Automate IT

Hamburg Süd verändert durch IT Automation die gesamte Organisation

28.02.2018
Von 
Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Für die Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft (HSDG), kurz Hamburg Süd, kam die Automation der gesamten IT einer Revolution gleich. Wie es dazu kam und was sich seither verändert hat, schildert HSD-Manager José Silva im Interview.

Die Hamburg Süd-Gruppe ist dabei, ihre IT-Services durchgängig zu automatisieren. Wie weit ist das Projekt aktuell schon gediehen?

José Silva: Die Services sind noch nicht durchgängig automatisiert. Wir stehen am Anfang einer noch langen Reise. Wir haben aus dem Projekt "Service-Katalog" heraus in den letzten zwei Jahren die Katalogstruktur für die HDSG, Hamburg Süd, entwickelt und die vorhandenen Daten zu Informationen verarbeitet, um Services zu definieren, die für die Struktur des Servicekatalogs wichtig waren. Des Weiteren haben wir kritische Erfolgsfaktoren identifiziert und anhand dieser das Projekt auf den Enduser-Nutzen hin ausgerichtet. Das hat uns ermöglicht, das Verständnis für Services in der IT - und insbesondere im Business - zu verankern. Wichtig war und ist neben der Transparenz auch der einfache Abruf eines definierten Service für den Service-Konsumenten. Wir haben bei den Definitionen immer die Kundensicht im Fokus.

Mit Hilfe des ITSM-Tools USU Valuemation ist es ist uns gelungen, die IT Services "greifbar" zu machen und sie über den IT Service Shop bereitzustellen. Hier findet der User Informationen, hat aber auch die Möglichkeit Services zu bestellen. Dies führt zu einer hohen Akzeptanz.
Momentan ist der Abruf noch teilautomatisiert. Die dahinterliegenden Prozesse werden nun sukzessive durchgängig automatisiert. Durch diese Vorgehensweise werden viele "schlafende Prozesse" erst sichtbar und das volle Potential der Automatisierung erkannt. Sogar die Zusammenarbeit mit externen Providern wird dadurch einfacher und schneller.

José Silva, Manager Service Portfolio & Catalogue Management, Hamburg Süd: "Die Tatsache, dass wir Service-Verantwortliche, sogenannte Service Owner, auch im Business haben, verändert aktuell die gesamte Organisation!"
José Silva, Manager Service Portfolio & Catalogue Management, Hamburg Süd: "Die Tatsache, dass wir Service-Verantwortliche, sogenannte Service Owner, auch im Business haben, verändert aktuell die gesamte Organisation!"
Foto: Hamburg Süd

Wer gab den Anstoß für dieses Automationsprojekt?

Silva: Zunächst ging die Initiative vom damaligen CIO aus. Aber auch weitere Faktoren spielten eine Rolle. Zum einen die persönliche Herausforderung, die im Oktober 2013 an mich herangetragen wurde: Es gab seit 2008 mehrere Versuche, einen Service-Katalog zu entwickeln, die aber nicht erfolgreich waren. Außerdem ist die Einbindung der Konsumentensicht meines Erachtens ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Der Konsument - wir alle sind Konsumenten von Dienstleistungen! - verlangt heute Transparenz, Klarheit und einen schnellen und unkomplizierten Abruf des Service. Warum also nicht die Erfahrungen aus dem Privatleben, beispielsweise eine Flug- oder Hotelbuchung, auf die IT und die eigenen Unternehmensbedürfnisse projizieren?

Zum Teil gab es auch in den Fachbereichen Erwartungen an die IT, die in diversen Gesprächen geäußert wurden. So erinnere ich mich an einen Termin mit Kollegen des Betriebsrates, in dem ein Kollege fragte: "Es wäre schön, wenn wir eine Übersicht darüber hätten, welche Softwareprodukte wir einsetzen und wofür wir sie einsetzen können. Es wäre auch schön, wenn ich sie so leicht wie bei Amazon bestellen könnte".
Für mich ist es wichtig, den Nutzen des Service-Katalogs insbesondere für das Business und den Service-Konsumenten, in den Vordergrund zu stellen.

