Konferenz Blockchain Revolution

FedEx-CIO setzt sich für weltweite Blockchain-Standards ein

02.05.2019
Von 
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.
Auf der Konferenz "Blockchain Revolution Global" im kanadischen Toronto machte sich FedEx-CIO Rob Carter für globale Blockchain-Standards stark. Sie lägen auch im Interesse der Regierungen, da der grenzüberschreitende Warenverkehr besser kontrolliert werden könne.
Die meisten Schienen auf der Welt haben eine Spurweite von 1,43 Metern. Solche Standards bräuchte auch die Blockchain-Technologie.
Die meisten Schienen auf der Welt haben eine Spurweite von 1,43 Metern. Solche Standards bräuchte auch die Blockchain-Technologie.
Foto: Harald Biebel - Fotolia.com

Als zum ersten Mal Eisenbahngleise quer durch die westlichen USA verlegt wurden, gab es zunächst acht verschiedene Spurweiten für die Schienen. Jede Bahngesellschaft versuchte, ihren eigenen Standard zu setzen, um den Markt zu dominieren. Ein landesweites, einheitliches Bahnsystem schien unmöglich. Erst der vom US-Kongress 1863 veröffentlichte "Pacific Railroad Act" sorgte dafür, dass sich die Industrie auf eine Spurweite von 1,43 Metern einigte. Heute ist diese "Normalspur" ein Standard, dem sich die meisten Länder und Regionen weltweit angeschlossen haben.

Rob Carter, CIO von FedEx, führte dieses Beispiel an, weil er glaubt, dass etwas Ähnliches passieren muss, damit Unternehmen die Blockchain-Technologie akzeptieren. Theoretisch biete die Technologie eine effiziente, sichere und offene Plattform für den weltweiten Handel. Doch solange proprietäre Plattformen eingesetzt würden, werde es eine Vielzahl technischer und regulatorischer Hindernisse geben, die den Fortschritt behinderten.

Blockchain braucht offene Standards

Robert Carter, CIO des Paket- und Frachtlogistikers FedEx, machte sich für Blockchain-Standards stark.
Robert Carter, CIO des Paket- und Frachtlogistikers FedEx, machte sich für Blockchain-Standards stark.

Laut Carter bedarf es einer Plattform, die auf Open-Source-Software und Industriestandards aufsetzt. So könne überregionale Prozesstransparenz gewährleistet werden, und niemand sei aufgrund seiner Marktmacht und seiner proprietären Standards in der Lage, sich einen unfairen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen.

Carter äußerte sich anlässlich einer Podiumsdiskussion unter CIOs auf der Blockchain Revolution Global Conference in Toronto. "Ich glaube, wir sind jetzt in einem Stadium, in dem um die künftigen Designs gekämpft wird", sagte der CIO. FedEx sei beileibe kein Unternehmen, das ständig nach regulatorischer Kontrolle rufe, aber es gebe Zeiten, in denen Auflagen und Regeln hilfreich und wichtig seien.

Dem CIO zufolge könnten verpflichtende Blockchain-Standards beispielsweise dem Zoll und den Grenzbeamten helfen, Lieferketten nachzuvollziehen, um die Herkunft von Waren schnell und sicher zu ermitteln. So lasse sich beispielsweise die illegale Einfuhr von Arzneimitteln oder auch von gefälschten Medizinprodukten feststellen und unterbinden.

"Wenn ein Paket international verschickt wird, gibt es eine schier endlose Menge an Informationen, die mit der Sendung in Umlauf sind", sagte Carter. "Das ist ein unglaublicher Papierkram, er betrifft zum Beispiel Ursprungszertifikate oder spezifische Lizenzen für bestimmte Waren und Güter. Diese Informationen bewegen sich zum Teil in digitalen und zum Teil in Papierformularen. Doch wir bewegen uns mit unseren Unternehmen in eine digitale Welt. Die Blockchain ist der Ort, an dem sich alles zusammenfügen lässt."

In den vergangenen Jahrzehnten setzten Paket- und Frachtdienstleister bei juristischen Dokumenten für die Zustellung auf Papier, während reine Lieferdaten über Electronic Data Interchange (EDI) übertragen wurden - eine inzwischen 60 Jahre alte Technologie, die keinen Informationsaustausch in Echtzeit unterstützt. Die in den Versandprozess eingebundenen Parteien verließen sich zusätzlich auf den Dokumentenversand via E-Mail, Fax und Kurierdienste, was oft für Chaos sorge.

Weltweite Blockchain-Standards könnten helfen, eine schnelle, einfache und sichere Kommunikation zu etablieren, hofft der CIO. Deshalb hat sich FedEx mit den Wettbewerbern DHL Express und UPS zusammengetan, um solche branchenweiten Standards auszuarbeiten. Alle drei Paket- und Frachtdienste sind heute Mitglieder der "Blockchain in Transport Alliance" (BiTA), einer Branchenorganisation mit inzwischen mehr als 500 Mitgliedern.

Richard Smith, CEO der FedEx-Tochter FedEx Logistics, befasst sich mit dem Management internationaler Lieferketten - also mit den Herausforderungen des grenzüberschreitenden Transports. Seinen Ausführungen zufolge decken sich die Interessen der Logistiker weitgehend mit denen der Politik, etwa wenn es gelte, den Handel mit gefälschten und kopierten Waren einzudämmen. Laut OECD-Berechnungen erreicht dieser Handel jährlich ein Volumen von rund einer Billion Dollar - die Schäden durch die Verletzung geistigen Eigentums sind hier noch gar nicht eingerechnet.

