Durch eine Vielzahl von Akquisitionen hat sich Oracle in den vergangenen Jahren eine enorme Schar neuer Software- und Hardware-Produkte ins Portfolio geholt, und diese in der Folge modernisiert und weiterentwickelt. Resultat dieser Arbeit sind beispielsweis die Datenbankmaschine "Exadata" sowie die "Fusion"-Middleware-Technik und -Applikationen. Gleichzeitig gilt das Versprechen, den langjährigen Kundenstamm etwa von Peoplesoft und Siebel samt ihrer ERP- und CRM-Produkte zu pflegen.
Doch vor allem steht Oracle im dauerhaften Wettbewerb zu SAP. Der Walldorfer Konzern beherrscht die aktuellen Diskussionen in der Branche mit seiner inMemory-Datenbank "HANA". Über die vielfältigen Herausforderungen, denen sich Oracle stellen muss, sprach Chris Kanaracus für den IDG News Service (IDGNS) mit Mark Hurd, President des Software-Konzerns. Das Gespräch fand am Rande der Collaborate User Group-Konferenz in Denver statt.
Nach Oracle-Angaben gibt es aktuell etwas mehr als 400 Kunden, die die seit Oktober 2011 allgemein erhältlichen Fusion Applications nutzen. Sind Sie mit dieser Zahl zufrieden?
Hurd: Wir denken da in anderen Kategorien. Hinsichtlich unseres Einstiegs in Human Capital Management (HCM) schlagen wir uns nach unserem Dafürhalten ziemlich gut. Schaut man auf die Cloud- respektive SaaS-Deals bekommen wir auf internationaler Ebene nahezu alle HCM-Aufträge. Mittlerweile läuft es für uns auch in den USA ganz gut. Wir haben ein großartiges Team, unser Produkt reift, und die Zahl der Installationen und Referenzen wächst.
Bei Sales Automation stehen wir in einem härteren Wettbewerb. Wir haben einige Akquisitionen im Bereich Social Business getätigt, die wir jetzt in Sales Automation integrieren. Mit diesem Produkt kommen wir später auf den Markt als mit HCM.
Typischerweise betrachten wir Fusion Apps nicht als für sich allein stehend. Wir bewerten das mehr im Hinblick auf diese beiden gennanten Pfeiler.
Oracle hat sich im Rahmen seines Applications Unlimited-Programms langfristig zu seinen anderen Produktlinien wie Siebel und PeopleSoft bekannt. Aber ist nicht doch am Ende das Ziel, alle Kunden zu den Fusion-Applikationen zu bringen?
Hurd: Wir haben wirklich keine Absicht, irgendeine Applikation auslaufen zu lassen. Wir denken, dass wir noch für eine sehr lange Zeit Siebel-Kunden haben werden, und wir reden von mehreren tausend Kunden.
Fusion ist ja eine modulare Lösung. Man kann deshalb jetzt als PeopleSoft-Kunde Zugang zu Recruiting, Compensation Workbench oder Performance Management erhalten. Wir streben keine Rip-and-Replace-Strategie an, zumal letztlich ohnehin unsere Kunden entscheiden. Ich bin überzeugt, dass es auch zur "Oracle OpenWorld" im Jahr 2020 noch einen eigenen PeopleSoft-Schwerpunkt geben wird.
Immer wieder gibt es Beschwerden darüber, dass der Vertrieb von Oracle aggressiv sei und Kunden von allen Seiten bearbeite. In ihrer Collaboration-Keynote sagten Sie, dass Sie das Leben für die Kunden leichter machen wollten. Könnten Sie dieses Vorhaben konkretisieren?
"Neue Kultur im Vertrieb"
Hurd: Wir stellen zurzeit viele Sales-Leute ein. Ein Grund dafür ist, dass wir die Abdeckung erhöhen wollen. Ein anderer, dass wir mehr Spezialisierung wollen. Wir halten es für wichtig, dass ein Vertriebsmitarbeiter eine Menge über HCM weiß und sich im Gespräch mit einem Personalchef genauso wohl fühlt wie mit einem allgemeinen App-Einkäufer. Außerdem haben wir unser Verkaufspersonal mit Technologie-Experten verstärkt, was sicherlich auch unseren Kunden willkommen ist.
Wenn Sie sagen, dass Oracle-Verkäufer aggressiv sind, muss das nicht unbedingt eine schlechte Sache sein. Wir wollen keine passiven Mitarbeiter, unsere Leute sollen den Kunden dabei helfen, dass sie ihre Ziele zu erreichen. Wir haben in der Vergangenheit in der Tat häufig die Vertriebsregionen verändert. Das hat einiges verschlimmert. Und da wollen wir zu einer neuen Kultur kommen, wir streben Beständigkeit und Konsistenz in unseren Sales-Beziehungen an.
SAP hat klar die Devise ausgegeben, mit seiner HANA-Plattform im Datenbank-Markt Anteile auf Kosten von Oracle gewinnen zu wollen. Insbesondere sollen die unter SAP ERP liegenden Oracle-Datenbanken ersetzt werden. Sehen Sie sich durch HANA bedroht?
Hurd: Wenn ich als CIO über die Dinge nachdenken würde, die mich groß machen, käme eine Migration auf HANA nicht auf die Liste. Da stünden andere Fragen drauf: Sorge ich für Innovation? Helfe ich meinem Unternehmen, das Kundenerlebnis zu verbessern? Es muss eine klarere Mission geben, als nur das eine durch das andere zu ersetzen. Es braucht zumindest irgendeine Form von Wertzuwachs.
Würden Sie einfach so an ihrem ERP-Herzstück herumdoktern und die Infrastruktur auswechseln - mit dem Risiko, dass alles auseinanderfällt oder nicht funktioniert? Unsere Haltung zu SAP ist: Wenn sie Zeit und Geld für den Datenbank-Markt verwenden wollen, ist das bestens. Manche Leute munkeln, dass sie damit vermutlich den gleichen Erfolg haben werden wie mit ihrer Middleware-Strategie. SAP sagt ja, dass HANA das am schnellsten wachsende Produkt in seiner Geschichte sei. Wenn HANA ihre größte Innovation ist, kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)