Es ist wie im Fußball: Auch in der IT will der FC Bayern die Maßstäbe selbst setzen. Er kann dafür mehr Geld in die Hand nehmen als andere, und er achtet mit größerem Erfolg darauf, dass es gut ausgegeben ist. Für Michael Fichtners Projekt "FC Bayern - Digital 4.0 | Umsetzung der IT-Strategie" leistete sich der Verein ein eigenes Rechenzentrum in der Münchner Allianz Arena, das im Mai 2016 den Betrieb aufnahm. So konnte Fichtner die Vereins-IT in einer Weise zentralisieren, die sie von Outsourcing und von Dienstleistern unabhängig machte.
Er brauchte dafür in der Hochphase zehn interne und 40 externe IT-Mitarbeiter. Nach 18 Monaten war die Digitalisierung abgeschlossen - davon abgesehen, dass sie nie abgeschlossen sein wird: Die digitalen Angebote des Vereins sieht Fichtner als "ständige Betalösungen", die immer wieder neu für die Fans, die Partner und den Markt modifiziert werden.
32 Teilprojekte
Eigentlich ist "FC Bayern - Digital 4.0" eine Sammelbezeichnung für 32 Teilprojekte in vier Hauptprojekten: Das "Zentrale Management der Fandaten (Kundendaten)" war ein Datenbereinigungs- und Konsolidierungsprojekt. Zu Beginn waren Fandaten in 52 Fremdsystemen gespeichert, Marketing- und Kampagnendaten in einem eigenentwickelten CRM-System. Fichtner und seine Mitarbeiter entfernten, überwiegend maschinell, die Dubletten und führten SAP CRM als Leitsystem ein. So entstand ein wachsender Stamm an "Golden Customers", über die der Verein redundanzfreie Daten hat.
Fans und Kunden können nun 65 digitale Rollen annehmen, zum Beispiel als Mitglied, Dauerkarteninhaber oder Basketball-Interessent. Ziel ist, auch den Fans, die die Fußballspiele nicht live sehen können, "maßgeschneiderte Services" anbieten zu können. Von den 52 Fremdsystemen waren am Ende nur noch drei übrig. Für dieses "Integrationsprojekt" mussten Fichtner und sein Team die Anforderungen aus den beteiligten zwölf Fachbereichen möglichst genau erfassen. Deren Leiter waren in einen Lenkungskreis eingebunden, zudem konnten ausgewählte Key User operative Entscheidungen treffen.
"Businesskritische Szenarien & Mobile Lösungen", das dritte Hauptprojekt, verbesserte das Stadion-Management an den Spieltagen ("Connected Stadium"). Probleme gibt es, wenn sich zum Beispiel an Zutrittssystemen, Kassen und in Parkhäusern mehr Menschen drängen als verträglich. Entsprechende Daten wurden früher alle 15 Minuten manuell verschickt. Jetzt geht das minütlich automatisch, und wenn die aktuellen Daten die festgelegten Referenzwerte überschreiten, bekommt das Stadion-Management, ebenfalls automatisch, eine Alarm-SMS.
Als Nächstes sind Personenzählungen geplant, die der Polizei, Feuerwehr und den Rettungskräften im Krisenfall helfen. Zum vierten Hauptprojekt "Systembetrieb & Internationalisierung", das den Systembetrieb von Dienstleistern unabhängig machte, gehörte ein redundantes zweites Rechenzentrum, falls es in der Allianz Arena zu Störungen kommt.
Die Abkehr von der Wasserfallmethode erlebte Fichtner "als Herausforderung und zugleich als Schlüssel zum Erfolg". Das sieht auch CIO-des-Jahres-Juror Günther Schuh (RWTH Aachen) so und lobt den Scrum-Ansatz.