Das Industrial Metaverse bildet die reale Arbeits- und Wirtschaftswelt digital ab und schafft Möglichkeiten, Abläufe und Veränderungen zu simulieren beziehungsweise auszuprobieren. In der gelebten Praxis stehen heute meistens Virtual und Augmented Reality (VR/AR) im Mittelpunkt, hinzu kommt Mixed Reality als Mischform. Im Rahmen von Industrie 4.0 können Unternehmen mit diesen Technologien Produktionsanlagen, den Shop-Floor und die Logistik optimieren. Beispiele dafür gibt es eine ganze Reihe.
In vielen Industriebetrieben haben sich die Mitarbeitende und Führungskräfte schon mit der AR-/VR-Welt beschäftigt. Ein Viertel erkennt laut einer aktuellen Erhebung im Auftrag von TeamViewer die Bedeutung. Befragt wurden 2.500 zufällig ausgewählte Personen, die den Begriff Metaverse schon einmal gehört hatten. Jeder fünfte sieht das Potenzial des Industrial Metaverse sogar als ähnlich disruptiv an wie einst die Einführung des Fließbands oder später der Robotik.
Die Mehrheit der befragten Personen hat allerdings noch keine Vorstellung vom Industrial Metaverse. Fast 70 Prozent sind darüber nicht informiert. Dabei nutzen große Unternehmen wie Siemens, Boeing, Airbus, Deutsche Bahn oder Coca-Cola immersive Technologien bereits in ihrer Produktion, in der Logistik und auch in den Schulungszentren.
Smart Glasses sind ein Muss
Voraussetzung für den Einstieg ins Industrial Metaverse sind eine Datenbrille (Smart Glasses) und spezielle Software, mit der sich diese an die IT-Infrastruktur des Unternehmens anbinden lässt. Die Use Cases sind vielfältig. Servicetechniker, die eine Maschine warten wollen, können sich beispielsweise in ihrem realen Arbeitsumfeld virtuelle Objekte einblenden lassen. Dabei kann es sich etwa um Anleitungen, grafische Abbildungen oder sonstige Hinweise handeln, die über die Brille angezeigt werden.
Das macht die Wartung von Maschinen einfach und effektiv, manche Tätigkeiten können damit auch von Mitarbeitern ohne technisches Spezialwissen übernommen werden. Zudem lassen sich Arbeiten an einer Maschine oder Anlage aufzeichnen und abspielen, wenn sie etwa zu Schulungszwecken, für Dokumentationen oder zu Abrechnungszwecken konserviert werden sollen.
Die Spezialistin wird zugeschaltet
Besonders interessant ist auch die Möglichkeit, dass sich eine Spezialistin oder ein Spezialist von außen in eine virtuelle Ansicht zuschalten kann. So werden Technikereinsätze viel effektiver. Probleme lassen sich lösen, ohne dass Spezialisten extra anreisen müssen. Ein Techniker mit Smart Glasses vor Ort reicht aus, damit mehrere Spezialisten im Hintergrund an einem Problem arbeiten oder bei der Wartung helfen.
"Während das konsumentenorientierte Metaverse Menschen in die virtuelle Welt hineinzieht, bleiben sie im Industrial Metaverse in der realen Welt", differenziert Hendrik Witt, Chief Product Officer bei TeamViewer. "Jedoch werden Informationen digitalisiert und die Realität erweitert. So bekommen zum Beispiel Fabrik- oder Lagerarbeiter über Smart Glasses und entsprechende Software virtuelle Objekte, Daten oder Anweisungen eingeblendet. Das hilft ihnen, Arbeitsprozesse einfacher und schneller zu erledigen."
So optimiert Coca-Cola seine Logistik
Coca-Cola gehört zu den Konzernen, die sich mit den Möglichkeiten des Industrial Metaverse beschäftigt haben. Das Unternehmen hat seine Lagerarbeiter mit Datenbrillen ausgestattet, so dass diese nun mit beiden Händen zupacken können und kein Tablet mehr mit sich herumtragen müssen.
Die Smart Glasses blenden alle notwendigen Informationen zum Einsammeln von Waren in die Ansicht des Mitarbeiters ein. Die Software, die mit Sprachsteuerung arbeitet, hilft auch beim Auffinden der richtigen Ware und vermeidet Fehler durch das automatisierte Scannen von QR-Codes an den Lagerplätzen.
Die Deutsche Bahn nutzt immersive Techniken in Schulungszentren
Das Industrial Metaverse kann aber noch mehr, wie das Beispiel der Deutschen Bahn zeigt. Dort kommen Smart Glasses und intelligente Software in den Schulungszentren zum Einsatz. Beispielsweise können sich Teilnehmer Stellwerke oder Weichen virtuell anzeigen lassen. Sie lernen diese zu steuern, zu bedienen und zu reparieren. Das geht einfacher und schneller als am Bildschirm und verbindet virtuelle Technologien mit der realen Welt.
Mit einer solchen Technik können Unternehmen wie die Deutsche Bahn viele Schulungsteilnehmer mit sehr wenigen Lehrkräften unterrichten. Know-how wird schnell und einfach transferiert, und das auf eine Art und Weise, die skaliert. Coca-Cola und die Deutsche Bahn arbeiten dazu mit Mixed-Reality-Technologien, die Projektionen von echten Gegenständen in Verbindung mit virtueller Technologie verwenden.
Risiken des Industrial Metaverse
Das Industrial Metaverse ist bereits in vielen Unternehmen angekommen. Manches befindet sich aber noch im Anfangsstadium, Kinderkrankheiten und ständig neue Funktionen bremsen das Tempo. Dennoch bringt das Industrial Metaverse bereits einen hohen Nutzen. Die eingeblendeten Objekte und Informationen sind am Rande des Sichtfelds zu sehen, sie stören die Benutzer meist nicht allzu sehr. Trotzdem ist noch nicht abschließend geklärt, wie sich das dauerhafte Verwenden von Datenbrillen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirkt.
Aktuell scheinen aber die Chancen zu überwiegen. Spezialisten müssen nicht mehr so viel reisen, weil sie remote ihren mit AR-Brillen ausgestatteten Kolleginnen und Kollegen zur Hilfe eilen und bei Reparaturen und Wartungsaufgaben helfen können. Schulungen lassen sich interessanter und effektiver gestalten. Im Lager werden Menschen entlastet, indem sie mit beiden Händen zupacken können. (hv)