Wer CIO des Jahres werden möchte, wird im Bewerberfragebogen eingeladen, sein wichtigstes Projekt aus den letzten beiden Jahren zu nennen. Bettina Uhlich, CIO, Head of Global IT & Processes bei Evonik, führte an dieser Stelle gleich drei Projekte an: "PROVE" (seit 2010), "Transformation der IT" (seit 2013) und "IT-Plattformen für Digitalisierung von Produkten, Prozessen, Produktion, People (D4P)" (seit 2015).
Das gibt Sinn, denn die Projekte hängen zusammen und bauen aufeinander auf. Sechs Jahre für alle drei Vorhaben scheinen angesichts der Dimensionen wenig: Evonik bedient mit seinen chemischen Materialien und Lösungen so unterschiedliche Branchen wie die Nahrungsmittel-, Konsumgüter-, Auto-, Bau- und Agrarindustrie in mehr als 100 Ländern. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 33.000 Mitarbeiter, neun von zehn sind IT-Anwender. Die IT dieses Unternehmens gilt es zu transformieren - Uhlich und ihre ungefähr 900 IT-Mitarbeiter beweisen langen Atem.
Überblick und Transparenz
PROVE (Process & Value Excellence) galt dem Aufbau eines konzernweiten Prozess-Managements. Die Kerngeschäftsprozesse wurden den Best Practices angepasst, ein konzernweites Stammdatenmodell wurde etabliert. Für solche Projekte ist die IT auf die Fachbereiche ebenso angewiesen wie umgekehrt. So waren es letztlich mehr als 4000Projektmitarbeiter, über die Uhlich den Überblick behalten musste. Standardisierung und verordnete Transparenz dürften Diskussionen hervorgerufen haben, trafen sie doch, geschichtlich bedingt, auf eine dezentrale Konzernkultur: Über Jahrzehnte hinweg hatte es viele Fusionen, Übernahmen und Umfirmierungen gegeben, bevor die Evonik AG im Jahr 2007 als "weißer", für Spezialchemie zuständiger Bereich von der RAG abgetrennt wurde.
Neue Aufgaben
Die Transformation der IT entsprechend den neuen Prozessen beschäftigte etwa 100 IT-Mitarbeiter. Die Bestands-IT wurde umfassend überprüft, dann wurden rund 80 Maßnahmen eingeleitet, um die IT langfristig auf den globalen Wettbewerb auszurichten. Serviceprozesse wurden in einer konzernweiten IT-Service-Management-Plattform standardisiert, die IT-Governance wurde verschlankt, die Architektur konsolidiert.
Uhlich und ihr Team führten Hybrid Cloud, Virtualisierung, Office 365 und Agile Network Solutions als Leittechniken ein. Viele IT-Mitarbeiter mussten Kenntnisse für neue Aufgaben aufbauen. Auch Anwender auf der Business-Seite hatten sich an veränderte Abläufe zu gewöhnen.
Digitaler Mindset
Mit dem Aufbau von Digitalisierungsplattformen, dem dritten Projekt, befassen sich etwa 50 IT-Mitarbeiter. 25 Leuchtturmprojekte sind abgeschlossen. Wie anderswo geht es bei Evonik um die Digitalisierung des ganzen Unternehmens, ohne die es nicht überleben könnte. Auf allen Ebenen hofft Uhlich auf "digitalen Mindset". CIO-des-Jahres-Juror Professor Thomas Hess, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien an der LMU München, lobt "die weitreichenden Veränderungen im ganzen Konzern, welche die IT erreicht hat und auch weiterhin zu erreichen beabsichtigt". Die transformierte Evonik-IT ermögliche viele neue digitale Geschäftsprozesse. Da IT nicht zu den klassischen Kernkompetenzen der Chemie-Industrie zählt, sei das "bemerkenswert".
Intern wurden alle drei Projekte Uhlichs als strategische Konzernprojekte eingestuft, die die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern sollen.