KI-Tunnelblick

GitHub - Zenit überschritten?

Kommentar  15.11.2023
Von 
Matt Asay ist Autor der US-Schwesterpublikation Infoworld.com.
Nicht jeder Entwickler legt Wert darauf, allumfassend von KI unterstützt zu werden.
GitHub entfernt sich mit der umfassenden Integration von Copilot gefährlich von seinen Wurzeln - so sieht es zumindest ein Teil der Entwickler-Community.
GitHub entfernt sich mit der umfassenden Integration von Copilot gefährlich von seinen Wurzeln - so sieht es zumindest ein Teil der Entwickler-Community.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

"Genauso wie GitHub auf Git gegründet wurde, werden wir heute auf Copilot neu gegründet", verkündete GitHub-CEO Thomas Dohmke Anfang November 2023 auf dem GitHub-Universe-Event. Er wollte damit der Entwickler-Community verdeutlichen , dass das Unternehmen "all in" geht, wenn es um künstliche Intelligenz geht. Der Manager mühte sich, ein kühnes Zukunftsbild zu zeichnen, bei dem GitHub im Zentrum des Dev-Universums steht.

Allerdings könnte er damit all jene Entwickler vor den Kopf gestoßen haben, die keinen Wert auf KI-Support legen, sondern GitHub lediglich als funktionale Code-Hosting-Plattform betrachten - so wie Open-Source-Entwickler Geoffrey Hunt in seiner Antwort auf Dohmkes X-Post:

Noch schwerer wiegt allerdings, dass GitHub mit seinem absoluten KI-Fokus die Transparenz über Bord wirft, die Git (und Open Source) im Bereich der Softwareentwicklung groß gemacht hat.

Jenseits von Git

Git hat die Versionskontrolle für Entwickler nicht "erfunden", sie aber dramatisch verbessert. Linux-Gründer Linus Torvalds wollte sich laut eigener Aussage eigentlich nie mit der Versionsverwaltung beschäftigen. Getan hat er es dennoch und Devs in der Folge ermöglicht, ihre eigenen privaten Test-Repositories zu erstellen, ohne sich um Schreibzugriff auf ein zentrales Repository kümmern zu müssen. Dieses Prinzip hat die kollaborative Arbeit an Code in ein neues, modernes Zeitalter katapultiert.

Die Botschaft, die GitHub nun mit seinem Copilot -Fokus aussendet, lautet: "Kümmert euch nicht um Git, das ist Klempnerarbeit" - die KI wird es richten." Das sind gute Nachrichten - wenn auch unter zwei Voraussetzungen:

  1. Die Entwickler wollen nicht mehr wirklich "unter die Haube" schauen.

  2. Die soziale Seite von Software spielt keine Rolle mehr.

Chris Holdgraf, Executive Director beim Open-Source-Projekt 2i2c, bringt das Problem in seiner Antwort auf den Punkt: "Es scheint ein wichtiges Signal zu sein, dass sie von "basierend auf diesem universell verwendeten offenen Tool" zu "basierend auf dieser hauseigenen Produktlinie" übergehen."

GitHub-COO Kyle Daigle erklärt hingegen in einem Blogpost des Unternehmens: "Wir erwarten, dass Open-Source-Entwickler die nächste Welle der KI-Innovation auf GitHub vorantreiben werden." Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie das funktionieren soll, wenn die Entwickler gar nicht wissen, wie die KI-gesteuerte Code-Produktion eigentlich funktioniert. Git hat den Code und die Zusammenarbeit um ihn herum durchlässig gemacht - KI sorgt für den gegenteiligen Effekt.

KI sticht Transparenz?

GitHubs Motivation für den neuen KI-Fokus ist dabei nicht schwer nachvollziehen: Entwickler experimentieren aktiv mit KI und sämtliche Cloud-Anbieter versuchen, sich gegenseitig mit ihren KI-Plänen zu übertrumpfen. Der Hype um KI wirbelt so viel Staub auf, dass Unternehmen, die noch nicht auf den Zug aufgesprungen sind, inzwischen Gefahr laufen, irrelevant zu werden.

GitHub selbst zeichnet ein fast schon romantisches Bild der KI, die Developern eine "ganzheitliche, produktive und nahtlose Entwicklerplattform" ermögliche - unabhängig davon, was sie genau entwickeln. Das Problem dabei: Eine quelloffene KI gibt es nicht. Jedenfalls noch nicht. Aktuell bleibt KI eine Blackbox, die der Arbeitsweise von Open-Source-Entwicklern seit Jahrzehnten zuwiderläuft.

GitHub scheint allerdings darauf zu setzen, dass Entwickler gerne die Kontrolle über den Quellcode zugunsten KI-getriebener Code-Vervollständigungen opfern. Die Reaktionen der Community fallen bislang allerdings wenig enthusiastisch aus, wie etwa der Tweet von Open-Source-Verfechter Adam Jacob verdeutlicht - er ist sich absolut nicht sicher, schreibt er, ob er das alles will:

Ein besseres Git

Die Befürchtung, die die Kritiker in erster Linie treibt, ist, dass GitHub durch die Verlagerung des Schwerpunkts auf KI seine Wurzeln (und damit die Grundlage für seinen Erfolg) verliert: die einfache Nutzung und Zusammenarbeit mit Git. Darren Shepherd, Chief Architect bei Acorn Labs fasst in seinem Tweet die Reaktion vieler Entwickler kurz und bündig zusammen: "GitHub steht im Mittelpunkt unseres Handelns. Ich würde das lieber nicht durch einige drastische Hype-getriebene Veränderungen beenden. Oder kurz gesagt: Vermasseln Sie es nicht, weil Sie zu viel über das neue glänzende Spielzeug versprochen haben."

Experten wie Shepherd sind vielleicht nicht das Kernpublikum, das GitHub mit seiner Copilot-gestützten Zukunft ansprechen möchte. Dennoch läuft die Company Gefahr, das zu verlieren, was sie für Millionen von Devs groß gemacht hat: Transparenz. Eventuell beinhaltet die neue Copilot-fokussierte GitHub-Strategie auch die Weiterentwicklung und -optimierung von Git. Wenn dem so ist, ist es allerdings im KI-Marketing-Hype untergegangen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.