In diesem Jahr

Google rückt ChromeOS näher ans Enterprise

21.03.2023
Von 
JR Raphael ist freier Mitarbeiter bei der Computerworld.
Google gibt einen Einblick in die nächsten Schritte für seine ChromeOS-Plattform und zeigt, wie sich Chromebooks für den Einsatz in Unternehmen rüsten.
ChromeOS hat sich seit der Vorstellung 2010 deutlich weiterentwickelt.
ChromeOS hat sich seit der Vorstellung 2010 deutlich weiterentwickelt.
Foto: GYAN PRATIM RAICHOUDHURY - shutterstock.com

Als ChromeOS 2010 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war die Software primär als Versuch gedacht: Die gesamte Plattform war im Grunde nur ein Browser in einer Box - ohne nennenswerte Anwendungen und ohne viel Drumherum.

Seitdem hat ChromeOS einen weiten Weg zurückgelegt, und sein Hauptzweck hat sich erheblich weiterentwickelt. Dennoch herrscht bei den meisten (PC-)Nutzern noch immer die Meinung vor, dass man damit nicht wirklich arbeiten kann. Das ist allerdings nicht so und wenn es nach Google geht, könnte 2023 endlich das Jahr sein, in dem nach dem Bildungsbereich auch Unternehmen das Potenzial der Plattform erkennen.

Es will doch nur spielen: In seiner ursprünglichen Form war ChromeOS im Grunde nur ein Browser - wie auf dem allerersten kommerziell erhältlichen Chromebook von Samsung zu sehen.
Es will doch nur spielen: In seiner ursprünglichen Form war ChromeOS im Grunde nur ein Browser - wie auf dem allerersten kommerziell erhältlichen Chromebook von Samsung zu sehen.
Foto: Samsung

ChromeOS: Von der Bildung bis zum Unternehmen

"Ich glaube, wir haben in einigen Bereichen wirklich Fuß gefasst", betont Thomas Riedl, Google's Director of Product for Enterprise and Education. "Aus dem Bildungsbereich haben wir gelernt, dass wir wirklich gut darin sind, eine große Anzahl von Geräten zu verwalten, und dass das im Grunde genommen völlig sorgenfrei ist. ... Aber dann haben wir erkannt, dass die Plattform so viel mehr sein kann."

Riedl zufolge trat der "Aha"-Moment für das Unternehmenspotenzial von ChromeOS ein, als Google selbst begann, Chromebooks an seine eigenen Mitarbeiter als Standardgerät im Unternehmen auszugeben. "Wir haben unser Angebot für Unternehmen zunächst mit uns selbst entwickelt und erkannt, wo es wirklich gut passt [und] wo wir vielleicht noch etwas mehr tun müssen", erklärt er.

Dabei akzeptierte Google die Tatsache, dass der De-facto-Standard von Windows am Arbeitsplatz in Ordnung war - "Niemand wird gefeuert, weil er Windows kauft", wie Riedl es ausdrückt - und machte sich daran, herauszufinden, wo ChromeOS messbar besser sein könnte als das, was bereits auf dem Markt war. Das führte dazu, dass sich das Unternehmen auf einige spezifische Bereiche konzentrierte, in denen es die Bedürfnisse von Fachleuten nicht erfüllt sah.

Fokus auf spezielle Bereiche

Zu diesen Nischen gehören der Bereich der Kundendienstmitarbeiter in Call-Centern sowie einige spezielle Märkte wie die Fertigung und das Gesundheitswesen. In diesem Zusammenhang hat Google gerade eine weitreichende neue Partnerschaft ins Leben gerufen, die Kliniken in den USA Chromebooks zur Verfügung stellen wird, um ihnen eine einfachere und sicherere Einrichtung ohne die üblichen Computerprobleme zu ermöglichen.

"Oftmals sind die [bestehenden] Lösungen nur ein Flickwerk", sagt Riedl. "Sie nehmen, was da ist, aber es gibt nichts, was wirklich durchgängig optimiert ist.

