Der Weltraum, unendlich Weiten … Mit diesen Worten beginnt die vielleicht beliebteste Science-Fiction-Serie aller Zeiten. Und auch wenn uns das Gespräch am Campus der TU München nicht direkt in die Tiefen des Alls geführt hat, konnten wir doch von Ulrich Walter einiges über das Leben im Orbit erfahren - und wurden sehr zum Leidwesen des Star-Trek-affinen Autors mit Blick auf den Warp-Antrieb desillusioniert.
Der 21. Juli 1969 war einer der wichtigsten Tage der Raumfahrthistorie. Wissen Sie noch, was Sie an diesem Tag gemacht haben?
Ulrich Walter: Das weiß ich noch sehr genau. Da lag ich im Bett. Ich war damals nämlich noch echt jung. Und meine Eltern haben sehr darauf geachtet, dass ich in die Schule ging und zeitig im Bett war. Der Ausstieg fand ja morgens um 4 Uhr unserer Zeit statt. Insofern war es sehr schade, dass ich nicht live dabei sein konnte - am nächsten Morgen habe ich dann aber natürlich alles mitbekommen.
Lassen Sie uns zu Ihrer Zeit im All und der Mission von damals kommen. Ihre Mission war STS-55, die im deutschsprachigen Raum auch als D-2-Mission bekannt ist. Am 26. April 1993 hoben Sie und Ihre sechs Kameraden an Bord der Columbia ab. Der Start Ihrer Mission war eher holprig. Was genau hat da nicht funktioniert?
Walter: Holprig ist noch sehr gelinde ausgedrückt. Wir hatten damals mehrere Probleme. Einmal waren wir bereits angezogen und sogar schon eingestiegen. Da hat drei Sekunden vor dem Start ein Ventil nicht richtig funktioniert und Wasserstoff gelangte auf die Startrampe. Der Shuttle drohte also kurz vor dem Start zu explodieren. Das war schon eine sehr haarige Situation. Dann hatte bei einem weiteren Startversuch ein Kreiselsystem nicht korrekt funktioniert, was den Start noch einmal verschob. Danach ging es aber dann los. Das tolle ist, dass Sie als Astronaut genau wissen: Das Ding startet nicht ohne mich. Und deswegen war uns das eigentlich egal. Während dieser Verschiebungen hat Jerry Ross (Mission Specialist und STS-55-Crewmitglied) gesagt, wir sollten doch einfach zur Ablenkung ins Kino gehen. Da haben wir uns "Groundhog Day", in Deutschland als "Und täglich grüßt das Murmeltier" bekannt, angeschaut. Das passte so haargenau auf unsere Situation, wir haben uns halb totgelacht.
Was denkt man eigentlich, wenn man in der Raumfähre sitzt und merkt, dass einer der Feststoff-Booster nicht so tut, wie er eigentlich soll?
Walter: Ich wusste nicht, was da los war. Auch die NASA wusste es zunächst selber nicht. Wir haben nur über das Mikro mitbekommen, dass der Start abgebrochen wurde und ein Ventil knapp 1 Bar Überdruck hatte. Dass es sich dabei um ein Wasserstoffventil handelte und die Situation so kritisch war, erfuhren wir erst im Nachhinein. Hinterher war uns klar, wie kritisch das wirklich war. Aber: Wenn Sie sich dazu entschließen Astronaut zu werden, wissen Sie, dass Sie sich da auf einen sehr heißen Ofen setzen. Und Sie wissen und akzeptieren auch, dass etwas schiefgehen kann. Der Mensch ist da sehr eigentümlich, da er sich an Gefahren gewöhnen kann. Und deswegen setzt man sich genauso in ein Shuttle rein, wie man sich in ein Auto reinsetzt und weiß: Es gibt 6.000 Verkehrstote. Jeder setzt sich rein, keiner hat wirklich Angst - das ist genau derselbe Effekt.
Hat das nicht auch etwas mit dem Training zu tun?
Walter: Ja, das Training ist wesentlich dafür, diesen Umgang zu üben und gelassener zu werden. Und trotzdem muss man sich klarmachen, dass jederzeit etwas schiefgehen kann. Das Shuttle ist ja auch zweimal abgestürzt.
Schaut man auf die aktuelle Astronauten-Generation, beispielsweise Chris Hadfield oder Alexander Gerst, fällt auf, dass der Medienrummel und der "Starfaktor" wieder zugenommen haben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Sind es eher die charismatischen Typen oder mehr die neuen Kommunikationsmittel?
Walter: Der Mensch braucht immer Identifikationsfiguren - und in der Raumfahrt sind das nun mal die Astronauten. Wann waren wir zum ersten Mal auf dem Mond? Formal gesehen war die erste Landung eines Raumschiffes auf dem Mond Anfang der 60er Jahre. Nur, das war unbemannt und deswegen spricht da kein Mensch mehr davon. Wir waren auf dem Mond erst im Jahr 1969. "Wir" heißt es immer dann, wenn ich mich über einen anderen Menschen und seine Gefühle identifizieren kann. Fragen Sie mal einen Roboter nach seiner Rückkehr vom Mond, wie es war. Er wird Ihnen nichts von Gefühlen erzählen. Und deswegen sind die Astronauten die Botschafter des Weltraums. Und dafür sind Leute wie Alex Gerst oder Chris Hadfield einfach prädestiniert.