Automate IT Konferenz, 01. März 2018, Hamburg

Automate IT Konferenz, 26. September 2018, München

Auf der Automate-IT-Konferenz präsentieren Unternehmen anhand bereits umgesetzter Projekte ihre Strategien zur ganzheitlichen IT-Automatisierung und teilen ihre Erfahrungen.
Auf der Automate-IT-Konferenz präsentieren Unternehmen anhand bereits umgesetzter Projekte ihre Strategien zur ganzheitlichen IT-Automatisierung und teilen ihre Erfahrungen.
Foto: Wright Studio - shutterstock.com

Wie reagierten die Fachbereiche auf die Einführung des Service-Katalogs?

Silva: Die Tatsache, dass wir den Shop in Valuemation aktiviert und genau diesen eben geschilderten Fall abgebildet haben, brachte uns unheimlich viel Zuspruch aus den Fachbereichen. Ich habe teils Gratulations-Mails von Kollegen aus dem Business erhalten. Aber auch von IT-Kollegen! Insbesondere unser Lizenzmanager ist jetzt in der Lage, über automatisierte Scans, die installierte Software gegen den Software-Warenkorb zu prüfen.

Zudem konnten wir durch die Abschaffung redundanter Softwareprodukte im Lizenzbereich sehr hohe Kosten einsparen. Infolgedessen nahm die Softwarepaketierung durch unseren Provider stark ab beziehungsweise orientiert sich heute nur am Softwarewarenkorb. Das bedeutet, dass die operativen Kosten sinken, weil nicht jedes einzelne Softwareprodukt paketiert werden muss.

In Abstimmung mit dem Service Owner - das bin zur Zeit noch ich -, der HR-Abteilung und dem Betriebsrat haben wir dafür eine strukturierte und effiziente Arbeitsweise entwickelt. In Summe ist durch diese Vorgehensweise die Kundenzufriedenheit enorm gestiegen.

Lag es von Anfang an auf der Hand, dass nur Automation als Problemlösung infrage kommt, oder hatten Sie zuvor noch andere Lösungen erwogen? Weshalb wurden diese anderen Ideen verworfen?

Silva: Die Idee war von Anfang an da. Jedoch die Umsetzung erforderte neben den technischen Herausforderungen - beispielsweise hinsichtlich der Plattformen bzw. der Infrastruktur, die teils nicht vorhanden waren - auch das organisatorische Verständnis und die organisatorische Fähigkeit, dies zu ermöglichen. Für ein sehr traditionelles Unternehmen wie die Hamburg Süd ist es eine Revolution solche Innovationen einzuführen.
Wichtig ist es darzustellen, dass durch die Verkürzung der Durchlaufzeiten, die durch die Automatisierung erreicht werden kann, die Abwicklung von Containern und somit die tägliche Arbeit der Fachbereichskollegen unterstützt wird.

Wie haben Sie das Automations-Projekt angepackt? Was waren die wesentlichen Schritte und nach welchen Kriterien wurden sie priorisiert?

Silva: Im Grunde relativ einfach. Wir haben durch Gespräche und viele Interviews und durch diverse Austauschforen wichtige Themen identifiziert, deren Einführung Hamburg Süd sinnvoll erschienen.

Könnten Sie ein konkretes Beispiel dafür schildern?

Silva: Die Hamburg Süd, insbesondere die IT, hatte keine Transparenz über den Einsatz der Softwarprodukte. Somit auch keine Kosten- bzw. Lizenztransparenz. Die Idee, einen Standardsoftware-Warenkorb ins Leben zu rufen und damit rund 70% der Service Requests abzudecken, diesen im Service-Katalog zu veröffentlichen und direkt, automatisiert, daraus bestellen zu können, war für Hamburg Süd eine große Innovation.

Die Beschaffung des passenden Tools, USU Valuemation, und die Implementierung des Service Shops war dann ein wichtiger Meilenstein. Dass dadurch Nebenprojekte unterstützt werden, ist ein weiterer positiver Aspekt. So wurde zum Beispiel durch die Einführung des Software-Warenkorbs eine längst überfällige Betriebsvereinbarung geschlossen! Ein großer Erfolg für die Zusammenarbeit von HR, BR und IT.
Damit war ein wichtiger Stakeholderkreis involviert, und die Vorstellung, dass der Abruf und die Abwicklung automatisiert abläuft, stieß auf großen Zuspruch und beflügelte das Projekt zusätzlich. Allerdings waren auch viele Augen darauf gerichtet und die Erwartungen groß.

