Im Zeitalter des Fachkräftemangels suchen Unternehmen händeringend nach qualifizierten Softwareentwicklern. Wie Firmen diese Spezialisten am besten für sich gewinnen können und worauf sie bei der Suche achten sollten, erklärt Olivier Dobberkau, Geschäftsführer der Internet-Agentur dkd und Präsident der Typo3 Association.
Wie schätzen Sie den Arbeitsmarkt für Softwareentwickler ein?
Olivier Dobberkau: Für Entwickler sind es derzeit goldene Zeiten, weil an allen Ecken und Enden interessante Technologien und Projekte aus dem Boden sprießen. Unternehmen suchen deshalb im Bereich Softwareentwicklung nach qualifizierten Mitarbeitern, die diese Entwicklung mit Spaß und Engagement weiter vorantreiben. Heute sind aber keine reinen Individualisten mehr gefragt, sondern Teamplayer, die gemeinsam mit anderen in Projektteams arbeiten und diese weiter voranbringen.
Die Suche nach neuen Mitarbeitern ist kein leichtes Unterfangen, denn gute Leute sind rar. Daher gilt es, dieser Spezies - wenn sie einmal im Unternehmen ist - ein geeignetes Umfeld anzubieten. Neben viel Freiraum, um eigene Ideen und Wünsche zu entwickeln, gehören dazu auch eine moderne und adäquate Arbeitsumgebung sowie die richtigen Tools. Darüber hinaus spielt ein entsprechendes Arbeitsklima - mit wenigen Überstunden und Vorgesetzten, die beispielhaft führen - eine ganz entscheidende Rolle. Zudem wollen Entwickler von anderen guten Entwicklern umgeben sein, um gemeinsam zu lernen und Neues auszuprobieren.
Wie funktioniert denn die klassische Suche nach Entwicklern?
Olivier Dobberkau: Klassische Methoden, um Entwickler anzuwerben, sind mittlerweile out. Zwar versprechen Stellenanzeigen in Fachzeitschriften und Online-Portalen immer noch eine Menge, halten dies aber nicht. Social Media bietet zwar eine gute Möglichkeit, Geschäftskontakte herzustellen, Plattformen wie XING und LinkedIn haben aber bei Softwareentwicklern keinen so hohen Stellenwert. Auch Headhunter fallen bei der Suche nach Entwicklern unten durch. Es ist sogar von einer regelrechten ‚Headhunter-Allergie die Rede, so dass sich der Einsatz von Personalvermittlern nur in wenigen Fällen lohnt.
Stellt Open Source eine Art Kandidaten-Pool dar? Wie können Unternehmen Ihrer Meinung nach in einem Open-Source-Projekt auf sich aufmerksam machen?
Olivier Dobberkau: Open-Source-Projekte sind der ideale Ort, um einen Kontakt mit Entwicklern herzustellen. Und dies nicht erst seit Apple Open Source für sich entdeckt hat. Für Unternehmen bedeutet dies eine ganz neue Möglichkeit der Wertschöpfung. Darüber hinaus öffnet die aktive Teilnahme an solchen Projekten im Bereich der Mitarbeitergewinnung neue Dimensionen. Denn dort begegnen sich Menschen abseits von Lebensläufen, Bewerbungsgesprächen und Gehaltsverhandlungen. Das Vertrauen, das durch die gemeinsame Arbeit in einem Open-Source-Projekt entsteht, ist in der Regel eine gute Basis für eine künftige Zusammenarbeit. Weiterhin stellt das Sponsoring von Open-Source-Community-Veranstaltungen eine gute Gelegenheit dar, um sich als Unternehmen zu präsentieren. Dabei sollten die Firmenrepräsentanten aktiv auftreten und ihre Ziele klar formulieren. Denn nur wenn sie mit der richtigen Message auftreten, sind sie für Entwickler auch interessant.
- Tipps für die Entwicklersuche
Oliver Dobberkau, Geschäftsführer der Internet-Agentur dkd und Präsident der Typo3 Association, rät, bei der Suche nach Softwareentwicklern folgende Punkte zu beachten. - Partnerschaftliches Auftreten
Präsentieren Sie sich als Partner und verhalten Sie sich so. - Eignung der Bewerbers
Erklären Sie dem Bewerber, weshalb Sie ihn für geeignet halten. - Perspektiven aufzeigen
Erläutern Sie das Arbeitsumfeld und zeigen Sie dem Kandidaten seine Perspektiven auf. Am besten konkret und mit Bezug auf die Wünsche des potenziellen Mitarbeiters. - Realistische Darstellung
Bleiben Sie realistisch. Vergleichen Sie sich nicht gleich mit Google, auch wenn Sie ein großer Player in Ihrem Bereich sind. - Feedback geben
Vereinbaren Sie mit dem Entwickler eine bestimmte Zeit, in der er an seinen Projekten arbeiten kann. Lassen Sie sich regelmäßig informieren, wie Sie ihn dabei unterstützen können. - Neugier wecken
Wecken Sie die Neugier und den Forscherdrang bei Ihren Wunschkandidaten. Präsentieren Sie ein aktuelles Projektproblem und bitten Sie um einen kurzen Gedanken zu einer eventuellen Lösung. - Code-Assessment-Tests vermeiden
Vermeiden Sie Code-Assessment-Tests bei erfahrenen Entwicklern. Diese helfen nur bei Absolventen ohne Erfahrung, wenn überhaupt. - Fehler und Bugs benennen
Schildern Sie dem Kandidaten, wie Ihr Unternehmen aus Fehlern lernt, und bitten Sie ihn um die Nennung seines größten Bugs, der erst in der Produktion aufgefallen ist.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, neue Softwareentwickler zu finden?
Olivier Dobberkau: Wer Entwickler sucht, sollte sich dort umsehen, wo sie zu finden sind, nämlich im Code. Code Hosting und Collaboration-Plattformen wie Github und Bitbucket sind Orte, an denen Entwickler tagtäglich anzutreffen sind. Mit Informationen und Übersichten zu Aktivitäten in einem Software-Repository kann man sich schnell einen guten Eindruck von den beteiligten Entwicklern machen und weitere Kontaktschritte angehen. Viele verstehen ihre Profilseite als ersten Hinweis, ob sie zur Verfügung stehen und unter welchen Bedingungen sie Ansprache erwarten. So tragen sie in der Regel ein, ob sie als Freelancer tätig sind oder beispielsweise einen neuen Job suchen.
Ist das der Königsweg, um erfolgreich bei der Suche zu sein?
Olivier Dobberkau: Den Königsweg gibt es sicher nicht. Aber Unternehmen, die sich über ihre eigenen Entwickler bei Open-Source-Projekten engagieren, werden von anderen Entwicklern wahrgenommen - und das in der Regel sehr positiv. Einige unserer Mitarbeiter haben uns explizit wegen unserer Open-Source-Kultur ausgesucht. Generell lässt sich sagen, dass sich Entwickler in Open-Source-Projekten engagieren, wenn sie Potenzial sehen und ihre eigenen Vorstellungen einbringen können - und das, ohne dafür bezahlt zu werden.