Untersuchungen haben ergeben, dass der Einsatz von Chromebooks in der richtigen Situation tatsächlich einen Unterschied machen kann - wenn sich ein Unternehmen tatsächlich engagiert. Ein von Google in Auftrag gegebener IDC-Bericht vom Januar 2023 ergab, dass Unternehmen, die Chromebooks einsetzen, eine höhere Produktivität und eine deutlich höhere Effizienz der Sicherheitsteams aufweisen und 24 Prozent weniger Angriffe zu verzeichnen haben als Unternehmen, die herkömmliche Computer verwenden. Im Laufe von drei Jahren können Unternehmen, die Chromebooks einsetzen, laut IDC aufgrund dieser Vorteile fast 4.000 Dollar pro Gerät einsparen.

Motiviert von diesen Ergebnissen arbeitet Google daran, ChromeOS stärker an Orten einzusetzen, an denen die Menschen gar nicht bemerken, dass es läuft - etwa für Werbeschilder und andere Displays. Und Google sieht diese Art von "unbeaufsichtigten Anwendungsfällen" als eine große Wachstumsquelle für das kommende Jahr.

"Sie sind am schwierigsten, weil oft nicht immer derselbe Nutzer vor ihnen steht", erklärt Riedl. "Und wir können dieses Bedürfnis sehr gut bedienen."

Aber Googles Ambitionen für ChromeOS in der Geschäftswelt gehen noch weiter - ebenso wie seine Pläne, die Plattform im Jahr 2023 und darüber hinaus voranzutreiben.

Die nächsten Schritte von ChromeOS

Was die eigentliche Benutzeroberfläche angeht, so hat ChromeOS seit Jahren eine kleine Reise hinter sich. Es ist etwas, das ich als die "Androidifizierung" von ChromeOS bezeichne - die langsame, aber stetige Angleichung der beiden primären Plattformen von Google und vor allem der Zustrom von Android-ähnlichen Oberflächen- und Funktionselementen in Chromebooks.

Dieser Prozess scheint eine nie endende Mission zu sein, und selbst nach Jahren der Entwicklung tauchen immer noch neue, an Android erinnernde Elemente in ChromeOS auf.

ChromeOS verfügt über zahlreiche Elemente, die eindeutig an Android erinnern, darunter die Schnelleinstellungen in der unteren rechten Ecke des Bildschirms.
ChromeOS verfügt über zahlreiche Elemente, die eindeutig an Android erinnern, darunter die Schnelleinstellungen in der unteren rechten Ecke des Bildschirms.

Die bedeutendsten Fortschritte für Unternehmen sieht Google in diesem Jahr jedoch im Bereich der Integration von Anwendungen und Zubehör von Drittanbietern. Nehmen wir an, ein Callcenter, das Chromebooks einsetzt, möchte arbeitsspezifische Websites in die Lage versetzen, neue virtuelle ChromeOS-Desks zu erstellen und Browserfenster automatisch für seine Mitarbeiter zu öffnen und zu schließen. Riedl und sein Team konzentrieren sich darauf, dass dies nicht nur möglich, sondern auch einfach zu bewerkstelligen ist. "Man muss keine zusätzlichen Apps oder Agenten auf dem Gerät ausführen, um alle Signale zu erhalten, die man braucht, und eine optimierte Lösung zu haben", sagt er.

Ein weiterer unternehmensorientierter Bereich, der in Arbeit ist, ist die erweiterte Unterstützung für Windows-Anwendungen innerhalb der ChromeOS-Umgebung. Zuvor hatte Google an einer Partnerschaft gearbeitet, die es ermöglichte, eine ganze Instanz von Windows direkt auf einem Chromebook auszuführen. Nun stellt die Company fest, dass immer mehr Unternehmen einen einfacheren Ansatz bevorzugen - nämlich, dass Anwendungen vom Look & Feel her lokal wirken, tatsächlich aber sicher von einem Remote-Server gestreamt werden.

Googles alter Ansatz: lokal gespeicherte Windows-Anwendungen
Googles alter Ansatz: lokal gespeicherte Windows-Anwendungen

Google bezeichnet diese Situationen als "Legacy-Bedürfnisse" und arbeitet mit einem Unternehmen namens Cameyo zusammen, um sicherzustellen, dass Unternehmen den Zugriff auf bestimmte Windows-Anwendungen beibehalten können, die von keiner der ChromeOS-nativen Optionen repliziert werden können.

