Mit der neuen Windows-10-Version will Microsoft Nutzer besänftigen und zurückgewinnen, die von Windows 8/8.1 enttäuscht wurden und die vielleicht mit einem Wechsel von Windows zu Linux geliebäugelt haben. Doch anscheinend haben viele Windows-Anwender, die zu dem freien, kostenlosen und vergleichsweise sicheren Linux-Betriebssystem wechseln wollen, Probleme.
Unsere Schwesterpublikation PC-World hat einige Gründe aus Leserbriefen und Community-Beiträgen zusammengestellt, weswegen Windows-Anwender, die zu Linux wechseln wollten, frustriert aufgaben und zu Windows zurückkehrten. Insgesamt scheinen sich fünf Hauptgründe festmachen zu lassen, die dazu führen, dass der Umstieg von Windows auf Linux scheitert. Wir stellen diese fünf Gründe vor und bewerten deren Relevanz.
1. Das Lieblingsprogramm läuft nicht unter Linux
Meist sind es Profi-Programme von Adobe, insbesondere Photoshop und Dreamweaver, auf die Umsteiger von Windows auf Linux partout nicht verzichten wollen. Da hilft auch nicht der Hinweis auf GIMP - denn GIMP ist ungeachtet seiner Stärken kein vollwertiger Ersatz für Adobe. Insofern gilt: wer wirkliche alle Features von Photoshop benötigt, sollte entweder nicht vollständig auf Linux wechseln (und beispielsweise noch eine Partition mit Windows behalten) oder sich geeignete Virtualisierungslösungen wie zum Beispiel Wine anschauen, unter denen sich Photoshop bis zu einem gewissen Grad auch auf Linux-Rechnern einsetzen lässt.
Mittlerweile kann man zumindest auf Chromebooks unter bestimmten Umständen Adobe Photoshop verwenden: Bei Photoshop und Dreamweaver handelt es sich aber um spezialisierte Profi-Werkzeuge für den Unternehmenseinsatz. Kaum ein Privatanwender benötigt wirklich alle Funktionen von Photoshop, der Funktionsumfang von GIMP dürfte für die meisten Anwender völlig ausreichen. Und Webseiten lassen sich auch ohne Dreamweaver erstellen, insbesondere in Zeiten, in denen Content-Management-Systeme und Blogsoftware wie Wordpress für viele professionelle Websites die Basis bilden .
Spielen unter Linux : Neben diesen professionellen Anwendungsprogrammen gibt es aber noch eine weitere Software-Gruppe, die gegen den Einsatz von Linux spricht: Spiele nämlich. Denn nach wie vor behandeln die Spiele-Publisher Linux zweit-, wenn nicht gar drittrangig. Immerhin bessert sich die Situation hier langsam aber etwas: Durch SteamOS und die Spiele-Plattform Steam von Valve.
Privatanwender, die Linux verwenden und weder Photoshop benötigen, noch viel daddeln, können trotzdem hin und wieder vor das Problem gestellt werden, dass sie plötzlich Windows bräuchten. Wenn zum Beispiel das Kind eine neue Lernsoftware mit nach Hause bringt, die nur unter Windows läuft. Hier hilft eventuell eine virtuelle Maschine weiter, in der Windows läuft. Oder aber es gibt die Lernsoftware auch als Apps für iOS und/oder Android. Denn immer mehr Publisher wie USM bringen ihre bekannte Windows-Lernsoftware mittlerweile auch für die beiden wichtigsten mobilen Plattformen heraus. Das bietet sich dann als Ausweichmöglichkeit für Linux-Anwender an. Eine dritte Lösung wären Cloud-basierte Web-Anwendungen als Ersatz für solche Windows-Software.
Unsere Einschätzung: Der Großteil der Privatanwender kann problemlos sofort zu Linux wechseln. Ausgenommen Hardcore-Daddler. Insbesondere in Kombination mit einem iPad oder Android-Tablet steht dem Wechsel zu Linux dann nichts mehr im Wege.
2. Die Hardware zickt
Grundsätzlich verfügt Linux mittlerweile über eine hervorragende Hardwareerkennung. Doch hin und wieder kommt es doch noch vor, dass eine bestimmte Grafikkarte oder ein UMTS-Stick den Dienst verweigert, nachdem man Linux installiert hat. Hier helfen eventuell Workarounds weiter, die man in den diversen Linux-Foren wie ubuntuusers und bei der PC-WELT findet. Unsere alle zwei Monate erscheinende Linuxwelt bietet ebenfalls immer wieder Tipps zur Lösung von Hardware-Problemen. Ebenso helfen Standwardwerke wie Linux. Das umfassende Handbuch von Michael Kofler hier weiter.
Mitunter hilft aber auch die wirklich umfangreiche Linux-Community nicht weiter, beispielsweise wenn es sich um eine relativ ausgefallene Hardware-Komponenten handelt, für die es einfach keine Linux-Treiber gibt. Oder wenn eine bestimmte Teilkomponenten zum Auslieferungszeitpunkt einfach noch nicht ausgereift war. Beispielsweise bereitete das neue Soundsystem von Ubuntu Linux 8.04 seinerzeit vielen Anwendern Kopfzerbrechen, weil nach dem Update auf Ubuntu 8.04 die PCs und Notebooks stumm blieben und keinen Sound mehr abspielen konnten.
