Der Hype um Blockchain weicht mittlerweile einer gewissen Ernüchterung. So sind beispielsweise die Analysten von Gartner n ihrem Hype Cycle for Blockchain Business 2018 der Meinung, die Technologie sei bereits auf dem Weg in Richtung "Desillusionierung". Laut einer Studie (PDF) der Marktexperten von Bitkom Research nutzen derzeit nur sechs Prozent der deutschen Unternehmen Blockchain oder haben vor, dies zu tun. Zum Vergleich: Bei Big Data & Analytics sind es 59 Prozent, beim Internet der Dinge 44 Prozent der Firmen.
Dass Blockchain noch nicht so recht aus den Startlöchern gekommen ist, hat vor allem einen Grund: Unternehmen sehen keinen oder wenig Mehrwert in diesem Ansatz. Tragfähige Geschäftsmodelle sind aus Sicht von rund 90 Prozent Firmen nicht vorhanden, so Bitkom Research. Weitere Hemmfaktoren sind der Mangel an Blockchain-Spezialisten sowie die Unsicherheit auf juristischer Ebene. Vor allem aus der Sicht von mittelständischen Unternehmen mangelt es derzeit noch an alltagstauglichen Blockchain-Lösungen, die sich auf einfache Weise implementieren und betreiben lassen. Laut der Bitkom-Studie "Blockchain in Deutschland" (PDF) haben 2018 nur sieben Prozent der Unternehmen mit 100 bis 200 Beschäftigten ein Budget für die Blockchain reserviert oder bereits investiert.
Potenziale in der Praxis
Eine solche zögerliche Haltung ist riskant. Denn eine große Zahl von Branchen kann von Blockchains profitieren. Verbraucher erwarten zunehmend transparente Lieferketten bis hin zur Identifikation einzelner Güter wie Lebensmittel oder Medikamente. Kann ein Unternehmen beispielsweise nachweisen, dass es Produkte umweltschonend und sozial verträglich herstellt, sind die Nutzer meist bereit, einen Preisaufschlag für dessen Angebot zu bezahlen. Mithilfe einer Blockchain kann eine Firma lückenlos nachweisen, woher es Rohmaterialien oder Halbfertigprodukte bezieht und welche Partnerunternehmen Teil der Lieferkette sind.
Eine Blockchain kann dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue Kundenkreise zu erschließen. Gleichzeitig lassen sich mit der Technologie Abläufe im Fracht-, Flotten- und Logistikmanagement vereinfachen. So können Hersteller und Logistikunternehmen Transport- und Zolldokumente sofort austauschen. Außerdem ist dank der Blockchain jederzeit und für alle Beteiligten der Status einer Lieferung einsehbar.
Beispiel: Die Kühlkette überwachen
Immer wenn es darum geht Einzelnachweise zu erbringen lohnt sich der prüfende Blick hin zu einem möglichen Blockchain-Einsatz. Sie kann in der Lebensmittelindustrie etwa eine lückenlose Kühlkette oder die Herkunft von Fischarten nachweisen, die national zum Verzehr zugelassen sind.
Für Hersteller, Transportunternehmen und Lebensmittelhändler können mit der Blockchain zudem in die lage versetzt werden, verdorbene Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen, bevor diese in den Regalen eines Supermarkts landen. Der Kunde muss nicht im Nachhinein vor dem Verzehr von Produkten gewarnt werden.
Zudem lassen sich durch eine lückenlose Dokumentation Problempunkte identifizieren, etwa Temperaturschwankungen, weil Lebensmittel in einer bestimmten Weise verpackt werden. Das wiederum trägt dazu bei, die Menge der verdorbenen Lebensmittel zu reduzieren und die Kosten zu senken.
Beispiel: Produktfälschungen verhindern
Der Einsatz einer Blockchain kann auch in anderen Bereichen nützlich sein. Dazu zählt die Produktion von hochwertigen Industriegütern und Medikamenten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass es sich bei bis zu 30 Prozent aller Medikamente um Fälschungen handelt.
