Bitte in 18 Monaten die gesamte IT migrieren: So ähnlich lautete damals der Auftrag an das Führungsteam von Vitesco Technologies. Eine Mammutaufgabe, vor allem für Thomas Buck, den CIO von Vitesco Technologies, und sein Team. In gut eineinhalb Jahren sollte die ehemalige Antriebssparte von Continental als eigenständiges Unternehmen aus dem Mutterkonzern herausgelöst werden und autark funktionieren. Ohne maximalen Pragmatismus und eine Cloud-only-Sicht eine kaum zu bewältigende Herausforderung.
Erst recht nicht, während parallel mit der globalen Coronavirus-Pandemie eine bisher nicht dagewesene Unbekannte aufzog. Dass Buck und sein Team diese Herausforderungen nicht nur einfach gemeistert, sondern beispielgebend "smooth" umsetzen konnte, hat auch die Jury des "CIO des Jahres" beeindruckt, wo dem Vitesco Technologies-CIO mit seiner Geschichte der Sprung unter die fünf Finalisten des Jahres 2022 gelang: "Herr Buck hat das Momentum genutzt und den äußeren Zwang in Zukunftsfähigkeit umgesetzt", schrieb beispielsweise Jurorin Marion Weissenberger-Eibl vom Karlsruher Institut für Technologie.
Beim "CIO Cloud Summit" am 30. März 2023, für den die Registrierung noch bis zum 29. März 2023 offensteht, wird Thomas Buck den Teilnehmenden im Rahmen der Opening Keynote und eines Experience Talks im Programm Einblicke in die Cloud-Journey bei Vitesco Technologies geben und seine Lessons Learned teilen. Im Vorfeld der Veranstaltung und in Vorbereitung der beiden Sessions hat Thomas Buck dem CIO-Magazin im Rahmen dieses Interviews bereits ein paar spannende Einblicke gewährt:
Herr Buck, haben Sie erstmal vielen Dank für die Bereitschaft, die Cloud-Story von Vitesco auch auf unserem Cloud Summit im März zu erzählen! Wenn Sie sich mal für einen Moment in den März 2020 zurückdenken: Was war seinerzeit Ihre erste Reaktion, als die Entscheidung zum Carve- out und der vollständigen IT-Migration binnen 18 Monaten fiel und das Thema bei Ihnen und Ihrem Team aufschlug?
Thomas Buck: Natürlich zeichnet sich eine solche Entscheidung bereits im Vorfeld ab und kam nicht vollkommen überraschend. Wir waren also schon darauf vorbereitet, dass es so kommen konnte. Dennoch ist es vor allem im Bereich der Infrastruktur ein gewaltiger Unterschied, ob sie einen Teilbörsengang machen, bei der die Muttergesellschaft die Mehrheit behält, oder einen vollständigen Spin-Off, bei dem sie aus IT-Sicht eine komplett eigene Infrastruktur brauchen und alle Services plötzlich vollkommen eigenständig erbringen müssen.
Vitesco Technologies ist im Grunde die ehemalige Antriebssparte des Continental-Konzerns. Worauf fokussiert sich das Unternehmen seit dem Carve-out in einer Welt der stetig wachsenden Elektromobilität?
Thomas Buck: Auf die Umsetzung unserer Strategie, der "Direction2030". Wir wollen Wegbereiter sein für die saubere Mobilität der Zukunft. Dieses Ziel verfolgen unsere Mitarbeiter weltweit mit sehr viel Leidenschaft, Einsatz und Pioniergeist.
Dass die 18-Monats-Deadline für die Migration - vorsichtig formuliert - sportlich werden würde, dürfte Ihnen und Ihrem Team schnell klar geworden sein. Was waren Ihre größten Herausforderungen auf dem Weg?
Thomas Buck: Wir wussten, dass es eine vierstellige Anzahl von Applikation zu trennen und zu migrieren gab. Wir hatten allerdings keine Umgebung, wohin wir hätten migrieren können, kein Netzwerk, keine Rechenzentren - eben keine eigene Infrastruktur. Und wir wussten, dass uns die Zeit, die wir für den Aufbau der Infrastruktur brauchen würden, für die Migration der vielen Applikationen fehlen würde. Wir benötigten also Infrastruktur-Lösungen, die uns einen schnellen Beginn der eigentlichen Applikationstrennungen ermöglichten.
Done is better than perfect
Sie schrieben in Ihrer Bewerbung zum CIO des Jahres 2022, dass die Herausforderung der Migration ohne Pragmatismus nicht zu schaffen gewesen wäre. Was hieß "Pragmatismus" für Sie und ihr Team konkret?