Solche Hardware-Probleme lassen sich aber elegant vermeiden, indem sie von vornherein fertig konfigurierte PCs oder Notebooks mit Linux kaufen. Das Angebot ist hier allerdings noch dünn gestreut, ein bekannter Anbieter von Desktop-Rechnern und Notebooks mit vorinstalliertem und speziell angepassten Linux ist das deutsche Unternehmen Tuxedo.
Unsere Einschätzung: Kaufen Sie fertig vorkonfigurierte Rechner mit Linux ab Hersteller. Recherchieren Sie aber unbedingt vor dem Kauf in Internetforen, wie gut die Konfiguration und der Support wirklich funktionieren.
3. Keine Kommandozeilenbefehle bitte
Der typische Windows-Anwender bleibt vom Kontakt mit der Kommandozeile verschont, nur wer sich für Technik interessiert und tiefer in Windows einsteigen möchte, wagt sich auf die Kommandozeile vor und entdeckt die faszinierenden Möglichkeiten der CMD-Befehle für Windows. Autoren von Linux-Büchern berichten immer wieder über Leserbriefe, in denen gerade dieser Aspekt, also das Eintippen von Kommandozeilen-Befehlen, als abschreckend beschrieben wird. Bloß keine Befehle von Hand eintippen, schon gar nicht mit ellenlangen Optionen dazu - das scheint ein dringendes Bedürfnis mancher Windows-Umsteiger zu sein.
Unter Linux kommt man allen Beteuerungen zum Trotz nicht immer so leicht um die Eingabe von mehr oder weniger kryptischen Befehlen oder Skriptanpassungen herum. Das ist besonders bei Hardware-Problemen der Fall und wenn man ausführliche Konfigurations- und Systeminformationen über das eigene Linux-System ermitteln muss, um diese Daten dann in einem Forum zur Analyse einstellen zu können. Allerdings helfen die Foren dem Linux-Novizen bei der Zusammenstellung dieser Daten, indem sie die genaue Befehlssyntax angeben, wie hier bei Ubuntuusers. Damit sollten selbst Linux-Einsteiger diese Hürde nehmen können.
Unsere Einschätzung: Linux ohne Kommandozeilenbefehle ist grundsätzlich möglich. Inbesondere moderne und für Ein- und Umsteiger entwickelte Linux-Distributionen wie Linux Mint oder Ubuntu haben Linux viel von seinem ursprünglichen Schrecken genommen. Allerdings empfiehlt es sich nach einer gewissen Eingewöhnungsphase doch einmal ein Online-Tutorial oder ein Buch oder die Linuxwelt zur Hand zur nehmen und nach und nach ein paar dieser Kommandozeilen-Befehle auszuprobieren. Denn schneller und einfacher kann man Linux nicht an die eigenen Bedürfnisse anpassen und wichtige Systemdaten ermitteln.
4. Unter Windows funktioniert das aber anders
Kurios: Viele Autoren von Linux-Büchern berichten, dass sich Leser beschweren, weil bestimmte Aktionen unter Linux zu einem anderen Ergebnis führen als unter Windows. Oder dass man bestimmte Ergebnisse unter Linux nicht auf die gleiche Weise erzielt wie unter Windows. Das sollte nun wirklich niemanden überraschen, schließlich ist Linux keine Nachbildung von Windows.
Unsere Einschätzung: Dieses "Argument" würde auch gegen den Wechsel von Windows XP zu Windows 8.1 oder zu Windows 10 sprechen. Denn da ist auch einiges anders. Und wer bisher ein Auto mit Handschaltung gefahren ist, dürfte demnach nie zu einem Auto mit Automatik wechseln. Also einfach nur Nonsens. Fortschritt bedeutet immer auch Veränderung, das gilt auch für den Umstieg von Windows zu Linux.
5. Die Installation ging völlig schief
Es kommt zwar nicht mehr so häufig vor wie in vergangenen Zeiten aber es kommt vor: Die Installation von Linux scheitert komplett oder sie geht zumindest so sehr schief, dass sich der Anwender plötzlich anstatt vor einem bunten Desktop-Oberfläche vor einer kryptischen Aufgabeaufforderung wiederfindet. Und nicht weiß, was er nun machen soll.
Unsere Einschätzung: In einigen Fällen kann die wirklich gute Hilfe in den diversen Linux-Internetforen weiterhelfen. Am geschmeidigsten vermeiden Sie dieses Problem aber, indem Sie von vornherein PCs oder Notebooks mit vorinstalliertem Linux kaufen. Oder aber, indem Sie Linux parallel zu einem vorhandenen Windows installieren. Dann können Sie selbst nach einem gescheiterten Linux-Installation immer noch Windows auf dem Rechner nutzen. (PC-Welt)