Aus Sicht von IBM ist Verse ein sehr großer Schritt. Noch kein anderes Produkt von Big Blue wurde so konsequent auf die Bedürfnisse des Endanwenders hin entwickelt. IBM war in den vergangenen Jahrzehnten stark im Entwickeln von Back End Systemen. Das User Front End war schon immer für viele Anwender ein Grund zum Klagen.
Nun soll alles anders werden. Dafür wurden in den vergangenen Monaten nicht einfach nur ein paar Web Designer eingestellt, sondern die eigenen Prozesse der Entwicklung wurden verändert. IBM hat die Idee des Design Thinking aufgegriffen. Um zu zeigen, dass sie es ernst meinen, wurden auf der CeBit Design Thinking Workshops für interessierte Besucher angeboten. Die Workshopleiter führen diese Veranstaltungen normalerweise für neue IBM Mitarbeiter durch. In einer komprimierten Version wurde der Ansatz zu neuem Denken gemeinsam mit den Teilnehmern durchgeführt.
Am Mittwoch hat IBM ihre verantwortlichen Manager für Social Software, Jeff Schick, sowie für Analytics, Alistair Rennie, auf die Bühne gebeten. Martina Köderitz, Geschäftsführerin IBM Deutschland, eröffnete die Veranstaltung. Ihr folgte Senior Vicepresident Bob Picciano. Dies ist insoweit bemerkenswert, da dieser Geschäftsbereich im IBM Portfolio nicht viel mehr als ein dicker Strich auf einem Tortendiagramm ist und häufig nicht die notwendige Aufmerksamkeit im oberen Management erhält.
Das Signal ist klar: IBM möchte wieder näher an die Anwender. IBM Verse ist dafür die sichtbare Speerspitze. Daher spielt Design Thinking auch bei den IBM Entwicklern dann eine wichtige Rolle, wenn der Anwender nicht direkt mit dem Produkt arbeitet.
Evolution oder Revolution?
IBM Verse macht nichts anderes wie andere E-Mail Clients auch: Es verschickt und empfängt E-Mails. Allerdings geht IBM bei der Neuentwicklung des User Interfaces einen größeren Schritt als die Mitbewerber. Es ist alles sehr viel visueller, die Suche nach Informationen erfolgt unterstützt vom System schrittweise und sehr schnell und die für das tägliche Arbeiten notwendigen Informationen wie wichtige Kontakte oder Termine sind in einer neuen Darstellungsform jederzeit sichtbar. Noch nicht vom Start weg verfügbar, soll IBMs analytische Wunderwaffe Watson in den kommenden Wochen die Mailflut leichter beherrschbar machen.
Kern des Design Thinking Prozesses ist das Herausfinden der Pain Points des Anwenders: Wo muss man unnötig oft klicken, um die Funktion aufzurufen? Was muss man immer wieder neu suchen? Was behindert den Arbeitsfluss? IBM hat diese Schwachstellen bisheriger Bedienkonzepte identifiziert und (endlich) eine Oberfläche aus einem Guss geschaffen.
Welche Ziele verfolgt die IBM mit Verse?
Der E-Mail Markt ist sowohl auf der Serverseite wie auch im Bereich der Clients gesättigt. Es gibt kein Unternehmen ohne E-Mail. Im ersten Schritt muss IBM daher verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen. Viele treue Anwenderunternehmen wurden oftmals vom Service und den Produkten der IBM enttäuscht. Hier hilft ein neues Produkt, aber es muss noch sehr viel mehr passieren. Und das wird dauern.
Jeff Schick gab im Interview die Zielrichtung klar vor: Der Markt soll neu aufgeteilt werden und IBM wird alles daran setzen, sich wieder einen größeren Anteil zurückzuerobern. IBM Verse soll der Anfang sein. IBM Connections soll folgen und in diesem Jahr noch mit einem großen Sprung wieder an die Spitze der Social Business Plattformen springen.
Auch das Marketing muss neue Wege gehen. Die Maßnahmen dürfen nicht so zaghaft sein, wie auf der CeBit. Wer genau hinschaute konnte einige Plakate auf dem Weg auf das Gelände entdecken. Ein Anfang, aber da muss mehr Mut und Frische hinein. Wenn IBM die Anwender für sich gewinnen möchte, dann muss mehr Sichtbarkeit geschaffen werden.