"Das ist die schöne neue Welt, auf die wir zusteuern", erklärt Riedl. "Da die Kosten für Bandbreite und Server sinken, müssen Sie nicht mehr alles lokal betreiben. Sie können Ihren Bedarf tatsächlich aus der Cloud decken, mit hoher Verfügbarkeit und geringer Latenz."

In einem solchen Szenario erscheint eine Windows-Anwendung auf einem Chromebook tatsächlich als progressive Webanwendung. Für den Endbenutzer spielen die technischen Details jedoch keine Rolle. Er klickt einfach auf ein Symbol und die App wird ausgeführt - als wäre sie direkt auf dem Gerät.

Google macht alte PCs und Macs zu Chromebooks

Apropos Windows: Ein weiterer Bereich, in dem Google im Jahr 2023 reichlich Raum für Wachstum in Unternehmen sieht, ist das ChromeOS Flex-Setup. Dabei handelt es sich um ein Angebot, mit dem jeder ein altes Windows- oder Mac-System in einen voll funktionsfähigen, regelmäßig aktualisierten ChromeOS-Computer umwandeln kann - mit nur wenigen Unterschieden zu einem normalen Chromebook-Setup.

"Die Hardware ist in Ordnung", erklärt Riedl die Attraktivität des Programms für Unternehmen mit alten PCs. "Die Software ist das Problem. Also geben wir ihnen eine bessere Software." Dem Google-Manager zufolge soll die Zertifizierung alter Computermodelle in den kommenden Monaten weiter forciert werden, während der Fokus weiterhin auf einem webzentrierten Erlebnis für Flex-konvertierte Systeme liegt.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich ein konvertierter Computer, auf dem ChromeOS Flex läuft, nicht wesentlich von einem normalen Chromebook.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich ein konvertierter Computer, auf dem ChromeOS Flex läuft, nicht wesentlich von einem normalen Chromebook.

Im Gegensatz zur Standard-ChromeOS-Plattform unterstützt ChromeOS Flex jedoch keine Android-Apps oder den Google Assistant. Riedl zufolge ist die Nachfrage nach solchen Features im Enterprise- und Bildungsbereich jedoch deutlich geringer, so dass hier die Priorität nicht sehr hoch sei.

"Das Hauptthema für uns in diesem Jahr ist die Steigerung der Produktivität unserer Kunden, vor allem in Unternehmen", sagt er. "Wir wollen nicht einfach nur aufholen oder Funktionen kopieren. Wir wollen Funktionen hinzufügen, die das Nutzererlebnis deutlich verbessern."

Vor allem an der Unternehmensfront hat Google alle Hände voll zu tun. IDC schätzt, dass etwas mehr als acht Prozent der Chromebook-Verkäufe im Jahr 2022 für kommerzielle Zwecke bestimmt sind - im Vergleich zu 72 Prozent für den Bildungsbereich und den verbleibenden 20 Prozent für den privaten Gebrauch - weltweit wohlgemerkt. IDC geht davon aus, dass der geschäftliche Teil dieses Puzzles weiter wachsen wird, allerdings nur langsam. 2023 werden voraussichtlich 9,5 Prozent der Chromebook-Lieferungen auf Unternehmen entfallen.

Tatsächlich scheint Google aber mit seinen Bemühungen, solche "Legacy"-Programme auf Chromebooks leichter nutzbar zu machen und ältere PCs zu Chrome-basierten Computern umzufunktionieren, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Laut Jitesh Ubrani, Research Manager bei IDC mit Fokus auf mobile Endgeräte, ist der begrenzte Erfolg von ChromeOS an traditionellen Arbeitsplätzen bisher vor allem auf die Bedenken der Unternehmen hinsichtlich der App-Kompatibilität zurückzuführen. "Die meisten Unternehmen sind auf bestimmte Anwendungen [und] Dienste angewiesen, die für Googles Betriebssystem nicht zur Verfügung stehen", so Ubrani. (mb)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.