Um diesem Problem entgegen zu wirken, haben beispielsweise Tata Consultancy Services (TCS) mit Secure Pharma Transfer eine Lösung entwickelt. Sie basiert auf einer Blockchain-Datenbank, in der alle Details zum Herstellungs- und Vertriebsprozess von Medikamenten abgelegt werden - manipulationssicher und transparent für alle Mitglieder der Supply Chain. Jede Station, die eine Medikamentenpackung durchläuft, wird mithilfe eines Smart Contract in der Blockchain dokumentiert, inklusive der Eingangszeit einer Produktcharge und Informationen zur Packungsgröße.
Zudem ermöglicht die Blockchain-Technologie ein fälschungssicheres Serialisieren von verschreibungspflichtigen Medikamenten. Jeder Packung wird dabei eine Zufallszahl zugeordnet. Anhand dieses Codes lässt sich der Weg jeder Charge nachvollziehen. Dies verhindert, dass gefälschte Medikamente in der Apotheke landen. Das erspart Herstellern, dem Fachhandel und Apotheken Rückrufaktionen und Schadenersatzprozesse.
Ein weiteres Beispiel ist der Schutz von Ersatzteilen für Flugzeuge und Fahrzeuge sowie von hochwertigen Konsumartikeln vor Plagiaten. Das heißt, smarte Technologien wie Blockchain können Unternehmen dabei helfen, Prozesse in einer Welt unter Kontrolle zu bekommen, die durch eine wachsende Komplexität geprägt ist. Trends wie die Kooperation mit externen Entwicklungsfirmen und Auftragsfertigern erfordern sichere, transparente und effiziente Transaktionsprozesse.
Zentrale Rolle der Cloud bei der Umsetzung
Wenn sich Unternehmen für den Einsatz eines Blockchain-Dienstes entschieden haben, müssen sie zunächst ein passendes Bereitstellungsmodell wählen. Die Installation einer entsprechenden Lösung im hauseigenen Rechenzentrum kommt eher für große Unternehmen in Betracht. Eine Alternative sind Cloud-Services, also Blockchain-as-a-Service (BaaS). Dieser Ansatz erlaubt es Unternehmen, für vergleichsweise kleines Geld Erfahrungen mit entsprechenden Anwendungen zu sammeln. Das ist vor allem für mittelständische Unternehmen mit überschaubarem IT-Budget interessant.
Bei der Auswahl eines solches Cloud-Dienstes sollten Unternehmen darauf achten, dass dieser nach Möglichkeit über den IT- und Systemhaus-Partner ihrer Wahl zur Verfügung steht. Dieser kann dem Nutzer dabei helfen, eine Blockchain mit der vorhandenen ERP-Lösung zu kombinieren. Das reduziert den Aufwand bei der Implementierung, der Integration und dem Betrieb der Blockchain.
Wichtig ist zudem, dass ein Unternehmen die Möglichkeit hat, die Blockchain in einer Datenbank-Umgebung zu betreiben, die eine hohe Performance aufweist. Denn de facto ist eine Blockchain eine große, verteilte Datenbank. Daher muss die Leistung der Database-Plattform stimmen. Das lässt sich beispielsweise mit einer Hochleistungs-In-Memory-Technologie erreichen.
Fazit: Je nach Bedarf kann die Blockchain zum Vorteil gereichen
Die Blockchain zählt zu den Technologien, die disruptiven Charakter haben. Allerdings gilt für Blockchain das gleiche wie für andere neue Technologien, etwa IoT und künstliche Intelligenz: Im Vorfeld müssen Unternehmen sorgfältig prüfen, welche Geschäftsmodelle in Verbindung mit Blockchain für sie in Betracht kommen. Und sie sollten dieselbe Sorgfalt bei der Auswahl ihres Lösungslieferanten walten lassen. Dann stehen die Chancen gut, vorhandene Geschäftsprozesse sicher in die Zukunft zu führen. (jd)