Arbeitsrecht

Fürsorgepflicht bei Mobbing

10.07.2014
Von 
ist Rechtsanwalt in Bochum. Er ist zudem als Rechtsexperte für die ARAG SE tätig.
Arbeitgeber müssen bei Kenntnis über Mobbing im eigenen Haus reagieren. Das können beispielsweise Mitarbeitergespräche, Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigungen sein. Tobias Klingelhöfer zur Rechtslage.

Die Zahl der Arbeitnehmer, die offiziell von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind, ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Anders als etwa in Frankreich, Schweden oder Spanien gibt es in Deutschland kein spezielles Gesetz gegen Mobbing. Dennoch sind die Opfer auch hierzulande nicht schutzlos.

Begriffsdefinition: Mobbing beginnt nach der Rechtsprechung da, wo es sich nicht mehr um ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten in einer im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituation handelt.
Begriffsdefinition: Mobbing beginnt nach der Rechtsprechung da, wo es sich nicht mehr um ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten in einer im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituation handelt.
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Seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bedient sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter anderem der Definition einer Belästigung in § 3 Abs. 3 AGG, um den Begriff des Mobbings zu beschreiben. Danach liegt Mobbing dann vor, "wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Betroffenen verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird".

Was ist Mobbing?

Vereinfacht gesagt ist Mobbing also das wiederholte, systematische Schikanieren des Opfers am Arbeitsplatz. Es beginnt nach der Rechtsprechung da, wo es sich nicht mehr um ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten in einer im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituation handelt. Darauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem Prozess hin, der Anfang des Jahres 2014 für Schlagzeilen sorgte. Ein Arzt hatte sich erfolglos auf eine Chefarztstelle beworben. In der Folgezeit fühlte er sich von dem erfolgreichen Bewerber gemobbt und verklagte ihn schließlich auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Richter konnten im Ergebnis aber keine "mobbingtypische Schaffung eines feindlichen Umfelds feststellen" und wiesen die Klage ab (LAG Hamm, 11 Sa 722/10).

Schmerzensgeld bei Untätigkeit

Mobbing am Arbeitsplatz als solches ist nicht strafbar. Jedoch können einzelne Handlungen des Mobbenden die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten. So kann im Einzelfall der Straftatbestand der Beleidigung, der üblen Nachrede oder auch der Körperverletzung erfüllt sein. Dann sollte gegen den Mobbenden ein Strafantrag bei der Polizei gestellt werden.

Oft bleibt das Verhalten des Mobbenden aber unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, wie es etwa bei sozialer Ausgrenzung, ständiger Arbeitskontrolle oder häufiger unberechtigter Kritik der Fall ist. Hat der Betroffene den Eindruck, dass es sich dabei um ein systematisches Vorgehen handelt, sollte er ein Mobbing-Tagebuch führen, in dem er die einzelnen Vorfälle nach Tag und Uhrzeit notiert und eventuelle Beweismittel festhält. Auch entstandene Gesundheitsbeeinträchtigungen und Arztbesuche, die wegen der Mobbing-Vorfälle stattfinden, sollten dokumentiert werden. Denn nur so kann der Betroffene den Vorwurf des Mobbing ausreichend darlegen und beweisen, wenn er den Mobbenden auf Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld verklagt.

Die Pflicht des Arbeitgebers

Außerdem sollte der Betroffene unverzüglich seinen Arbeitgeber und – falls vorhanden – den Betriebsrat informieren. Denn der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Das bedeutet, dass er das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit und die Ehre seiner Arbeitnehmer (Art. 1 und 2 des Grundgesetzes) schützen und sie vor psychischer Belastung bewahren muss. Bei Kenntnis von Mobbingvorfällen muss der Arbeitgeber deshalb wirksame Maßnahmen ergreifen. Das können beispielsweise Mitarbeitergespräche (auch mit Zeugen), Abmahnungen, Versetzungen oder auch Kündigungen sein.

Eine Kündigung des Mobbenden kann unter Umständen auch fristlos erklärt werden, zum Beispiel wenn Gesundheitsschäden beim Betroffenen eingetreten sind. Bleibt der Arbeitgeber trotz Kenntnis von den Mobbing-Vorwürfen untätig, kann der Betroffene auch von ihm Schadensersatz (beispielsweise für Therapie- oder Rechtsverfolgungskosten) und Schmerzensgeld verlangen.

Betroffene sollten indes prüfen, ob ihre Arbeitsverträge, eine Betriebsvereinbarung oder geltende Tarifverträge eine Ausschlussfrist enthält. Denn diese Ausschlussfristen gelten nach Meinung des BAG auch für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Mobbing. Allerdings mit einer Besonderheit zugunsten des Betroffenen: Die Ausschlussfrist wegen einer systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung beginnt laut BAG grundsätzlich erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung. (tö)