CIO des Jahres

CIO des Jahres 2016 - Großunternehmen - Platz 1

Festo CIO Kehl ist CIO des Jahres 2016

10.11.2016
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Roger Kehl ist CIO des Jahres 2016 in der Kategorie Großunternehmen. Er stellt die IT des Automatisierungsspezialisten Festo auf Digitalisierung und Industrie 4.0 um. Die Jury lobt den gelungenen Spagat zwischen Technik und Business.

Als Roger Kehl Anfang 2014 als CIO bei Festo einstieg, hatte er ein Ziel vor Augen: das Unternehmen mit Hilfe von IT auf das Zeitalter von Industrie 4.0 und Digitalisierung auszurichten. Die IT sollte ein verlässlicher interner Dienstleister bleiben, aber sie sollte auch einen strategischen Wertbeitrag für die Unternehmensentwicklung leisten. Dazu musste sie innovativer werden.

Roger Kehl, IT-Chef von Festo, ist der "CIO des Jahres 2016".
Roger Kehl, IT-Chef von Festo, ist der "CIO des Jahres 2016".
Foto: Festo

Zwei Standbeine

Festo, ein 1925 gegründetes Familienunternehmen mit Sitz in Esslingen, zählt sich auf zwei Geschäftsfeldern zu den Weltmarktführern. In der Automatisierungstechnik hat sich das Unternehmen auf Fabrik-und Prozessautomatisierung spezialisiert. Überall, wo Einzelteile, Baugruppen oder vollständige Produkte gegriffen, bewegt und positio­niert werden müssen, ist mit Festo-Komponenten und -Systemen zu rechnen. Zu den 33.000 Katalogprodukten, die in mehreren 100.000 Varianten angeboten werden, gehören Greifer und Handling-Systeme, Antriebe und Druckluftgeräte, Sensoren und Bildverarbeitungssysteme, Zylinder, Ventile und Ventillinsen. Die Kunden kommen aus vielen Branchen, zum Beispiel Automotive, Maschinenbau, Che­mie, Öl und Gas, Wasser und Abwasser, Nahrungsmittel und Bergbau.

Sein zweites Geschäftsfeld nennt Festo "Didactic". Ge­meint sind damit Lernsysteme und Training für die techni­sche Aus-und Weiterbildung: Software und Geräte sowieSchulungen und Consulting. Festo beschäftigt 18.700 Mit­arbeiter, betreibt Gesellschaften in 61 Ländern, ist in 176 Ländern auf dem Markt und hat zuletzt einen Jahresum­satz von 2,64 Milliarden Euro erzielt.

Die neue IT-Strategie

Die Festo-Eigentümer sehen IT seit vielen Jahren als strate­gischen Wettbewerbsfaktor. Dennoch unterscheidet sich die neue IT-Strategie, die Global-CIO Kehl und sein Team erarbeitet haben, in einem entscheidenden Punkt von den früheren. Ging es der IT damals eher darum, sich selbst zu verbessern, so ist nun oberstes Ziel, einen großen Wir­kungsgrad zu erzeugen und die Geschäftsbereiche in der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.

Automation der Zukunft: Die Technologiefabrik Scharnhausen ist das führende Werk von Festo für die Produktion von Ventilen, Ventilinseln und Elektronik.
Automation der Zukunft: Die Technologiefabrik Scharnhausen ist das führende Werk von Festo für die Produktion von Ventilen, Ventilinseln und Elektronik.
Foto: Festo

Kehls Zwischenbilanz: "Uns ist es dabei gelungen, die IT im Unternehmen so zu positionieren, dass wir nun feder­führend und in einer tragenden Rolle die Zukunftsthemen vorantreiben dürfen."

