Datenschutz & Anonymität im Netz

Europäische Suchmaschine: Die Rettung?

Kommentar  06.12.2016
Von 
Stefan Fritz ist Senior Vice President im CANCOM-Konzern und Experte für faire digitale Plattformen. Seine Leidenschaft ist die Entwicklung und Umsetzung von As-a-Service-Geschäftsmodellen für die digitale Welt von morgen.
Welche Daten über uns erfassen Suchmaschinen und wie wirkt sich das auf Suchergebnisse und angezeigte Inhalte aus? Was könnte eine europäische Suchmaschine besser machen?

Die bekannten Suchmaschinen, allen voran Google - aber ebenso Bing und Yahoo - sind Datenkraken, die versuchen, unsere Netz-Aktivitäten möglichst genau und geräteübergreifend zu erfassen. Die meisten Nutzer können die konkreten Auswirkungen dieser Datensammlung nicht abschätzen, da die Gefahr abstrakt und nicht sichtbar ist. Durch anmeldepflichtige Dienste wie Web-Mail und andere "Annehmlichkeiten" ist es den Anbietern möglich, ein konkretes, geräteübergreifendes Profil von jedem ihrer Nutzer zu erstellen. Dabei nutzen die Dienste verschiedene Rechner, Tablets und Smartphones als sich ergänzende Datenquellen für die Zusammenstellung unserer digitalen Identität. Folgende Links geben einen kleinen Einblick, welche Daten ein Anbieter wie Google eigentlich sammelt:

Daten für die Werbewirtschaft

Mit diesen Informationen lässt sich vor allem die Werbung, die uns nicht nur bei Google, sondern über Ad-Netzwerke auch auf anderen Webseiten angeboten wird, sehr genau an unsere Interessen und Vorlieben anpassen. Die Anbieter preisen das als verbraucherfreundliches Feature an: Die Werbung ist ja besser auf mich zugeschnitten und interessiert mich damit wirklich. Den Anbietern geht es bei dieser Personalisierung um die Maximierung von Gewinn: Je höher die Konversion, also je mehr Klicks der Nutzer ausführt, desto höher ist der eigene Umsatz mit den Werbetreibenden. Dahinter steckt die Denkweise: Werbung ist in diesem Kontext sowieso unabwendbar, daher sollte ich mir als Nutzer besser direkt möglichst passende Werbung anssehen. Doch diese Meinung muss man nicht teilen.

Ein Angriff auf unsere Demokratie

Ein Nebeneffekt dieser Logik ist die sogenannte Filterblase: Weil ein Dienstanbieter meine Präferenzen und Intentionen erfasst, erhalte ich nicht nur gezielte Werbung, sondern auch die Inhalte selbst. Etwa bei den Suchergebnissen, die ebenfalls auf meine Präferenzen abgestimmt sind. Die Folge: Jeder Nutzer lebt in seiner eigenen, kleinen Welt und erhält die - per Algorithmus - auf seine Interessen abgestimmten Informationen. Daraus erwächst eine massive Einschränkung der Diversität und Pluralität einer Gesellschaft, die ganz klar unsere demokratischen Werte angreift.

Zu guter Letzt sei erwähnt, dass eine Aufzeichnung von Orten und Aktivitäten in unseren europäischen Demokratien dem Staat vorbehalten ist. Dieser muss dazu im Einzelfall einen richterlichen Beschluss einholen, den er nur bekommt, wenn ein begründeter Verdacht auf eine schwere Straftat vorliegt. In der digitalen Welt stimmen wir durch das Akzeptieren der Geschäftsbedingungen einem solchen Vorgehen zu und denken, dass wir ja keine andere Wahl haben. Doch genau die haben wir!

Solche Daten werden natürlich nicht nur von Suchmaschinen, sondern auch von den Werbenetzwerken und jedem anderen Dienst gesammelt. Aber da wir eben unsere Suchanfragen, also unsere gerade aktuellen Intentionen, dort eingeben, hat der Datenschutz bei Suchanfragen eine besondere Bedeutung.

Was würde besser mit einer europäischen Suchmaschine?
Was würde besser mit einer europäischen Suchmaschine?
Foto: BeeBright - shutterstock.com

EU liefert digitale Infrastruktur?

Eine Möglichkeit zum Schutz vor solchen Übergriffen auf unsere privaten Daten wäre eine europäische Suchmaschine, finanziert durch die EU. Doch auch der deutsche Staat hat sich in den letzten Jahren nicht gerade durch den aktiven Schutz der Daten seiner Bürger hervorgetan. Könnten wir einer staatlichen Stelle also vertrauen?