Ein für IBM ganz neuer Schritt ist das Anbieten von IBM Verse in einer Freemium Version. Andere Mitbewerber sind hier schon lange sehr aktiv und haben ihre Erfahrungen bereits gesammelt. Für IBM soll dieser Weg den Anwendern die Möglichkeit geben, sich mit dem Produkt vertraut zu machen, um es dann im Unternehmen einzufordern. IBM Verse ist gut genug, um dieses Ziel zu erreichen. Allerdings muss IBM bis dahin aber noch viel arbeiten für den Erfolg. Fehler werden auf dieser sehr gut sichtbaren Bühne nicht verziehen.
IBM verzichtet bei der Präsentation auf eine Feature-Schlacht. Die ganzen letzten Jahre ging es bei den großen Herstellern meist nur darum, welche Funktion noch hinzugefügt wurde. Das endete in den überladenen und verschachtelten Pull-Down-Menues oder lieblosen Implementierungen. Junge Start-Ups mit ihren stylischen Web-Anwendungen und Apple haben hier den Weg gezeigt, den nun auch IBM beschreitet: Der Anwender wird dann bei seiner Arbeit unterstützt, wenn die notwendigen Funktionen smart und schick zu bedienen sind. Nicht die Anzahl der Funktionen ist relevant - die Plattformen können viel mehr als gebraucht wird - sondern die Art der Implementierung und eine moderne User Experience sind ausschlaggebend.
Auch wenn ein immer größerer Anteil der Kommunikation über soziale Medien abläuft – E-Mail ist und bleibt das Medium der Wahl, was besonders für den geschäftlichen Bereich gilt .
Eine Sicherheitslösung, die in Kombination mit einer „Schutzschicht“ in der Cloud arbeitet: Die Barracuda Spam Firewall, die auch als Appliance bereitsteht, soll so noch besseren Schutz bieten
Schneller Überblick für den IT-Mitarbeiter: Mittels einer Web-Schnittstelle kann er bei der Spam Firewall unter anderem sehen, wie hoch das Spam-Aufkommen in der Mail seines Unternehmens ist.
Kombination aus Hardware-Lösung vor Ort und Cloud-Anbindung: Die sogenannte Managed Appliance des deutschen Anbieters antispameuropa steht direkt im Rechenzentrum des Kunden, wird dabei aber via Cloud durch den Support des Anbieters gewartet
Warum nicht die Lösung direkt aus der Cloud? Eine ganze Reihe von Providern und Anbietern, die sich auf das Exchange-Hosting spezialisiert haben, stellen einen Mail-Server online bereit, auf den die Nutzer auch direkt mit OWA (Outlook Web Access) zugreifen können.
Grundsätzlich nur eine geringe Umstellung: IT-Mitarbeiter, die den Exchange-Server bereits kennen, finden auch bei gehosteten Angeboten (hier am Beispiel von Office 365 gezeigt) alle Möglichkeiten vor. Vor Ort entstehen dadurch keine Hard- und Softwarekosten für den Server.
Schafft IBM den Turn Around?
IBM hat natürlich genügend Reserven und Potential für diesen Neuanfang. Aber aktuell ist es weniger eine finanzielle Frage, sondern viel mehr die der positiven Wahrnehmung auf dem Markt, in den Unternehmen und bei den Anwendern. Mit IBM Produkten zu arbeiten, muss cool sein. Dabei darf es nicht anbiedernd und nicht peinlich rüberkommen - eine schwierige Gradwanderung.
Die Stimmung bei den auf der CeBit anwesenden Mitarbeitern, Business Partnern und Kunden war sehr gut. Ob das reichen wird, bleibt abzuwarten. IBM muss es wieder schaffen, dass man über die Produkte spricht. Die IT-Entscheider müssen die Sicherheit bekommen, dass sie ihren Mitarbeitern etwas Gutes tun, wenn sie auf die neu entwickelten Produkten der IBM setzen. (bw)