Neues Leben für alte Hardware

Google macht alte PCs und Macs zu Chromebooks

16.02.2022
Von 
JR Raphael ist freier Mitarbeiter bei der Computerworld.
Mit "Chrome OS Flex" bietet Google Privat- und Unternehmensanwendern an, veralteten PCs und Macs neues Leben einzuhauchen. Sie werden zu Chromebooks mit regelmäßigen Updates.
Mit Chrome OS Flex lassen sich ausgemusterte Geräte in updatefähige Chromebooks verwandeln.
Mit Chrome OS Flex lassen sich ausgemusterte Geräte in updatefähige Chromebooks verwandeln.
Foto: dasytnik - shutterstock.com

Googles Chrome OS-Plattform hat in wenigen Jahren einen weiten Weg zurückgelegt. Als das System 2010 auf den Markt kam, war Chrome OS ein äußerst simples, Browser-ähnliches Betriebssystem, das in erster Linie als Eingangstor zu Web-basierten Angeboten diente. Die Software bot keinen Desktop, keine Taskleiste und nur wenige Einstellungsmöglichkeiten. Eigentlich handelte es sich um ein Browserfenster - mehr nicht.

Google lässt mit Chrome OS Flex die Muskeln spielen

Über die Jahre hat sich das fundamental geändert: Chrome OS ist heute eine voll ausgestattete, ausgefeilte Computerlösung. Durch die jahrelangen kontinuierlichen Erweiterungen der Plattform und die großen Erfolge insbesondere in US-amerikanischen Schulen und Institutionen sind Chromebooks heute eine ernstzunehmende Option für den geschäftlichen, privaten und eben auch bildungsbezogenen Einsatz. Dennoch steht Google immer noch vor riesigen Herausforderungen: Im geschäftlichen Bereich muss der Internetkonzern Unternehmen davon überzeugen, ihre jahrzehntelang gepflegten Windows-Gewohnheiten aufzugeben und sich tatsächlich mit Chrome OS zu beschäftigen. Dabei spielen die Altlasten, die viele Unternehmen mit sich herumschleppen, eine besondere Rolle.

Chrome OS kann heute etwa 95 Prozent der Anforderungen eines typischen Unternehmens erfüllen, doch viele Unternehmen sind immer noch auf ältere Programme angewiesen, die nur in einer Windows-Umgebung laufen. Allerdings hat Google schon vor etwas mehr als einem Jahr einen Weg gefunden, Unternehmen die Möglichkeit zu bieten, Windows-Anwendungen in Chrome OS auszuführen - und das ohne größeren Aufwand. Dennoch ahnen viele IT-Verantwortliche, dass der Sprung auf eine ganz andere Plattform eine kostspielige Angelegenheit sein könnte, vor allem wenn sie noch viele alte Windows-Anwendungen laufen haben. Deshalb hat Google nun mit "Chrome OS Flex" ein neues Projekt gestartet. Mit dem Programm können Anwender alte Windows- oder Mac-Systeme in voll funktionsfähige Chrome-OS-Geräte verwandeln - mit den typischen Vorteilen einer vierwöchentlichen Aktualisierung, so wie von einem normalen Chromebook her bekannt.

Google bietet die Software kostenlos und für jeden Kunden an. Im Wesentlichen handelt es sich bei Chrome OS Flex um eine Weiterentwicklung einer Drittanbieter-Software namens CloudReady. Dieses Unternehmen hatte Googles quelloffenen Chromium-Code genutzt, um eine Chrome-OS-ähnliche Umgebung zu schaffen, die auf jedem alten Computer genutzt werden konnte und nach der Installation von CloudReady ständig aktualisiert wurde. Da CloudReady unabhängig von Google arbeitete, gab es Einschränkungen. Zum Beispiel ließen sich keine Videos von Netflix oder bestimmten anderen Streaming-Diensten abspielen, zumindest nicht ohne aufwändige Workarounds. Google-Dienste wie Drive und Maps funktionierten in der CloudReady-Umgebung nicht immer reibungslos. Und das effektive Powerwash-System zum Zurücksetzen eines Chrome OS-Geräts war in CloudReady nicht verfügbar. Auch typische Funktionen wie der Google Assistant, der ein Kernbestandteil des Chromebook-Pakets ist, fehlten auf via CloudReady konvertierten Computern völlig.

