Digitalisierung der Supply Chain

Großes Potenzial ist noch ungenutzt

08.11.2018
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Werner Rieche verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT-Branche. Nach seinem erfolgreichen Studium der Elektrotechnik/Nachrichtentechnik an der FH Niederrhein war er in mehreren leitenden Positionen in ICT-Unternehmen tätig. Seit Juli 2015 ist er Geschäftsführer der SAG Deutschland GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Software AG. Er ist für die gesamten Vertriebs- und Marketingaktivitäten des Konzerns in Deutschland und Österreich zuständig und verantwortet seit Januar 2018 als Regional President DACH die gesamte DACH-Region.
Die Logistik-Branche gilt als Vorreiter der Digitalisierung. Trotzdem haben nur wenige Unternehmen bisher eine digitalisierte Supply Chain umgesetzt. Dabei verbirgt sich gerade hier enormes Optimierungs-Potenzial. Woran hakt es?

Erst zwei von zehn deutschen Unternehmen haben mit der Digitalisierung ihrer Lieferkette begonnen. Das ergab eine aktuelle Studie des Logistik-Experten Hermes, für die 200 Logistik-Entscheider in deutschen Unternehmen befragt wurden. Lediglich acht Prozent der Teilnehmer haben einen Transformationsprozess erfolgreich aufgesetzt und nur 27 Prozent verfügen diesbezüglich über eine Strategie.

In etlichen Lieferketten gibt es noch viel Potenzial zur Optimierung.
In etlichen Lieferketten gibt es noch viel Potenzial zur Optimierung.
Foto: Aun Photographer - shutterstock.com

Was ist der Grund dafür? Die Umfrage zeigt, dass die meisten Unternehmen den wirtschaftlichen Nutzen von Cloud-Diensten und IoT-Anwendungen für die Supply Chain noch nicht erkannt haben. Während diese Technologien in anderen Bereichen zu den Top-Themen zählen, erachten mehr als die Hälfte der befragten Logistikentscheider Cloud-Dienste als unwichtig. 43 Prozent gaben an, dass sie IoT als nicht relevant für ihr Business finden. Was sie dabei verkennen: Gerade in diesen Technologien steckt enormes Potenzial, um aktuelle Probleme zu verbessern. Denn sie ermöglichen es, die Lieferkette über alle Beteiligten hinweg Ende-zu-Ende transparent zu machen.

Ein Blick auf das Gesamtbild fehlt

An der Supply Chain sind eine Vielzahl von verschiedenen Firmen beteiligt, zum Beispiel Transporteure, Lagerfirmen, Shipping-Unternehmen, Zwischenhändler und Großhändler. Sie alle haben unterschiedliche, oft proprietäre IT-Systeme, die nicht miteinander vernetzt sind und nicht zusammenspielen. Dadurch fehlt eine einheitliche Sicht auf den Gesamtprozess. Da die Kommunikation per E-Mail oder Telefon stattfindet, hat jeder Beteiligte stets nur einen Teilausschnitt des Bildes im Blick. Die verschiedenen Akteure stehen auf unterschiedlichen Wissensständen. Zudem werden Frachtdokumente häufig noch von Hand auf Papier ausgefüllt und später in elektronische Systeme übertragen. Durch diese Medienbrüche schleichen sich schnell Fehler ein. Zollinformationen sind oft nicht automatisch verfügbar und müssen aufwändig von Hand herausgesucht werden.

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Nehmen wir an, ein Unternehmen bezieht ein bestimmtes Bauteil für seine Produktion aus China. Nach aktuellem Stand erfährt es zwar, wann das Produkt in China abgeschickt wurde und wann es am Hafen in Rotterdam erwartet wird. Was unterwegs passiert, bekommt der Empfänger jedoch nicht mit. Vielleicht hat das Schiff wegen stürmischen Wetters eine Woche Verspätung, ein Container wurde gestohlen oder die Ware war zu großer Hitze ausgesetzt und wurde dadurch beschädigt. All das erfährt das Unternehmen erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Die Produktion, die auf das Bauteil wartet, verzögert sich. Das Unternehmen kann jetzt eine neue Bestellung aufgeben – und wieder mehrere Wochen warten. Dadurch geht viel Zeit verloren und es entstehen hohe Kosten, die sich vermeiden ließen.

Kosten sparen durch mehr Transparenz und schnelle Reaktionszeiten

In einer digitalisierten Supply Chain, die IoT und Cloud Services einsetzt, würde die Sache ganz anders aussehen. Unternehmen könnten auf Risiken und Ereignisse, die in der Lieferkette passieren, bereits vorab oder spätestens dann reagieren, wenn sie passiert sind. Wenn die IT-Systeme aller Beteiligten miteinander vernetzt sind und die Kommunikation über eine zentrale Plattform stattfindet, weiß der Empfänger jederzeit, in welchem Status sich seine Lieferung befindet und wann er mit dem bestellten Bauteil rechnen kann. Er kann über eine Asset-Tracking-Anwendung den Weg des Schiffs verfolgen und erfährt umgehend, wenn es zu Verspätungen kommt, sodass er seine Produktion darauf einstellen kann.

Sensoren in Containern schlagen zum Beispiel Alarm, wenn die Temperatur einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Dadurch weiß der Empfänger, dass das Bauteil zu heiß wurde und voraussichtlich beschädigt ist. Frachtpapiere werden digital ausgefüllt und ohne Medienbrüche direkt ins System eingespeist, Zollgebühren automatisch ausgerechnet. Trifft das Produkt am Zielort ein, erhält der Absender automatisch eine digitale Empfangsbestätigung, die direkt ins ERP einfließt und auf deren Basis die Rechnung erstellt werden kann. Dadurch lässt sich auch der Rechnungslauf optimieren.

Über den Tellerrand hinausblicken

Um Ende-zu-Ende-Transparenz über die gesamte Lieferkette zu schaffen, stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Sie müssen nicht nur ihre eigenen Prozesse digitalisieren, sondern über den Tellerrand hinausblicken. Ziel sollte sein, dass alle an der Lieferkette Beteiligten die Digitalisierung vorantreiben und ihre Systeme miteinander vernetzen. Das kann über eine gemeinsame Cloud-Plattform passieren oder aber über gemeinsame Schnittstellen und Protokolle. Dafür ist viel Kooperationsarbeit gefragt. Aber jeder Schritt nach vorne lohnt sich – denn am Ende profitieren alle Beteiligten davon.