity-Management ist komplex, teuer und zeitaufwändig. Organisationen haben leider keine andere Wahl, als sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich bestmöglich vorzubereiten. Vorsicht ist an dieser Stelle eindeutig besser als Nachsicht. (haf)