Im Dezember 2020 kaufte Google dann das Unternehmen, das hinter CloudReady steckt. Chrome OS Flex ist das Ergebnis dieser Übernahme. Das CloudReady-Konzept wurde übernommen, nur dass es jetzt eine native Integration mit dem Rest des Google-Ökosystems gibt. Heute kann jeder die neue Software herunterladen und über einen USB-Stick in wenigen Minuten auf alte Windows- oder Mac-Systeme portieren. "Sie können jetzt Ihre PCs und Macs mit unserem schnellen und sicheren Betriebssystem aufzufrischen", sagt Thomas Riedl, Googles Direktor für Unternehmens- und Bildungsprodukte. Mit Chrome OS Flex erhielten Kunden viele Vorteile eines Chromebooks, ohne die damit verbundenen Kosten oder Verpflichtungen.

Chrome OS Flex im Vergleich zum Chromebook-Erlebnis

Chrome OS Flex unterscheidet sich auf der Benutzeroberfläche kaum von einem Standard-Chrome-OS-Setup, auf den ersten Blick ist nahezu kein Unterschied spürbar. Beide Systeme werden im gleichen Rhythmus aktualisiert, und alle Geräte, auf denen Chrome OS Flex läuft, können zusammen mit regulären Chromebooks über das Admin-Tool Google Workspace verwaltet werden. Google spekuliert darauf, mit dieser Volte mehr Kunden - auch aus den Unternehmen - in die eigene Betriebssystemwelt und das Google-Ökosystem zu locken. "Unternehmen können damit auch große Windows-Flotten in die Chrome-OS-Familie überführen und müssen nicht mal neue Hardware dafür kaufen", wirbt Riedl. Obwohl die Software kostenlos ist, dürfte sich das Geschäft für Google lohnen: Unternehmen und Schulen dürften eher mehr als weniger in Google Workspace und künftige Chromebook-Generationen investieren.

Trotz der Ähnlichkeiten fehlen einem konvertierten Chrome-OS-Flex-Computer doch einige Vorteile, die ein vollwertiges Chrome-OS-System mitbringt. So ist es für ein konvertiertes Gerät nicht möglich, das gleiche End-to-End-Sicherheitsmodell wie bei einem echten Chromebook zu nutzen, weil dort der Prozessor und die überprüfte Hardware Teil eines übergreifenden Pakets sind. Darüber hinaus können Chrome-OS-Flex-Computer derzeit nicht auf den Google Play Store zugreifen und so die Android-Apps auf Chrome OS nutzen. Das ist etwas, das sich laut Google mit der Zeit ändern könnte, aber in dieser frühen Version des Projekts - das sich technisch noch in einem Early-Access-Status befindet - ist es nicht möglich. Die Kompatibilität mit Windows-Anwendungen wird in der Flex-Umgebung von Chrome OS ebenfalls nicht möglich sein, was aber wohl eher positiv ist: Wenn Windows-Computer in Chrome OS umgewandelt werden und dann Windows ausführen sollen, dürfte heilloses Chaos entstehen.

Offiziell wird es für Chrome OS Flex eine "Liste zertifizierter Geräte" geben, in der angegeben ist, wie lange die volle Unterstützung garantiert sein wird. Anwender können die Software aber auf jedem beliebigen Computer installieren, auch wenn er nicht auf dieser Liste steht. Sie werden weiterhin Updates erhalten, ohne dass es zu einem echten Abbruch kommt. Google will nur keine vollständige Kompatibilität außerhalb der Geräte und Daten auf dieser Liste garantieren. Für alle, die bereits CloudReady verwenden, wird Chrome OS Flex, sobald es die aktuelle Testphase verlässt und in einen stabilen Zustand übergeht, ein Over-the-Air-Update erhalten. Die Systeme sollen nahtlos vom letzten CloudReady-Build auf das neueste Chrome-OS-Flex-Äquivalent umgestellt werden.

Mit Chrome OS Flex wird sich die Definition dessen, was ein Chromebook ist, exponentiell erweitern. Ein Chromebook ist nun nicht mehr nur ein Computer, der explizit für die Ausführung von Chrome OS entwickelt und verkauft wird, sondern im Grunde jeder Rechner, auf dem Chrome OS installiert ist. Privatanwender und auch Unternehmen können damit jederzeit ihren veralteten Windows- oder Mac-Computer aus dem Schrank holen und in ein Update-fähiges Chromebook verwandeln. (hv)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.com.