IDC Directions

Generative KI wird Unternehmen grundlegend verändern

15.03.2024
Von 
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.
Laut IDC ist KI für viele Unternehmen bereits eine Priorität - auch wenn es ihnen noch ein echter Plan fehlt, der die wichtigsten Anwendungen und die Governance umfasst.
Auf der Konferenz IDC Directions bereitete das Analystenhaus Business- und IT-Entscheider auf die umfassenden Veränderungen durch KI vor.
Auf der Konferenz IDC Directions bereitete das Analystenhaus Business- und IT-Entscheider auf die umfassenden Veränderungen durch KI vor.
Foto: Tatiana Shepeleva - shutterstock.com

In den nächsten zwei Jahren wird generative künstliche Intelligenz (GenAI) Unternehmen dazu zwingen, sich mit einer Vielzahl von sich schnell entwickelnden Themen auseinanderzusetzen, angefangen von der Datensicherheit bis hin zu Tech Review Boards, neuen Services und - am wichtigsten - der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter.

Das Ausmaß des Wandels wird durch die enormen Investitionen deutlich, die Unternehmen in diesem Bereich planen. Bis 2027 werde KI 29 Prozent der Unternehmensausgaben ausmachen, erklärt IDC-Präsident Crawford Del Prete auf der Konferenz IDC Directions in Boston. Er verweist auf eine IDC-Umfrage vom Februar, wonach Unternehmen allein in diesem Jahr durchschnittlich 28 Millionen Dollar für KI-Initiativen ausgeben wollen. Insgesamt, so prognostiziert das Analystenhaus, sollen die Investitionen in GenAI-Initiativen bis 2027 auf 150 Milliarden Dollar steigen, mit einem wirtschaftlichen Gesamteffekt von 11 Billionen Dollar.

Hohe Investitionen von Anbietern und Anwenderunternehmen

Aber auch die Technologieanbieter gehen in Sachen Künstliche Intelligenz "all in": Laut IDC-Umfrage erwarten sie, dass bis 2026 die Hälfte ihrer Personal- und Sachinvestitionen in Forschung und Entwicklung in KI und Automatisierung fließen werden. Gleichzeitig werden vierzig Prozent der Dienstleistungsaufträge auch KI-gestützte Services beinhalten, was zu einer Verschiebung der von Menschen erbrachten Dienstleistungen führen wird. "Die Unternehmen werden einen grundlegenden Wandel durchlaufen, der Hardware, Software und datenzentrierte Plattformen umfasst", so Del Prete.

Die Entwicklung interner KI-Lösungen gewinnt ebenfalls an Fahrt. Laut einer aktuellen CIO-Umfrage von IDC:

  • gehen 75 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sie bis 2025 Prüfgremien für die KI-Implementierung einrichten werden;

  • werden 40 Prozent ihre ausgelagerten KI-Dienstleistungen, einschließlich der KI-Bereitstellung, ausbauen;

  • werden voraussichtlich 40 Prozent der neuen Anwendungen intelligenter sein, da die Entwickler GenAI zur Verbesserung bestehender und neuer Anwendungsfälle einsetzen.

"Im vergangenen Jahr haben die meisten Unternehmen über die Schaffung von Chief AI Officers und Kompetenzzentren diskutiert, um zu entscheiden, wie sie KI integrieren und neue Geschäftszentren für neue KI-basierte Produkte und Dienstleistungen schaffen wollen", berichtet Rick Villars, Group Vice President der Worldwide Research Division von IDC.

Laut Villars überdenken CIOs auch ihre Investitionspläne und ihren Personalbedarf auf der Grundlage von KI-Initiativen, einschließlich der Frage, wie sich KI auf den langfristigen Umsatz und die Rentabilität des Unternehmens auswirken wird.

