Das offizielle Gastland beim M2M Summit in Düsseldorf war in diesem Jahr Finnland. Und das aus gutem Grund. Denn obwohl das Land mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 15,5 Einwohnern pro Quadratkilometer eine eher dünne Besiedlung aufweist und nicht selten sehr weite Strecken überbrückt werden müssen, ist man beim Thema Vernetzung deutlich weiter als in anderen Teilen Europas und der Welt.
"Finnland verfügt über ein umfassendes Know-how im Bereich der Digitalisierung", unterstrich Ritva Koukku-Ronde, Botschafterin Finnlands in Deutschland, die Kompetenz ihres Heimatlandes. "Innerhalb der EU hat Finnland die höchste Quote an ICT-Spezialisten. Bei der Adaption des Internet of Things (IoT) stehen wir global an dritter Stelle. Unser Ziel ist es, den Fortschritt der Digitalisierung zu beschleunigen und so eine Basis für Wachstum zu schaffen", erklärte Ritva Koukku-Ronde.
Ganzheitliche Vernetzung statt Industrie 4.0
Bei persönlichen Gesprächen sowie den offiziellen Vorträgen der finnischen Delegation auf dem größten Branchenevent Europas wurde schnell deutlich, dass die unterschiedlichen Ansätze und Strategien in Finnland und Deutschland auch auf eine komplett andere Sichtweise zurückzuführen sind. So wunderte sich beispielsweise Reijo Smolander, Program Director bei Finpro, über den Hype in Deutschland rund um das Thema Industrie 4.0.
Die Fokussierung auf industrielle Anwendungen sorgt in Finnland eher für Kopfschütteln. Auf der Pressekonferenz der M2M Alliance skizzierte der Delegationsleiter quasi als Gegenmodell die ganzheitliche Vernetzung der Gesellschaft, wie sie in Finnland praktiziert wird. So reicht die Vernetzung im äußersten Norden des Kontinents von der klassischen Industrie über die Landwirtschaft und die Produktion bis hin in den Handel. Und selbst der Endverbraucher nutzt längst ganz selbstverständlich einen vernetzten Stromzähler, den es in Deutschland womöglich erst in fünf bis zehn Jahren geben wird.
Laut Reijo Smolander steht eine große Mehrheit der finnischen Gesellschaft und Wirtschaft der Vernetzung prinzipiell positiv gegenüber. Und auch in der Politik wird das Thema in Finnland ernst genommen - und vor allem gefördert. Dazu gehört auch, dass ein gezielter Austausch zwischen einzelnen Ministerien stattfindet und dass beispielsweise Umwelt-, Justiz- und Wirtschaftsministerium gemeinsam nach Lösungen suchen, statt sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen.
"Am Beispiel Finnland kann man gut sehen, was bei der Vernetzung alles möglich ist", sagt Dr. Andreas Fink, Vorsitzender der M2M Alliance. "Stimmen die Rahmenbedingungen, lassen sich viele Prozesse effizient und intelligent optimieren. Staatliche Unterstützung und sinnvolle Regulierungen helfen auch dabei, das Vertrauen der Anwender zu gewinnen. Hier nimmt Finnland ganz klar eine Vorreiterrolle ein."
"Und so wird die Vernetzung in weiten Teilen der Gesellschaft dort nicht nur genutzt, sondern sogar geschätzt", betont Fink. "In Deutschland beschränkt sich die Unterstützung seitens der Politik dagegen weitgehend auf Industrie 4.0. Und selbst hier könnte noch deutlich mehr erreicht werden, als es derzeit der Fall ist", fordert Fink mehr Engagement. "Im Interesse der Industrie und Wirtschaft werden wir uns deshalb weiter unermüdlich für den Ausbau der Vernetzung in Deutschland und Europa einsetzen."
Deutschland, das sich gerade im Bereich der industriellen Produktion gerne als Vorreiter sieht, könnte von seinen nordischen Nachbarn also noch einiges lernen. Durch rechtzeitiges Handeln wäre es sogar nicht ausgeschlossen, dass andere Länder eines Tages mit Finnland gleichziehen oder das Land sogar als Vorreiter bei der Vernetzung ablösen. Statt auf einen Einbruch wie einst bei Nokia zu hoffen, wäre es jedoch wünschenswert, wenn die Lücke aus eigener Kraft und nicht aufgrund von Fehlentscheidungen im Land der tausend Seen geschlossen würde. (mb)