Industrie 4.0

Zu diesen Themen gehören natürlich Digitalisierung, In­dustrie 4.0 und Internet of Things (IoT). Festo ist hier zu­gleich Anbieter und Anwender. Anbieter im Prinzip mit je­dem Produkt für die Manufacturing- und Prozessindustrie, das durch Software intelligenter gemacht werden und dem Kunden zusätzlichen Nutzen bringen kann. Daraus erge­ben sich immer wieder neue Geschäftsmodelle. Für Festo als Anwender oft eigenentwickelter Industrie-4.0-Lösungen spielt die neue Technologiefabrik in Scharn­hausen bei Stuttgart eine große Rolle. Sie soll beweisen, "dass durch Automatisierung und Industrie 4.0 auch am Standort Deutschland wettbewerbsfähig produziert wer­den kann".

Kehl beschreibt fünf in Scharnhausen betriebe­ne Projekte:

  • Fertigungssteuerung: Ein Kooperationsprojekt mit SAP soll es ermöglichen, noch flexibler auf Kundenwünsche einzugehen bis hin zur Losgröße eins. Ziel sind durch­gängige Prozessketten, der Kundenauftrag soll sich ohne Systembrüche und Schnittstellen auf die Maschinenebene "durchrouten" lassen.

  • Energiedaten-Management: In einem Pilotprojekt wur­den Maschinen und Anlagen mit Sensorik zur Verbrauchserfassung ausgestattet. Die Daten können aufTablets ausgelesen werden, so dass die Zuständigen schnell gegensteuern können.

  • Mobile Instandhaltung mit dem iPad: Der "Instandhalter" bekommt die Anlagen-und Maschinendaten unterwegs und muss seltener das Instandhaltungsbüro aufsuchen.

  • Traceability: Über die Microsoft Azure Cloud können Kunden ihre Produkt-und Produktionsdaten zurückver­folgen. Dazu müssen Festo-Lieferanten ihre Lieferung nach VDA-Standard kennzeichnen.

  • Overall Equipment Effectiveness (OEE) ist eine Kenn­zahl, mit der die Wertschöpfung einer Anlage und die Gründe für Störungen bestimmt werden können. Über die Microsoft Azure Cloud geht das schneller als früher über Excel-Tabellen, zugleich werden die zuständigen Mitarbeiter entlastet.

Konsolidierung der SAP-Landschaft

Festo ist SAP-Anwender der ersten Stunde mit Kunden­nummer 27. Mit dem Wachstum hatte sich die Anwen­dungslandschaft verzweigt. Unter Kehls Regie wurde die Konsolidierung der SAP-Finanz-und Logistiksysteme zu je einer Instanz in Asien, Nord-und Südamerika und Europa abgeschlossen, ebenso die Standardisierung und Harmoni­sierung des internen Berichtswesens.

August-Wilhelm Scheer, emeritierter Professor der Universität des Saarlandes und CIO-des-Jahres-Juror: "Herr Dr. Kehl zeigt das Bild eines modernen CIO, der den Spagat zwischen Technik und Business meistert."
August-Wilhelm Scheer, emeritierter Professor der Universität des Saarlandes und CIO-des-Jahres-Juror: "Herr Dr. Kehl zeigt das Bild eines modernen CIO, der den Spagat zwischen Technik und Business meistert."
Foto: Scheer GmbH

Innovations-DNA

"Die strategische Ausrichtung auf Innovationen ist in der DNA von Festo verankert", sagt Kehl, durch die Digitalisierung bekomme sie noch mehr Gewicht. Bei Festo gibt es ein institutionalisiertes Innovations-Management, in dem Teams Dinge ausprobieren dürfen. So sind beispielsweise die mobile Instandhaltung und das Azure-Cloud-OEE entstanden, Kehl nennt auch einen Predictive-Mainte­nance-Pilotversuch und ein Indoor-Navigationssystem für Externe.

Nur mit Innovation lässt sich allerdings kein Unterneh­men betreiben. "Wenn man die Leistungsfähigkeit eines IT-Bereichs beurteilen möchte, dann sollte man auch die vielen Projekte würdigen, die still und leise im Hinter­grund laufen", sagt Kehl. Was hier in den letzten 24 Mona­ten geschafft wurde, hat der CIO in einer Grafik zusam­mengefasst. Sie gleicht einem Wimmelbild.