Thomas Buck: "Done is better than perfect", davon mussten wir uns oft leiten lassen, vor allem bei der Applikations-Landschaft. Wir konnten uns nicht immer für einen theoretisch idealen Weg entscheiden, die Dinge zu tun. Die Trennung bis zum definierten Zeitpunkt durchzuführen, musste immer die übergeordnete Prämisse sein. Bei der Infrastruktur war es etwas anders: Da mussten wir gerade durch den Zeitdruck oft neue Wege gehen und etwas wagen. Die Ergebnisse unseres Cloud-Moves, nicht nur für die Backend-Infrastruktur, sondern auch ins Azure-Active-Directory und in unser SASE-Netzwerk, haben uns aber für diesen Mut belohnt.
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Ihr Ansatz für den Weg der Vitesco Technologies zu einem eigenen und eigenständigen Technologie-Stack führte über einen fast vollständigen Cloud-first- oder Cloud-only-Ansatz. Neben der sehr pragmatischen Grundsatzentscheidung für die Cloud gab es sicher noch weitere Gründe für diesen Weg. Beschreiben Sie doch mal die Entscheidungsfindung oder Abwägung vor dem Cloud-Move und wo dieser Sie am Ende mit Blick auf Ihren Stack hingeführt hat.
Thomas Buck: Zunächst verfügen wir in unserem Team über hervorragende Expertise zu Cloud-Technologien. Das gab uns die Sicherheit, dass wir erfolgreich sein können. So konnten wir uns auch schon früh ein gutes Bild davon machen, welche zukünftigen Möglichkeiten uns die Flexibilität und Dynamik der Cloud bringen würden. Diese Vorteile sind in der Transformation hin zur elektrifizierten Mobilität bereits heute sehr wertvoll für Vitesco Technologies. Wir können zum Beispiel sehr schnell auf Veränderungsszenarien reagieren oder den Mehrwert neuer, digitaler Technologien für uns testen.
Sie haben sich - das hat unser Vorgespräch für Ihre Beiträge zum virtuellen CIO Cloud Summit am 30. März 2023 gezeigt, für das Migrations-Modell "Lift & Shift" entschieden und erst im Nachgang optimiert. Warum haben Sie das so gemacht und welche Learnings haben Sie daraus gewonnen?
Lift und Shift muss keine Notlösung sein
Thomas Buck: Zum damaligen Zeitpunkt war es eben der bereits angesprochene Pragmatismus. "Lift und Shift" in die Cloud war der einzig mögliche Ansatz, die Trennung im definierten Zeitraum durchzuführen. Im Rückblick betrachtet sehen wir das aber als den richtigen Weg und würden ein "Lift und Shift" nicht mehr grundsätzlich als Notlösung betrachten. Wir konnten im Nachgang - dank Cloud-Technologie - einige sehr hilfreiche Methoden entwickeln, um unsere Landschaft deutlich zu optimieren. Das geht, wenn man erstmal in der Cloud ist, sehr schnell und einfach.
Eine der Lessons Learned Ihrer von der Pandemie begleiteten Cloud-Journey war ja, dass aus dem Homeoffice viel mehr möglich war, als Sie gedacht hätten - immerhin musste ein Großteil der Arbeit remote gemacht werden. Hätten Sie das zuvor für möglich gehalten? Und: Was nehmen Sie aus dieser Erkenntnis mit für weitere Projekte?
Thomas Buck: Es gab da ja keine Erfahrungswerte, zumindest kenne ich niemanden, der sowas unter solchen Bedingungen schon gemacht hatte. Da wir diese äußeren Bedingungen nicht bestimmen konnten, war es für das Führungsteam wichtig, zu jedem Zeitpunkt Zuversicht auszustrahlen. Wie sollten sonst die Mitarbeiter daran glauben, dass es möglich ist, wenn wir es nicht selbst tun? Es war auch wichtig, entsprechende Unterstützung zu geben, sowohl was die Flexibilität als auch was die Sicherheit des Arbeitsplatzes angeht.
Dass eine gesamte Organisation auf das gleiche, klare Ziel hinarbeitet, hat sicher auch geholfen. Wir sehen aber auch, dass wenn wir heute im Regelbetrieb in vielen verschiedenen IT-Bereichen Innovationen schnell nach vorne bringen wollen und es um Kreativität geht, persönliche Treffen doch die bevorzugte Alternative sind.
Haben Sie vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, wir sehen und hören Sie spätestens auf unserem CIO Cloud Summit wieder!