Die meisten Unternehmen werden wahrscheinlich einen hybriden Ansatz für ihre KI-Pläne wählen, das heißt, sie werden mit Dienstleistern zusammenarbeiten, aber auch bestehende KI-Plattformen wie ChatGPT anpassen oder eigene, aber kleinere KI-Modelle für bestimmte Anwendungsfälle entwickeln.

IDC Group Vice President of Worldwide Thought Leadership Philip Carter, Group Vice President of World Wide Research Rick Villars und IDC President Crawford Del Prete (v.l.n.r.).
IDC Group Vice President of Worldwide Thought Leadership Philip Carter, Group Vice President of World Wide Research Rick Villars und IDC President Crawford Del Prete (v.l.n.r.).
Foto: IDC

"Alle Anwendungen, die man kauft, werden intelligenter..., aber man muss darauf achten, dass sie nicht redundant zu den Anwendungen sind, die man selbst entwickelt", warnt Del Prete. "Das wird in Zukunft eine große Rolle spielen."

60 Prozent scheitern mit ihren KI-Initiativen

Tatsächlich scheitern laut IDC 60 Prozent der Unternehmen mit ihren KI-Initiativen, weil sie die Daten, KI-Modelle und KI-Anwendungen, die sie einführen oder entwickeln, nicht miteinander verknüpfen können.

Aus Sicht der Analysten stehen Unternehmen bei der Einführung von KI vor fünf wesentlichen Herausforderungen, nämlich:

  • den ROI von KI-Investitionen zu messen;

  • KI-Governance;

  • eine KI-Kompetenz- und Talentstrategie zu entwickeln;

  • die langfristigen Kosten zu stemmen;

  • die richtigen Anwendungsfälle zu priorisieren.

Die größte Herausforderung, so Del Prete, bestehe darin, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden beziehungsweise die vorhandene Belegschaft weiterzubilden. Nur so ließen sich die Veränderungen bewältigen, die sich durch die Einführung interner GenAI-Lösungen sowie neuer KI-gestützter Produkte und Dienstleistungen ergeben.

Diese Ansicht deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage von Insight Enterprises im Oktober 2023. Sie ergab, dass das Know-how und die Schulung der Mitarbeiter in Hinblick auf große Sprachmodelle (LLMs) und GenAI-Tools nach wie vor das größte Hindernis für die Implementierung darstellen.

Laut der Umfrage wurde zudem die Mehrheit der Führungskräfte damit beauftragt, ihr Unternehmen bei der Definition des ROI von GenAI zu unterstützen. Im Einzelnen sollten sie dabei beschreiben, wie mithilfe der Technologie:

  • die Kundenzufriedenheit verbessert (65 Prozent),

  • die Serviceverfügbarkeit erhöht (60 Prozent),

  • die Betriebskosten gesenkt (57 Prozent) und

  • die Mitarbeiter bei der Produktivitätssteigerung unterstützt werden können (56 Prozent).

Allerdings berücksichtigen dabei nur 15 Prozent die Implementierungskosten, einschließlich der technischen Schulden aufgrund einer veralteten Infrastruktur, der anfänglichen finanziellen Investitionen und der laufenden Wartungskosten.

Der KI-Erfolg kann dauern

Phil Carter, Group Vice President von IDC's Worldwide Thought Leadership Research, warnte die Unternehmen daher davor, einen sofortigen ROI für ihre Investitionen zu erwarten. Wie bei anderen großen wirtschaftlichen Veränderungen, etwa der Einführung von Traktoren in der Landwirtschaft, könne es Jahrzehnte dauern, bis die GenAI-Technologie sich auf breiter Basis durchgesetzt habe und bezahlt mache.

"Die Traktoren, die Ende des 19. Jahrhunderts erfunden wurden, versprachen, die Landwirtschaft zu verändern und die Bauern von Maultieren und Pferden zu befreien. Allerdings besaßen bis 1940 nur 23 Prozent der Landwirte einen Traktor", so Carter.

