Bei Blockchain denken die meisten zuerst an Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum. Auf der Suche nach weiteren praktischen Einsatzfeldern der Blockchain-Technologie sind im B2B-Umfeld nun auch ERP-Systeme in den Mittelpunkt gerückt.
Eine Blockchain bietet vor allem eine sichere, nachträglich nicht mehr veränderbare Speicherung von Daten. Deshalb rücken in Unternehmen verschiedene Einsatzbereiche in den Blick. Ein Beispiel ist die Chargenrückverfolgung in der Prozessindustrie, bei der die Produktionschargen auf Erzeuger, Inhaltsstoffe oder auf besondere Herstellprozess- und Produktmerkmale zurückgeführt werden müssen. Sie müssen zudem revisionssicher und lückenlos dokumentiert sein, damit im Fall eines Qualitätsmangels ein schneller Rückruf möglich ist.
Manipulationssichere Lösungen
Oder die Archivierung nach den "Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" (GDPdU) in der Finanzbuchhaltung. In diesem Fall stellt eine "private", rein unternehmensinterne Blockchain eine unveränderliche und manipulationssichere Lösung dar, welche alle Daten der Organisation speichert und vorhält. Der Nutzen: Die aufgezeichneten Daten werden transparent und auditierbar. Denn Blockchains lassen sich aufgrund ihrer Struktur - durch kryptografische Verfahren und verkettete Blöcke - nachträglich nicht mehr ändern.
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Allerdings stellt sich hierbei die Frage nach dem grundsätzlichen Bedarf für Blockchain. Wozu braucht ein Unternehmen eine weitere Datenebene, steht doch mit einem ERP-System bereits eine zentrale, koordinierende Instanz als Garant für Datenkorrektheit und Integrität zur Verfügung? Zumindest innerhalb eines Unternehmens bietet ein ERP mit seiner gesicherten Datenbank grundsätzlich schon jene Vorteile, die Blockchain verspricht: Transparenz, Auditierbarkeit und Sicherheit. Mit Blick auf das ERP-System eines einzelnen Unternehmens bieten Blockchain-Technologien also keine nennenswerten Vorteile.
Weitet man den Blick über die Unternehmensgrenzen auf die Supply Chain mit Partnern und Lieferanten, sieht es etwas anders aus. Gerade bei sensiblen Produkten, die zum Beispiel gekühlt werden müssen, ist ein Ende-zu-Ende-Überblick über die kompletten Lieferketten wichtig, aber wegen verschiedener IT-Systeme oder Medienbrüche oft nicht möglich. Mit einer dezentralen Blockchain hingegen würden sich auch unternehmensübergreifende Kühlketten, etwa im Lebensmittel- oder Pharma-Umfeld, lückenlos dokumentieren lassen. In diesem Fall schreiben smarte und mit dem Internet verbundene Temperatursensoren die jeweils aktuelle Temperatur eines Transportguts entlang der Lieferkette in eine Blockchain. So können nachträgliche Manipulationen ausgeschlossen werden.
Hier könnte ein Distributed Ledger jene zuverlässige und übergreifende Datenhaltung und -verwendung ermöglichen, die es heute zumeist nicht gibt. Eine Blockchain schafft hier eine dezentrale "single source of truth", die alle Geschäftspartner integriert und die Lieferkette durchgängig transparent macht. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass solche Supply-Chain-Lösungen oft von einer zentralen Institution wie etwa einem Branchenverband initiiert und betrieben werden. Die Lösung wäre dadurch wieder ein "zentrales" System, das die Nichtveränderbarkeit der Daten auch ohne Blockchain-Technologie sicherstellen könnte.
- Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild). - Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen. - Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain. - Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden. - Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic. - BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie. - Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen. - Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen. - R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können. - Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.
Blockchain, KI, ERP und Industrie 4.0
Beim Thema Automatisierung von Prozessen spielt künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle. Hier ist im ERP-Kontext vor allem das maschinelle Lernen (ML) relevant. ERP-Systeme eignen sich generell für eine solche Nutzung, bieten sie doch die strukturierten Daten, mit denen sich solche ML-Modelle trainieren lassen - zum Teil angereichert durch externe Informationen wie etwa Markt-, Wetter- oder Social Media-Daten.
Seitens der Blockchain lassen sich durch Regelwerke, sogenannte Smart Contracts, zudem geschäftliche Transaktionen innerhalb und außerhalb des Unternehmens automatisieren - vorausgesetzt, die Vertragspartner sind Teil derselben Blockchain. Ziel ist es hier, große Mengen an manuellen und zeitaufwändigen Aufgaben einzusparen und gleichzeitig die Sicherheit der Abläufe zu erhöhen.
Lesetipp: Verträge ohne Notar? Smart Contracts via Blockchain
Kann so aus der Kombination von Blockchain, KI und ERP ein "Framework" für Industrie 4.0 entstehen? Etwa in der Form, dass Smart Contracts in der Blockchain die Regeln eines Unternehmens abbilden, zum Beispiel in der Produktion und für die Maschinen. Ergänzend erstellen und optimieren KI-Entscheidungsverfahren anstelle von Menschen/Programmierern die dafür notwendigen Regeln. Und nicht zuletzt liefert das ERP gleichzeitig die gesamte Betriebswirtschaft sowie die Schnittstellen zu Kunden und zu digitalen Plattformen.
Eine Herausforderung in diesem Szenario besteht darin, dass Blockchains nur begrenzt skalierbar sind. Ihre Geschwindigkeit ließ zudem oft zu wünschen übrig - etwa durch komplexe Mining-Verfahren.
Zum Vergleich: Die Block Time, also das Erstellen eines neuen Blockchain-Elements, beträgt bei Bitcoin rund zehn Minuten und bei Ethereum zehn bis 19 Sekunden. Für das Zahlen kleinerer Beträge (Micropayment) ist die Blockchain daher nicht geeignet. Abhilfe schafft hier die nächste Evolutionsstufe von Blockchain 3.0, bei der die Geschwindigkeit mittlerweile hoch genug ist, damit sich auch Mikrotransaktionen in großem Umfang umsetzen lassen.
Von der Technologie zum Industrie 4.0-Framework
Damit wird Blockchain jetzt auch nutzbar für die IoT- und M2M-Kommunikation in der Produktion - etwa im Industrie-4.0-Kontext beim Kauf von Rohstoffen und dem Verkauf fertiger Produkte direkt durch die Produktionsmaschinen. Prinzipiell können die beschriebenen Blockchain- und KI-Szenarien - gerade auch in Kombination miteinander - Produktionsunternehmen daher befähigen, weitgehend autonom und unabhängig von menschlichem Eingreifen am Wirtschaftsgeschehen teilzunehmen.
So lassen sich heute von der technologischen Seite her umfassende Industrie-4.0-Frameworks vorstellen, die auf einer Kombination von Blockchain, KI und ERP beruhen. Fakt ist aber auch: Die Digitalisierung in der Produktion hat sich in den vergangenen Jahren erst einmal auf mehr singulären und einfach erzielbaren Nutzen konzentriert: vom Internet of Things über mobile Lösungen bis hin zum Location Tracking. Als Ganzes gleicht Industrie 4.0 damit in den meisten Unternehmen noch eher einem digitalen Flickenteppich aus Insellösungen. Der Weg zu integrierten "Decentralized Autonomous Organizations" (DAOs) ist daher noch sehr weit. (bw)