"Wir sind eine Bank"

Freiberuflervermittler müssen immer mehr in Vorleistung gehen

15.10.2014
Von 
Bettina Dobe war Autorin für cio.de.
Wenig Verhandlungsspielraum in Sachen Honorare, schlechtere Zahlungsmoral der Kunden, kürzere Projektlaufzeiten - mit diesen Rahmenbedingungen haben Vermittlungsagenturen zu kämpfen.

Ein schmerzhaftes Thema für jeden Freiberufler sind Honorarverhandlungen. Wie viel kann man verlangen, um wie viel sollte man sich herunter handeln lassen, womit kann man noch leben? Auch die Freiberufler-Vermittler empfinden die Verhandlungen als schwierig, so ein Ergebnis des Roundtables, zu dem der IDG-Verlag die wichtigsten Vermittler nach München geladen hatte.

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Kein Verhandlungsspielraum

Sitzen ihre Verhandlungspartner im Einkauf von Konzernen oder bei großen IT-Service-Providern, bleibt den Vermittlern kaum Verhandlungsspielraum. Peter Schneider, Vorstand von top itservices, nennt ein Beispiel: "Auf uns kommen Kunden zu, die für 600 Euro am Tag einen Java-Entwickler haben wollen. Davon weichen sie nicht ab - und es ist unsere Aufgabe, für diesen Satz jemanden zu finden." Günter Hilger, Vorstand von Geco, hat eine Analogie parat, der die Gehaltsverhandlung eines Freelancers mit einem Sandwich vergleicht. Der Selbständige sei die eine Brotscheibe, der Kunde die andere und der Vermittler steckt zwischendrin. "Wir sind die Wurstscheibe dazwischen", sagt Hilger. "Jedes Zugeständnis, das wir dem Freiberufler oder der Firma machen, dampft unsere Marge ein." Allerdings legen die wenigsten Vermittler offen, wie hoch ihre Marge ist. Nikolaus Reuter, Vorstandschef von Etengo, gehört da mit seiner "Open-Book-Policy" zu den Ausnahmen.

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Wie viel ein Freiberufler für seine Leistung fordern kann, hängt immer noch an seinem Wissen, seiner Projekterfahrung und inwieweit er sich dadurch von anderen Freiberuflern abheben kann. Je gefragter und je seltener sein Fachwissen am Markt verfügbar ist, desto höher auch sein Stundensatz, so Maxim Probojcevic, Marketingleiter der Solcom Unternehmensberatung aus Reutlingen: "Letztlich entscheiden die Skills des Freiberuflers darüber, zu welchem Satz er arbeitet. Wenn ein Fachabteilungsleiter eine bestimmte Expertise unbedingt braucht, dann kann der Freelancer getreu den am Markt gültigen Gesetzen von Angebot und Nachfrage auch einen höheren Stundensatz realisieren." Wer dagegen einer unter 40.000 anderen ist, hat schlechte Karten. Darum rät Schneider von top itservices Freiberuflern, "ihr Know-How zu halten und sich im Thema weiterzubilden. Wer Projekte nicht nur aufs Geld, sondern auch auf die Profilierung und Weiterbildung achtet, hat langfristig mehr davon."

Kürzere Projekteinsätze

Ist der Vertrag zustande gekommen, droht der nächste Ärger mit dem Geld. Aber meist nicht für den Freiberufler, denn sie werden rasch bezahlt: "Seriöse Agenturen müssen nach zwei Wochen zahlen", sagt Hilger von Geco. Doch die Überweisung erfolgt meist aus eigener Tasche. Seit eineinhalb Jahren habe sich der Trend verstärkt, dass Kundenunternehmen erst nach 60 oder gar 90 Tagen die freiberuflichen Leistungen bezahlen. "Die Zahlungsmoral der Unternehmen hat sich absolut verschlechtert, und wir sind die Bank", beschreibt Hilger die Situation der Vermittler. Manche Unternehmen zahlten erst, wenn eine Rechnungsnummer erstellt wurde. Eine solche werde aber erst nach Quartalsende vergeben, was die Wartezeit wiederum verlängert. Eine Zahlungspraxis, die Vermittlungsagenturen nicht immer hinnehmen müssen, so Probojcevic von Solcom: "Wenn ich ein veritabler Lieferant und langjähriger Partner bin, habe ich immer eine Verhandlungsbasis mit dem Kunden."

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Verändert hat sich auch die Dauer der Projekteinsätze, stellten die Diskussionsteilnehmer fest: Viele Unternehmen fahren auf Sicht und fordern die Freiberufler nicht mehr für neun, sondern für drei Monate an. Allerdings werden diese Drei-Monatseinsätze oft verlängert.

Was bringt 2015?

Als große Themen sehen die Vermittler das Internet der Dinge und IT-Security. Daniela Chikato von Projektwerk prognostiziert einen wachsenden Markt an Freiberuflern: "In den USA sind heute schon über 30 Prozent der Berufstätigen Freelancer. Auch in Deutschland wird die Rate der Freiberufler zunehmen."

Etengo-Vorstand Nikolaus Reuter ergänzt: "Selbst wenn ein Unternehmen 300.000 Mitarbeiter hat, kann es nicht alle spezifischen Wissensgebiete abdecken." Vor allem in stark spezialisierten Themen kenne sich oft nur eine Handvoll Experten aus. Gleichzeitig werden Freiberufler stärker im konzeptionellen Bereich eingesetzt, auch der Bedarf im operativen Bereich bleibt laut Reuter konstant hoch: "Wir wachsen weiterhin, selbst in der größten Krise. Gibt es Innovationsprojekte, werden sie von der IT durchgeführt." Und ohne Freiberufler sind diese selten möglich.