Nach welchen Vorgaben haben Sie das Projekt umgesetzt?

Silva: Für die Umsetzung haben wir uns an folgende Vorgaben gehalten:

  • Definieren von Standards (Software/Hardware Warenkorb)

  • Umsetzen, was am dringendsten benötigt wird

  • Modell und Prozesse so einfach wie möglich halten

  • Konsequent die Kundensicht einnehmen

  • Services einfach und schnell nutzbar für den Service Konsumenten bereitstellen

  • Freie Mitarbeiterkapazitäten in anderen Teams suchen und einbinden

Was waren die größten Hürden?

Silva: Da gab es mehrere: Eine noch nicht abgeschlossene Betriebsvereinbarung. Die Schnittstelle zum Lizenzmanagement. Die Abstimmung mit dem Provider bzw. Service Desk, etc. und die technische Infrastruktur, die heute noch weiter angepasst werden muss. Beispielsweise mussten wir den SCCM Server neu aufbauen, damit die Installation vollautomatisch durchgeführt werden kann. Insbesondere der fehlende Zugriff auf Stammdaten der Organisationshierarchie verursacht auch heute noch Verzögerungen bei der Automatisierung, da wir die Teamzugehörigkeit und die Vorgesetzten-Informationen teils manuell pflegen müssen. Sie werden dringend für die Automatisierung der Genehmigungsprozesse benötigt.
Des Weiteren mussten neue Rollen eingeführt werden: Technischer Service Owner und Service Owner für das Business.

Wie haben Sie diese Herausforderungen gemeistert?

Silva: Viele Gespräche, Überzeugungskraft und die Darstellung der Vorteile für die Beteiligten und dabei immer den Konsumenten in den Vordergrund stellen. Selbstverständlich haben wir auch das Einsparpotential aufgezeigt und damit den Grundstein für weitere Services gelegt.

Was hat sich seitdem verändert - für die IT und die Fachabteilungen?

Silva: Wir haben die Betriebsvereinbarung nun abgeschlossen, was als Erfolg im Zusammenspiel von HR, BR und IT gesehen wird. Die Konsumenten haben durch die Transparenz und den anwenderfreundlichen Abruf ein positives Bild der IT gewonnen. Das Vertrauen in die IT ist gestiegen. Die Implementierung hat weitere Erwartungen geweckt, über USU Valuemation weitere Services im Service-Katalog darzustellen, abrufbar zu machen und auch aktuelle Informationen bereitzustellen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das gewachsene Verständnis für "Services". Es gelingt jetzt wesentlich einfacher ein gemeinsames Verständnis auf beiden Seiten zu erzeugen. Die Tatsache, dass wir mittlerweile Service-Verantwortliche, sogenannte Service Owner, auch im Business haben und das auch so als richtig angesehen wird, verändert aktuell die gesamte Organisation! Die Mitarbeiter, die für einen Service verantwortlich sind, sind motivierter als vorher.

Automation ist ein nie endender Prozess. Was planen Sie als nächstes?

Silva: Wir planen weitere Services in Zusammenarbeit mit den Service Ownern zu implementieren und natürlich bestehende Service auf Automatisierungspotential hin zu überprüfen und die entsprechenden Projekte, die erforderlich sind, zu beantragen.

Was würden Sie rückblickend eventuell anders machen?

Silva: Ich würde noch mehr Werbung machen, das Business stärker involvieren und ich würde versuchen, parallel ein Change Projekt, ausgehend von der Geschäftsführung, zu starten, in dem die Zusammenarbeit im Unternehmen auf die Digitalisierung hin abgestimmt wird.

Warum?

Silva: Wenn es der IT gemeinsam mit dem Business gelingt den Bedarf zu ermitteln, zu beschreiben und aufzuzeigen, dass IT "einfach" sein kann, dann sind solche Projekte ein Grundpfeiler für die Zusammenarbeit auf Augenhöhe und erlauben es nach und nach der IT als Enabler aufzutreten. Wichtig dabei ist immer, die Sprache des Business zu verstehen!
Wir sind der Meinung, dass kleine, multidisziplinäre Teams rund um die Services schneller auf Anforderungen reagieren können und diese Arbeitsweise zu mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitern führt.