Mit tiefen Taschen und einem ambitionierten Plan ist die Bonner Investment-Gesellschaft HW Partners AG dabei, ihr Portfolio an Cloud-basierten Business-Anwendungen auszubauen. Hinter dem Unternehmen stecken Jörg Haas und Rüdiger Wilbert, die 1995 das Softwarehaus GWI gegründet und dann an Agfa-Gevaert verkauft hatten - für 352 Millionen Euro.
Ein Teil der Verkaufserlöse steckt heute in Scopevisio, dessen Finanzsystem Haas als Kern aller weiteren Aktivitäten bezeichnet. Scopevisio soll groß werden und für KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) eine ähnliche Bedeutung erlangen, wie sie SAP unter Großkunden hat. Dazu sucht Scopevisio die Nähe zu Microsoft: Die Software soll künftig auch aus der deutschen Azure-Cloud heraus angeboten und tief integriert mit Office 365, Power BI, Microsoft Teams und anderen Tools offeriert werden. Zudem sei Scopevisio offen für indirekte Geschäfte, wie Haas versichert: Mittelständische Softwarehäuser, die für ihr spezialisiertes Cloud-Angebot eine Finanzlösung bräuchten, seien als Partner willkommen.
CenterDevice - eine Antwort auf Box
Für Enterprise Content Management (ECM) und Collaboration ist das zweite Unternehmen im Portfolio von HW Partners positioniert: CenterDevice. Funktional orientiert sich der Anbieter an Lösungen wie Box - allerdings mit Zuschnitt auf die verschärften deutschen Sicherheits- und Compliance-Anforderungen. CenterDevice kann von Kunden auch als Whitelabel-Lösung hinter eigenen Angeboten zum Einsatz kommen. Während Scopevisio aufgrund der sehr aufwändigen regionalen Anpassungen noch nicht überregionale Märkte abeckt, ist CenterDevice bereits international positioniert.
Mit weiteren Cloud-Angeboten legt HW Partners gerade erst los. Legalvisio etwa ist eine Cloud-Software für die Prozessautomatisierung in Rechtsanwaltskanzleien, das HW Partners gemeinsam mit dem prominenten Rechtsanwalt Christian Solmecke ins Leben gerufen hat. Es gebe bei den Anwälten viele Verfahren mit geringer individueller Komplexität, etwa bei der Vorbereitung von Schriftsätzen oder von Abmahnungen, die hochautomatisiert ablaufen könnten, so Haas. "Wir möchten rund 200 Verfahren aus der Juristerei standardisieren", kommentiert der Investor den Einstieg in die Welt der Legaltechs.
Noch in diesem Jahr soll zudem die derzeit im Betastatus befindliche "Job-Dating-Plattform" Gigwork folgen, auf der Arbeitgeber und Arbeitnehmer - sowohl für kurzfristige als auch langfristige Beschäftigungsverhältnisse - zusammenfinden sollen. Das Besondere daran: Im Mittelpunkt steht nicht, was und wo Menschen arbeiten wollen, sondern unter welchen Bedingungen und wie. Jobsuchende geben erstmal ein Profil ein, in dem sie etwas über ihre Persönlichkeit und ihre Werte verraten - ob sie sich etwa eher als "Weltenbummler" oder als "Lokalpatrioten" sehen, wie alt sie sich "fühlen", ob sie bei einem Fußballspiel eher Stürmer oder Verteidiger sind, wie sie es mit der Nachhaltigkeit halten etc. Potenzielle Arbeitgeber erhalten so nicht nur Informationen über Skills und Gehaltswünsche, sondern über die Persönlichkeit.
Carmato schließlich ist eine Plattform für den Gebrauchtwagenhandel für Unternehmen und Privatpersonen. Hier finden Menschen zusammen, die gebrauchte Fahrzeuge verkaufen oder kaufen wollen, und Firmen die ihre Fuhrparkverwaltung effizient und ohne kostspielige Mittler organisieren möchten.
Langjähriger Bebauungsplan
Mit dem Ausbau der Cloud-Plattformen ist Haas noch längst nicht am Ende. "Unser Fokus liegt auf dem deutschen Mittelstand, dabei haben wir einen Bebauungsplan über mehrere Jahre", so der Investor. Softwarearchitektonisch sei ein starkes Cloud-Fundament gelegt, weitere Systeme könnten angedockt werden - egal ob zugekauft oder von Partnern. Eines ist offenbar sicher: Die Investitionsbereitschaft des Bonner Investors, der seine Ziele noch lange nicht erreicht hat.