Blockchain sorgt für Authentizität

Laut Smith kann die Blockchain für Regierungsbehörden, Logistiker, Hersteller und Händler die Lösung der Probleme bringen. "Sie schafft Authentizität", so der Chef von FedEx Logistics. "Wenn Sie wissen wollen, ob eine Ware echt oder gefälscht ist - die Blockchain kann Ihnen die Antwort geben!" Die Feststellung der US-Regierung bremse, wonach Blockchain-Technologie sei noch nicht weit genug verbreitet sei, will Smith nicht gelten lassen: "Ihr seid die Regierung! Ihr könnt dafür sorgen, dass sich die Blockchain verbreitet!"

"Warum schlagen Sie nicht einen Pflock ein und sagen, dass in den nächsten fünf Jahren alle Importeure an einer Blockchain partizipieren müssen? Das ist der einzige Weg voranzukommen, ohne den Handel zu beeinträchtigen", fügte der Logistiker hinzu.

Die Diskutanten waren sich einig, dass autorisierte Blockchains Transaktionen transparent und rechtssicher dokumentieren können. Jede zugelassene Instanz im "Ledger", egal ob öffentlich oder staatlich, verfüge in Echtzeit über dieselben Informationen zur Herkunft von Waren in einer Lieferkette und zu deren momentanem Standort. Mit Smart Contracts lasse sich zudem die automatische Verarbeitung elektronischer Dokumente voranbringen, sobald zwischen den Ländern entsprechende Vereinbarungen für den digitalen Grenzverkehr getroffen seien.

Wenn Sensorik und Blockchain Hand in Hand gehen ...

Diese Sensoren werden in FedEx-Sendungen platziert, um Daten zu Temperatur, Vibration, Feuchtigkeit etc. aufzunehmen.
Diese Sensoren werden in FedEx-Sendungen platziert, um Daten zu Temperatur, Vibration, Feuchtigkeit etc. aufzunehmen.

Wie die FedEx-Repräsentanten ausführten, liegt in der Kombination von Sensorik und Blockchain-Technologien ein weiterer Produktivitätshebel. Das Unternehmen experimentiere derzeit mit "sensorgestützter Logistik" und habe einen Proof of Concept entwickelt, bei dem zwei Arten von IoT-Sensoren in der Größe einer Kaugummipackung verwendet würden.

Mit diesen Sensoren verfolgt der Logistiker, ob eine Verpackung beschädigt oder geöffnet wurde, wie hoch die Innentemperatur einer Lieferung ist und welchen Erschütterungen eine Fracht auf ihrer Reise ausgesetzt war. Einer der beiden Sensoren sendet zudem Daten an ein Blockchain-Hauptbuch, wo diese Informationen gleich dokumentiert werden.

Die Blockchain bietet nach Ansicht der FedEx-Manager die Chance, Lieferketten mit vielen involvierten Parteien einzurichten. Schon heute habe kein Unternehmen allein die Lieferketten unter Kontrolle, sagte Eugene Laney, Head of International Government Affairs bei DHL Express. Ein Unternehmen schicke beispielsweise ein Automobilteil mit DHL Express zwecks Montage nach Deutschland. Von dort werde das erweiterte Teil mit FedEx zu einem anderen Werk in Lateinamerika transportiert. Ein dritter Versender wie UPS bringe es von dort nach entsprechender Anpassung zur Endmontage in die USA.

"Wie können wir die dafür notwendigen Informationen erfassen und untereinander sowie mit den verschiedenen Landesbehörden teilen?", fragte DHL-Manager Laney in die Runde. Auch er betonte die Notwendigkeit einer offenen und standardisierten Blockchain, die von den Transportteilnehmern gemeinsam genutzt werden könne.

Übergreifende Zusammenarbeit zwischen Speditionen ist schwierig

Das Tracking und Tracing einzelner Supply-Chain-Transaktionen habe DHL Express im Griff, so Laney. Doch das System gerate ins Wanken, sobald man mit anderen Versendern zusammenarbeite, um Teile oder Produkte an den endgültigen Bestimmungsort zu bringen. Zusammen mit weiteren Schlüsselelementen wie IoT- und RFID-Tags, die an den Verpackungen angebracht würden, könne die Blockchain die Transparenz signifikant verbessern - nicht nur für Spediteure, sondern auch für Kunden, die in Echtzeit überwachen könnten, wie Teile den Fertigungs-Lifecycle durchlaufen.

Mahesh Sahasranaman, Principal Architect für Supply-Chain-Lösungen bei UPS, forderte, dass die Logistiker endlich über ihren Schatten springen und sich auf Standards einigen müssten. "Für mich liegt der Schlüssel darin, dass diese von der Mehrheit der Teilnehmer akzeptiert werden." Dann seien sie stabil genug, um entsprechende Anwendungen darauf aufzusetzen.

FedEx, DHL Express und UPS sehen sich mit ihrem Anliegen, öffentliche Blockchain-Standards voranzutreiben, im Einklang mit den Interessen der Regierungen. Diese seien von Steuern und Abgaben abhängig und wollten diese ohne überbordenden bürokratischen Aufwand auch auf internationale Sendungen erheben. Gleichzeitig wollten sie Kriminalität und Missbrauch bekämpfen. Hinzu komme, dass es einfacher werde, Raubkopien, giftiges Spielzeug oder andere illegale Waren nicht ins Land zu lassen.