Was bei Chris Hadfield das Youtube-Video war, sind bei Alex Gerst seine Tweets mit den tollen Fotos aus dem Weltall (#bluedot). Hätten Sie sich für Ihre Shuttlemission auch ein Smartphone mit Twitter, Facebook, Instagram und Youtube gewünscht?
Walter: Ja, absolut. Unsere Kommunikationsmittel waren extrem begrenzt. Wir hatten damals noch normale Filmkameras, digitale Kameras gab es noch nicht. Und kommunizieren durften wir im Grunde gar nicht, da der offizielle Air-to-Ground-Kanal ein öffentlicher Kanal der NASA war - und den darf man nicht für Privatzwecke benutzen. Die einzige Chance auf Kommunikation mit der Familie war tatsächlich Amateurfunk. Insofern sind die heutigen Möglichkeiten natürlich super.
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Woran arbeiten Sie im Moment mit Ihren Studenten?
Walter: Mit unseren Studenten bauen wir gerade einen Satelliten, den so genannten Move II. Das finden die Studenten toll, nachdem die Vorlesungen immer etwas trocken sind - und man sieht die eigene Arbeit dann auch noch fliegen. Im Forschungsbereich machen wir mehr Kommunikationstechnologie, also beispielsweise Teleoperation von robotischen Systemen im Weltraum.
Wie funktioniert eigentlich das Internet im All, beispielsweise auf der ISS?
Walter: Es ist oben auf der Raumstation inzwischen genauso wie auf der Erde. Es gibt ein eigenes Netzwerk. Die Kommunikation mit der Erde läuft über zwei Relais-Satelliten, die gewährleisten, dass die ISS unabhängig von ihrem Punkt im Orbit jederzeit Kontakt mit dem Boden hat.
Sie werden in wenigen Tagen auf der ChannelPartner-Veranstaltung "Chancen 2017", bei der es auch um Cloud-Themen gehen wird, einen Vortrag beisteuern. Die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA gehört zum Kundenkreis der Amazon Web Services. Welche Rolle spielt Cloud Computing in der Raumfahrt?
Walter: In Europa eine untergeordnete. Die Raumfahrt ist eine sehr konservative Industrie. Sie müssen immer den Kompromiss machen zwischen moderner Technik und einer gewissen Konservativität, bei der Sie wissen: Das funktioniert. Deswegen machen Raumfahrttechniker ungern Sprünge zu ganz neuer Technik. Und wenn sie den Sprung machen, dann kaufen Sie gleich tausende von Chips, die dann 10 Jahre gehortet werden.
Der Name Elon Musk dürfte Ihnen ja geläufig sein. Musk steht mit seinen Unternehmen Tesla und SpaceX in bester Valley-Tradition, will er doch mit seinen Unternehmen "die Welt besser" machen. Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos ist mit Blue Origin in der kommerziellen Raumfahrt involviert. Sind private Unternehmer mit Weltverbesserungs-Vision bessere Raumfahrer, als staatlich getragene Organisationen wie die NASA?
Walter: Ich habe Respekt vor diesen Leuten. Statt zu reden, machen die einfach und riskieren auch etwas. Ich habe ja für IBM gearbeitet und dort Softwareprodukte entwickelt. Die Regel ist: Man setzt von drei Projekten die man so macht, zwei in den Sand. Die Amerikaner sagen da: Jemand der etwas in den Sand gesetzt hat, hat richtige und wichtige Erfahrungen gemacht.
SpaceX arbeitet ja daran, seine Trägerraketen wiederverwenden zu können, indem man diese auf einem Ponton im Ozean landen lässt. Einige der bisherigen Versuche scheiterten, jüngst gab es aber auch erfolgreiche und beeindruckende Landungen. Wie wichtig sind solche innovativen Ansätze und Impulse?
Walter: Das ist essentiell. Am Anfang geht immer alles schief. Denken sie an den typischen Programmierer: Der codiert alles erstmal runter, dann compiled und linked er das - und stellt fest, dass nichts funktioniert. Sie brauchen da einfach eine gewisse Zeit, bis das ganze rund läuft. Ohne Fehlschläge geht es nicht. Und man braucht dann das - auch finanzielle - Durchhaltevermögen.
Lassen Sie uns nach vorne blicken. Offiziell soll die ISS noch bis in Jahr 2020 betrieben werden, einige Partner sprechen von einer Verlängerung des Betriebs bis 2024, darunter auch die USA und Deutschland.
Walter: Man sagt im Moment, dass der Betrieb der Raumstation bis 2024 wirtschaftlich Sinn macht, da die Kosten durch Wartung etc. bis dahin relativ gering sein werden.
Gibt es denn Pläne für einen Nachfolger der ISS oder vielleicht eine eigene europäische Installation?
