Was ist die größte Herausforderung bei der Digitalisierung? Es ist nicht die Technik – sondern deren rasante Evolution. Jeder Entscheider kennt die Herausforderung bei komplexen Projekten: Ist der Anforderungskatalog nach zwei oder drei Jahren umgesetzt, haben sich die Rahmenbedingungen bereits verschoben. Bei Erscheinen ist das Produkt oder die Software schon veraltet oder liefert nur noch Lösungen für die Anwenderwünsche von gestern. Fluktuation, Verzögerungen, Reorganisationen – die Projektvariablen sind einfach zu zahlreich, um sie in starren Plänen zu erfassen. Was tun?
Maximal bewegliche Strategien und Prozesse sorgen dafür, dass Innovationen nicht am Bedarf vorbei entwickelt werden. Während der Entwicklung muss der Status des Produkts oder der Software jederzeit transparent sein, damit neue Anforderungen einfließen können – ohne umfangreiche Change Requests und den damit verbundenen Kosten. Das gelingt nur mit agilen Projektmethoden.
Eben darum nutzen fortschrittliche Unternehmen bereits seit mehr als zehn Jahren erfolgreich agile Vorgehensmodelle, allen voran die Scrum-Methode mit selbstorganisierten Teams, einer iterativen Vorgehensweise und minimaler Bürokratie.
Unter diesen Vorzeichen sollten agile Projektmethoden mittlerweile Standard sein. Die Betonung liegt auf „sollten“. Tatsächlich zeigt eine Studie von Tata Consultancy Services (TCS) und Bitkom Research: 61 Prozent der deutschen Unternehmen arbeiten selten oder nie agil, 17 Prozent manchmal, lediglich 18 Prozent größtenteils oder immer. Die Mehrzahl der Firmen setzt noch immer auf die Wasserfallmethode – die in der Praxis häufig scheitert. Wer Gründe für die digitalen Defizite der deutschen Wirtschaft sucht: Hier ist einer davon.
Hürden für agile Entwicklung überwinden
Warum tun sich deutsche Unternehmen so schwer mit agilen Methoden? Die kurze Antwort: Es mangelt an Business-IT-Alignment. Die lange Antwort: Die agile Projektmethode stammt aus der Softwareentwicklung der 1990er Jahre. Das pragmatische Entwicklerdenken steht der starren und Reporting-gesteuerten Business-Bürokratie jedoch diametral entgegen. Vielleicht gewinnt der Ansatz darum in den Fachbereichen nur langsam an Boden.
Aber agile Methoden gelingen eben nur, wenn die Geschäftsseite mitzieht. Die Fachbereiche müssen ihre Anforderungen permanent in den Entwicklungsprozess einfließen lassen. Diese enge Zusammenarbeit von Business und IT erfordert eine Unternehmenskultur, die Veränderungsbereitschaft methodisch verankert. Das heißt aber auch: Viele gewohnte Abläufe, Entscheidungswege und Hierarchien gelten nicht mehr.
Wie bei allen großen Veränderungen in Unternehmen hilft auch bei der Einführung agiler Methoden ein Changemanagement, das den Wandel begleitet und gestaltet, indem es Mitarbeiter einbezieht und qualifiziert. Eine offene und anhaltende Kommunikation mit allen Beteiligten ist dabei erfolgsentscheidend.
Agile Projektmethoden in globalen Teams
Unternehmen finden in Deutschland und Europa längst nicht mehr genügend IT-Fachkräfte, um digitale Großprojekte durchzuführen. Müssen sie aber auch nicht, denn weltweit gibt es viele hervorragende Experten. Aber lassen sich agile Methoden global überhaupt effektiv anwenden? Schließlich ist die räumliche und zeitliche Trennung enorm groß. Selbst wenn das Unternehmen ohne Partner arbeitet, sitzen die Mitarbeiter häufig zugleich in München, London oder Mumbai. Das widerspricht dem alten Mantra, bei agiler Entwicklung müssten alle Teammitglieder in einem Raum sitzen.
Es braucht also neue Formen der Zusammenarbeit. Eine der Lösungen kann „Location Independent Agile“ sein. Das Ziel ist es, die Zusammenarbeit in großen, internationalen Projektteams möglichst reibungslos und standardisiert zu gestalten. Der Schlüssel dazu ist eine Collaboration-Plattform. Dort sind alle Beteiligten virtuell versammelt. Kollegen anrufen, Meetings vereinbaren – das alles entfällt. Physisch sieht das beispielsweise so aus: Einzelne Projektteams arbeiten in Räumen mit Videowänden, die permanent die anderen Projektteams zeigen. Die Illusion der Nähe ist so groß, dass man nach einiger Zeit vergisst, dass es sich um Bildschirme handelt. Es ist, als würde man im selben Raum sitzen. Entsprechend gut klappt dann auch die Zusammenarbeit unabhängig von Zeit und Ort. Unter dem Strich optimiert Agile also nicht nur regional begrenzte, sondern auch weltweite IT-Projekte. Die Technologien und Methoden sind bis ins kleinste Detail ausgereift, die Kompetenzen verfügbar.