Wie bei den Traktoren in der Landwirtschaft müsse man auch bei der KI die Anwendungsfälle verstehen und bereit sein, beträchtliche Summen für die Anschaffung der Technologie, die Lösung von Problemen beim Einsatz und die Schulung der Mitarbeiter auszugeben.

Dass selbst dann der Erfolg nicht immer sicher ist, zeigt das von IDC vorgebrachte Beispiel der Reisebuchungsseite Expedia. Das Unternehmen hatte im vergangenen Jahr einen ChatGPT-basierten Bot eingeführt, der Reisende bei der Reiseplanung unterstützen sollte. Der Bot konnte beispielsweise Aktivitäten empfehlen, sobald der Reisende sein Ziel erreicht hatte. Er wurde zwar von Verbrauchern genutzt, hatte aber, wie Expedia-CEO Peter Maxwell Kern später einräumte, keine signifikanten Auswirkungen auf das Geschäft.

"Aber die Vorteile von GenAI können auch enorm sein", stellt IDC-Mann Carter fest: "Bis 2026 werden Unternehmen, die den Einsatz von GenAI beherrschen, ihr Wachstum im Vergleich zu ihren Konkurrenten verdoppeln, indem sie neue interne Effizienzen, Kundenerlebnisse und Dienstleistungen schaffen."

KI braucht Governance

Allerdings, so Carter weiter, müsse jedes Unternehmen, das eine GenAI-Strategie in Erwägung ziehe, ein KI-Governance-Programm entwickeln, das ein internes Datenmodell und ein Governance-Modell für die Nutzung umfasst. "Auf diese Weise werden Datensicherheit und KI-Governance zusammengeführt", so der Analyst. Das Problem sei jedoch, dass laut der IDC-Umfrage derzeit nur 36 Prozent der CIOs KI-Governance-Programme entwickelten.

Auf der Konferenz wurde auch das Thema "KI als Jobkiller" angesprochen, befürchten doch viele, dass Künstliche Intelligenz Arbeitsplätze vernichten wird. Carter und andere sind jedoch der Meinung, dass die Technologie zwar die Art und Weise verändern kann, wie Beschäftigte ihre Arbeit erledigen. Gleichzeitig entlaste sie die Beschäftigten aber auch von banalen Tätigkeiten und gebe ihnen mehr Freiraum für Kreativität.

So kündigte das Einrichtungshaus IKEA im vergangenen Jahr eine KI-gesteuerte Qualifizierungsstrategie an, in deren Rahmen mehr als 8.500 Callcenter-Agenten zu "Einrichtungsberatern" umgeschult werden, während ein KI-Bot fast die Hälfte aller üblichen Kundenanfragen bearbeiten kann. Laut Ikea hat der Einsatz von KI nicht zu einem Personalabbau geführt.

In einer anderen Fallstudie, die Carter vor vollem Haus vorstellte, konnten die Call-Center-Agenten eines nicht genannten Unternehmens mit Hilfe von GenAI die Transkripte von Kundenanrufen zusammenfassen. Die Technologie sparte jedem Agenten durchschnittlich zwei Minuten pro Anruf, was zu einer Produktivitätssteigerung von 25 Prozent führte und es den Agenten ermöglichte, schneller zum nächsten Anruf überzugehen.

"Wir hören oft die Befürchtung, dass KI uns die Arbeit wegnimmt. Dabei geht es eher darum, dass jemand besser weiß, wie man KI einsetzt als man selbst. Wir müssen uns diese Technologien aneignen, damit wir unsere Arbeit besser machen können", konstatiert Carter.

Während die Schulung der Mitarbeiter der Schlüssel ist, um sicherzustellen, dass diese sich mit KI-Tools wie ChatGPT, Midjourney oder anderen KI-Assistenten wohlfühlen, müssen die Unternehmen damit beginnen, ihre Führungskräfte in Sachen KI-Skills und Change Management zu schulen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.