Andererseits waren wesentliche Infrastrukturen, die Monopol-anfällig sind oder waren, seit ehedem in staatlicher Hand: Das Eisenbahnnetz, die Telefonnetze bis vor zwanzig Jahren und die Wasserversorgung sind Beispiele, bei denen jeder von uns aus anderen Gründen aufschreien wird. Der Gedanke, grundsätzlich Teile der digitalen Infrastruktur - und dazu gehören aktuell auch Suchmaschinen - durch Stiftungen, demokratische Instanzen wie die EU oder ähnliche - über den Verdacht der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen erhabene - Institutionen betreiben zu lassen, bietet auf jeden Fall eine Menge positiver Chancen. Und wir sollten anfangen, diese zu diskutieren. Denn der Schutz der Daten ist in einer streng marktwirtschaftlich ausgerichteten Welt schwer zu erreichen, solange die gesetzlichen Regelungen so schwach sind, wie es aktuell der Fall ist.

Suchmaschinen-Alternativen für Verbraucher

Schon längst hat sich eine Reihe von Optionen gebildet, die eine echte Alternative beim Thema Suche im Internet unter Einhaltung des Datenschutzes bieten. Die wohl bekannteste Alternative ist DuckDuckGo - eine US-amerikanische Suchmaschine (die aber nicht aus dem Silicon Valley stammt). DuckDuckGo ist nach eigenen Angaben "die Suchmaschine, die Sie nicht verfolgt". Sehr interessant ist, wie die Verbreitung von DuckDuckGo im Laufe der Zeit und unter den verschiedenen Stationen des Vertrauensmissbrauches (etwa die Snowden-Affäre) stark an Popularität gewonnen hat.

Aber auch Europa hat Alternativen hervorgebracht, für all diejenigen, die sich nicht auf US-Optionen (Patriot Act) verlassen wollen: Aus Frankreich kommt Qwant, eine wie Google und DuckDuckGo universelle, eigenständige Suchmaschine, die seit 2014 auch auf dem deutschen Markt unterwegs ist. Seit der Kooperation mit Firefox steigen auch bei Qwant die Benutzerzahlen deutlich an. Ebenfalls aus Frankreich kommt Exalead. Daran merkt man auch, dass unseren französischen Nachbarn nationale Alternativen wichtiger sind als den meisten deutschen Nutzern. In Deutschland ist nur DeuSu mit einem eigenen Suchindex - aber sehr geringem Bekanntheitsgrad - unterwegs.

Ein anderes Konzept verfolgen die Metasuchmaschinen, die mehrere andere Suchmaschinen anfragen und die Daten für den Nutzer aggregieren: Bekanntes Beispiel hierfür ist Ixquick aus den Niederlanden. Hier wird die Suchfunktion bei Yahoo, Gigablast und Yandex (und früher auch Google) eingekauft und dann anonymisiert. Aus Deutschland ist in dieser Kategorie Unbubble am Start. Man erhält also Ergebnisse von mehreren Suchmaschinen, ohne sich Sorge um seine Daten-Spur machen zu müssen. Finanziert wird das Konzept über eine eigene Vermarktung von Werbeplätzen. Weitere Beispiele für Metasuchmaschinen sind: Wegtam, schon seit 2004 unterwegs und ebenso wie MetaGer aus Deutschland.

Darüber hinaus gibt es einige Spezialsuchmaschinen, die ebenfalls den Schutz der persönlichen Informationen und der Verfolgbarkeit betonen, und sich dabei auf spezielle Felder konzentrieren:

Das ist nur ein kleiner Auszug aus einem riesengroßen Universum! Ein weiteres sehr interessantes Feld: P2P-Suchmaschinen wie Yacy und Faroo. Sie gehen noch ein Stück weiter und vermeiden eine zentrale Infrastruktur. Peer-to-Peer-Suchmaschinen achten nicht nur auf den Schutz der Nutzer in Bezug auf Anonymität und Datenspuren. Sie wollen auch beim Suchindex unabhängig sein. Die Kriterien für den Suchindex bestimmt der Betreiber. Durch die Vernetzung der verschiedenen dezentralen Suchindizes entsteht ein gegen Zensur extrem unanfälliges System. Dies ist ein weiteres Feld, das uns Nutzern eigentlich wichtig sein müsste, wenn wir unsere informationelle Selbstbestimmung wirklich ernst nehmen.

Fazit: Wir haben die Wahl!

Was wir also brauchen, ist ein stärkeres Bewusstsein unter uns Nutzern! Suchmaschinen, die uns nicht nachspionieren und korrekt mit unseren Daten umgehen, gibt es genug. Wir müssen sie nur nutzen. Ob es dennoch sinnvoll sein könnte, eine breit finanzierte, europäische Suchmaschine zu etablieren, können wir dann an Stammtischen, in Foren oder auf Facebook diskutieren. Hauptsache wir nutzen nicht mehr wie die Lemminge die eine große Suchmaschine, die es geschafft hat, sich sogar einen festen Platz in unserer Sprache zu sichern. (fm)