Walter: Wir Europäer bekommen das Geld dafür nicht zusammen und auch nicht die interessierten Länder. Die Franzosen wollen ihre Ariane behalten, die Italiener haben ihre Vega-Rakete. Nur die Deutschen wollen die Raumstation wirklich. Aber dafür sind wir alleine zu klein. In dem Moment, in dem die anderen internationalen Partner aus dem Projekt aussteigen, wird die ESA sagen: Das war's. Obwohl die Russen wirtschaftlich viel kleiner sind als die Deutschen, hängt es am Ende an deren Entscheidung. Bei der ESA werden Sie alleine aus finanziellen Gründen keine großen Programme sehen, wie bei der NASA. Da geht es dann eher um kleinere Satelliten-Projekte wie die Rosetta-Mission.
Was fehlt uns derzeit noch, um einen bemannten Besuch auf dem Mars zu wagen?
Walter: Der Wille und das Geld. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Denn es ist im eigentlichsten Sinne nie eine Frage des Geldes. Wenn Sie wirklich wollen, ist Geld in diesen Fällen selten das Problem.
Und wenn der Wille da wäre, wie sähe es dann technologisch aus? Was fehlt uns da noch auf dem Weg zum Mars?
Walter: Im Prinzip haben wir die Technologien alle. Es gibt aber den so genannten Technology Readiness Level (TRL). Das heißt, wir haben zwar die Technologie, wissen aber nicht, wie verlässlich sie sind. TRL-1 heißt: Wir haben die Idee, wie man ein Problem angehen könnte, haben aber keine Ahnung wie man es umsetzen soll. Die höchste Stufe ist TRL-9 und heißt: Die Technologie ist bereits im All geflogen, verifiziert und verlässlich. Manche Technologien der Marsmissionen, etwa das Lebenserhaltungssystem, werden derzeit auf einem TRL von nur 4-5 eingeordnet. Wir wissen also um Technologien, mit denen es funktioniert, aber sie sind weder geflogen, noch produziert oder verifiziert. Und eine Marsmission ist etwas unheimlich Komplexes mit vielen Rädchen, die ineinander greifen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass auf einer solchen Mission etwas schiefgeht, liegt bei 100 Prozent. Die Frage ist: Lassen sich Ausfälle durch Redundanzen wieder ausbügeln? Der TRL ist derzeit noch so gering, dass man sagen kann: Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht funktioniert und man die Leute nicht wieder zurückbekommt, liegt praktisch bei 100 Prozent. Obwohl wir im Prinzip also die Technologien alle haben, wird das in den nächsten 20 Jahren nicht funktionieren. Bei der NASA gibt es den Grundsatz, Missionen erst dann zu machen, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit beim ersten Start bei 90 Prozent liegt - das heißt, dass von 10 Erstflügen nur einer tödlich ausgeht.
Vielen Menschen sind die Investitionen in die Raumfahrt nicht plausibel, es wird gerne gesagt: "Die sollen erst mal die irdischen Probleme lösen." Wie im Scifi-Film "Interstellar" zu sehen war, könnten irdische Probleme wie Überbevölkerung, Klimawandel oder andere globale Katastrophen schnell dazu führen, dass die Lösung globaler Probleme im All liegt. Was muss aus Ihrer Sicht passieren, dass die Akzeptanz solcher Generationen übergreifender Raumfahrtprojekte steigt?
Walter: Die Frage ist doch: Ist es sinnvoll, das zu machen? Und diese Frage hat zwei Aspekte: Ist es kommerziell nutzbar, also mit der Intention verbunden, Geld zu machen? Oder gibt es andere gute Gründe die für eine solche Investition sprechen? Von einer Marsmission haben wir im ersten Moment erstmal unter kommerziellen Gesichtspunkten nichts zu erwarten. Aber so funktioniert Raumfahrt nicht. Wir waren auf dem Mond und das war genial. Aber nicht, weil es sich kommerziell gelohnt hat, sondern weil wir sagen: Wir sehen unsere Erde anders! Erinnern Sie sich an das Apollo-8-Bild? Die Erde im Hintergrund als kleine blaue Kugel? Das war das geniale Bild, das das Denken über uns selbst verändert hat. Das war der Sinn hinter dem Apollo-Programm, nicht die Steine. Ich bin davon überzeugt, dass Missionen zum Mars das Nachdenken über uns und unsere Rolle im Universum nochmal verstärken werden. Das ist der wesentliche Punkt der Raumfahrt.
Wo wir schon bei sehr weit entfernter Zukunftsmusik sind und Sie uns ja auf dem Systemhauskongress im August etwas zur Physik aus Star Trek erzählen werden, habe ich noch eine enorm wichtige Frage: Wann haben Sie endlich den Warp-Antrieb fertig?
Walter: Der Vortrag auf ihrer Veranstaltung beantwortet genau diese Frage (lacht). Aber im Ernst: Mit dem Warpantrieb sieht es echt nicht gut aus. Theoretisch ist es zwar möglich, für Warpreisen den Raum zu krümmen. Das Problem ist: Sie brauchen dafür gigantische Mengen an Energie und die muss auch noch negativ sein.
Das ist echt schade. Umso mehr freue ich mich auf Details zu dieser Frage in Ihrem Vortrag in Düsseldorf!