Öffentliche Vergabeverfahren

Gebrauchte Software - Rechtswidriger Ausschluss

10.10.2016
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Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologie-Recht und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Zudem ist er Certified ISO/IEC 27001 Lead Auditor. Seine Beratungsschwerpunkte sind das IT-Recht, Datenschutzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. Dr. Michael Rath ist u.a. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) und akkreditierter Schlichter für IT-Streitigkeiten bei der Schlichtungsstelle der DGRI.
Simone Bach arbeitet als Rechtsanwältin in der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Ihre Themengebiete sind Technologie, Medien, Telekommunikation und Datenschutz.
Bei einer Ausschreibung in einem öffentlichen Vergabeverfahren darf der Erwerb gebrauchter Software nicht ausgeschlossen werden.

Die Vergabekammer Münster hat mit Beschluss vom 1. März 2016 (Az.: VK 1 - 02/16) entschieden, dass in einem öffentlichen Vergabeverfahren die Ausschreibung nicht auf Neulizenzen beschränkt und damit der Erwerb von "Gebrauchtsoftware" ausgeschlossen werden darf. Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Einsatzfähigkeit sogenannter "Gebrauchtsoftware" seien nach den sogenannten UsedSoft-Entscheidungen des EuGH und des BGH nicht tragfähig. Auch die Vorgabe, dass nur von Microsoft lizenzierte Partnerunternehmen den mit dem Bundesinnenministerium (BMI) ausgehandelten Select-Plus-Vertrag anbieten können sollten, hält die Vergabekammer für vergaberechtswidrig.

Gebrauchte Software darf in öffentlichen Vergabeverfahren nicht ausgeschlossen werden.
Gebrauchte Software darf in öffentlichen Vergabeverfahren nicht ausgeschlossen werden.
Foto: stocksolutions- shutterstock.com

Keine Beschränkung auf Neulizenzen

Eine Behörde (Kreis) hatte den Erwerb von Microsoft-Office-Lizenzen europaweit ausgeschrieben. Basis sollte eine Registrierung unter dem mit dem BMI ausgehandelten Microsoft Select-Plus-Vertrag sein, der attraktive Konditionen für Auftraggeber beinhaltet. Im Leistungsverzeichnis hatte der Kreis die kaufweise zu erwerbenden Lizenzen auf "Neulizenzen" und die in Frage kommenden Lizenzgeber auf von Microsoft lizenzierte Partnerunternehmen beschränkt. Die Antragstellerin, die mit "gebrauchten" Softwarelizenzen handelt, sah sich dadurch zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Ihre entsprechende Rüge wies der Kreis mit der Argumentation zurück, der Erwerb von "Gebrauchtsoftware" sei mit Rechtsunsicherheiten behaftet, weshalb das Risiko bestehe, mit einem Lizenzaudit und gegebenenfalls Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen von Microsoft konfrontiert zu werden. Außerdem stellten die Vorzugskonditionen unter dem Microsoft Select-Plus-Vertrag sachliche Gründe für die Beschränkung des Adressatenkreises der Ausschreibung auf lizenzierte Partnerunternehmen von Microsoft dar. Hierauf beantragte die Antragstellerin die Durchführung eines Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer.

Gebrauchte Lizenzen sind so gut wie neue

Die Vergabekammer sah in der Ausschreibung vergaberechtliche Grundsätze verletzt. Die Begründung des Kreises für die Beschränkung der Ausschreibung sei nicht durchgreifend. Insbesondere sei die Beschränkung auf den Erwerb von Neulizenzen sachlich nicht gerechtfertigt. "Gebrauchte" Softwarelizenzen seien genauso einsetzbar wie "Neulizenzen". In technischer Hinsicht bestehe kein Unterscheid und auch aus rechtlicher Sicht bestehe kein begründetes Risiko von Microsoft mit urheberrechtlichen Ansprüchen konfrontiert zu werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH zum Handel mit "Gebrauchtsoftware" stehe fest, dass der Erwerb von "Gebrauchtsoftware" unter den in den Urteilen genannten Voraussetzungen rechtlich zulässig sei. Außerdem widerspreche die Beschränkung der in Frage kommenden Lizenzgeber auf von Microsoft lizensierte Partnerunternehmen dem Gebot des fairen Wettbewerbs.

Weitergabeverbote sind unzulässig

Die Entscheidung der Vergabekammer bildet einen weiteren Meilenstein auf dem Weg der rechtlichen Anerkennung der Verkehrsfähigkeit von kaufweise erworbenen Softwarelizenzen. Bereits mit Urteil vom 3. Juli 2012 (Az.: C- 128/11) hatte der EuGH in der Sache Oracle ./. UsedSoft ein Weitergabeverbot in Lizenzbedingungen beim käuflichen (also zeitlich unbeschränkten) Erwerb von Softwarelizenzen für unwirksam erklärt. Der BGH hat mit Urteil vom 11. Dezember 2014 (Az.: I ZR 8/13) zudem weitergehend klargestellt, dass auch die Aufsplittung von Volumenlizenzen beim Weiterverkauf zulässig ist, und hat damit den Handel mit "Gebrauchtsoftware" weiter liberalisiert.

Anforderungen an gebrauchte Software

Öffentliche Auftraggeber sind vor dem Hintergrund zukünftig gehalten, diese Grundsätze bei Ausschreibungen zu berücksichtigen und "gebrauchte" Software nicht pauschal von der Ausschreibung auszuschließen. Gleichzeitig sollten sie aber beachten, dass an den rechtlich zulässigen Erwerb von "Gebrauchtsoftware" erhöhte Nachweisanforderungen zu stellen sind. Dies betrifft unter anderem die Frage, auf welcher Grundlage die Lizenzen vom Erstveräußerer erworben wurden, ob der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers ein Weiterveräußerer ist und ob sämtliche Kopien beim Veräußerer und nachfolgenden Veräußerern gelöscht wurden. Auch wird kommerziell zu berücksichtigen sein, ob der öffentliche Auftraggeber, wie im vorliegenden Fall, an dem Erhalt von Pflegeleistungen nicht interessiert ist oder ob hierzu die Konditionen mit Microsoft oder einem Microsoft Partnerunternehmen im Nachgang erst noch verhandelt werden müssen. Für Anbieter von Software bildet die Entscheidung der Vergabekammer einen weiteren Anreiz, mietweise und cloudbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln, um den Handel mit "Gebrauchtlizenzen" zu unterbinden. (fm)