In einer Phase des wirtschaftlichen Wachstums in Deutschland rief Merkel die hiesige Wirtschaft zu mehr Innovationen auf. In ihrer Eröffnungsrede am Vortag des Messestarts wies sie darauf hin, dass "90 Prozent des Wachstums außerhalb von Europa stattfinden", so die Kanzlerin. Damit sich deutsche Firmen im weltweiten Wettbewerb weiter behaupten können, sei mehr Innovationskraft gefordert. Europa dürfe die vierte Revolution nicht verpassen.
Damit sprach sie das zentrale Thema der Hannover Messe Industrie an. Viele Aussteller zeigen aktuelle Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0. Hier, so die Befürchtung der Kanzlerin, drohe Deutschland und Europa den Anschluss an die schnelle, weltweite Entwicklung zu verlieren: "Wir müssen uns sputen", warnte Angela Merkel anlässlich des Branchentreffens in der niedersächsischen Landeshauptstadt.
1,7 Prozent Wachstum allein durch Industrie 4.0
Neue Zahlen des Branchenverbands Bitkom zeigen, worum es geht. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation hat der Verband erstmals das durch Industrie 4.0 initiierte Wachstum errechnet und die Zahlen auf der Messe vorgestellt. Demnach kann die deutsche Wirtschaft auf ein jährliches Wachstum von 1,7 Prozent hoffen. "Durch Industrie 4.0 kann in diesen Branchen bis 2025 eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von rund 78 Milliarden Euro generiert werden", zitierte Bitkom-Präsident Dieter Kempf aus der Studie.
- Diese Branchen können profitieren
Der Bitkom und das Fraunhofer IAO haben das Wachstumspotenzial für die Branchen ITK, Maschinen- und Anlagenbau, Chemische Industrie, Kraftfahrzeugbau, Elektroindustrie und Landwirtschaft erhoben. - Technologiefelder
Dabei wurden die Aktivitäten in divesen Technologiefelder bewertet, die für eine vernetzte und intelligente Fertigung relevant sind. - Gesamtpotenzial
Insgesamt erwarten die Marktexperten ein jährliches Wachstum von 1,7 Prozent, das mit Waren und Diensten rund um Industrie 4.0 zu erzielen ist. - ITK-Industrie
Der ITK-Branche eröffnen sich Chancen durch neuen Produkte und Dienstleistungen, die eine einfache, flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung und -steuerung ermöglichen. Neue Services basieren vielfach auf Big Data und Cloud Computing. - Maschinen- und Anlagenbau
Die Branche ist Anwender und Anbieter zugleich. Betriebs-, Zustands- und Umfelddaten können genutzt werden, um effizienter zu produzieren oder neue Geschäftsmodelle zu entwerfen. Zudem statten Anbieter andere Fertigungsunternehmen mit neue Komponenten und Systeme aus. - Elektroindustrie
Die Branche der elektrischen Ausrüster umfasst vor allem die Herstellung elektrischer und optischer Geräte. Ihre Lösungen können komplexe Produktionsprozesse fast in Echtzeit überwachen. Das schafft höhere Transparenz und senkt Lagerkosten. - Chemie
In der Chemie-Industrie geht es vor allem um die bessere Überwachung und höhere Flexibilität global verteilter Produktionsprozesse. - Kraftfahrzeugbau
Die Branche ist primär Anwender von Industrie 4.0, insbesondere in der Produktion und Logistik. Neue Technologien in den Fahrzeugen erhöhen die Verkehrssicherheit und erleichtern das Management von Ersatzteilen und die Wartung. - Landwirtschaft
Das kleinste betrachtete Segment ist die Landwirtschaft. Hier sind verbesserte Prozesse und neue Geschäftsmodelle möglich. Die Effekte werden vor allem durch die Vernetzung von Landmaschinen untereinander sowie den Einsatz mobiler Geräte gesehen: Sie vereinfachen eine flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung und -steuerung.
Zur Wertschöpfung tragen neue Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen bei. Aber auch Verbesserung in den Produktionsprozessen helfen, die Entwicklung der Wirtschaft zu beflügeln.
Die Erhebung identifiziert sechs Branchen, die von einer vernetzten und sich selbst steuernde Fertigung besonders profitieren. Laut Bitkom und Fraunhofer sind dies
der Maschinen- und Anlagenbau,
die Automobilindustrie,
die Elektrotechnik,
die Landwirtschaft,
die ITK-Industrie sowie
die chemische Industrie.
Der ITK-Branche traut die Bitkom-Erhebung ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 14 Milliarden Euro zu. Jahr für Jahr könnten die Anbieter um 1,2 Prozent allein durch Industrie-4.0-Produkte und -Dienstleistungen zulegen. Wichtigster Abnehmer für Leistungen ist das verarbeitende Gewerbe, in dem die deutschen IT-Anbieter im Durschnitt jeden fünften Euro verdienen. Selbst der in Deutschland darbenden Hardwarebranche könnte Industrie 4.0 wieder auf die Sprünge helfen. Nicht mit einem Mehrabsatz von Servern und PCs, sondern mit der Fertigung und dem Verkauf der wichtigen Embedded Systems, die in einer vernetzten Fertigung eine Schlüsselrolle für die Datenerfassung und Maschinensteuerung spielen.