Womit verdiene ich morgen mein Geld?

Erfolgreiche Unternehmen müssen sich wandeln – nicht erfolgreiche erst recht

20.01.2014
Von 
Michael Fuchs ist promovierter Wirtschaftsinformatiker. Sein beruflicher Werdegang ist durch SAP geprägt. In 25 Jahren sammelte er vielschichtige Erfahrungen zunächst als SAP-Anwender in Konzernen wie der AEG oder FAG Kugelfischer. Danach arbeitete er als SAP-Partner und –Konkurrent bei der IDS Scheer und Accenture. Schließlich war er bei der SAP selbst in verschiedenen Rollen sowohl für das Software-Geschäft als auch das Consulting verantwortlich. Zuletzt verantwortete er das gesamte SAP-Consulting-Geschäft in DACH.
Diese alles entscheidende Frage eines jeden Selbständigen rückt elementarer denn je auch in den Mittelpunkt von Entscheidern klassischer Industrieunternehmen.

Zwar ist das nicht neu, und natürlich stellt sich jeder Verantwortliche die Frage des wirtschaftlichen Fortbestehens des ihm anvertrauten Unternehmens permanent, allerdings ändert das digitale Zeitalter die Rahmenbedingungen grundlegend.

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Händler sichern ihr Fortbestehen nicht mehr nur durch die Handelsmarge des Umsatzes sondern durch geschickt verhandelte Zahlungsziele; Automobilhersteller agieren als Finanzdienstleister oder Versicherer; Telekommunikationsunternehmen verkaufen Strom; Logistiker vermieten Rechnerkapazitäten; Apotheken veräußern Kundendaten, …. Kaum ein (Branchen-) Stein bleibt auf dem anderen, reines Branchenverständnis war gestern. Das ursprüngliche Geschäftsmodell dient oftmals nur noch als Türöffner oder physisches Vehikel für digitales Geschäft.

Nur damit wir uns richtig verstehen, gemeint sind nicht etwa Unternehmen die klassisch diversifizieren und in unterschiedlichen Geschäftsfeldern, also parallel mit unterschiedlichen Wertschöpfungsprozessen im Markt agieren. Gemeint sind Unternehmen, die ihren originären Wertschöpfungsprozess ergänzen, erweitern oder komplett neu erfinden.Dieser Unterschied ist wichtig, denn darin liegt die wahre Herausforderung: Wie erkenne ich neue Potenziale und wie transformiere ich ohne mein aktuelles Geschäft zu gefährden?

Zugegeben, man muss nicht gleich auf jedes neue Pferd setzen - das hat nicht zuletzt die Internet-Blase zum Jahrtausend-Wechsel gezeigt - allerdings ist seither viel passiert. Alles was ein Unternehmen im Markt unternimmt ist heute sofort transparent, und das global. Geschäftsideen werden schneller und hemmungsloser geklont als jemals zuvor. Die globale Konkurrenz ist stets präsent und gemeinerweise nicht nur aus der eigenen Branche.

Man denke nur an jüngste Beispiele wie Zalando. Die ehemaligen Gründer eines Klingelton-Anbieters engagieren sich nun im Online-Versandhandel für Schuhe und Mode. Sie bringen neben Geld vor allem Know-how im Managen und Betreiben einer Online-Plattform mit. Damit setzen sie die Geschäftsmodelle der Etablierten gehörig unter Druck und machen ihnen Marktanteile streitig. Auch wenn Zalando noch keine schwarzen Zahlen schreibt, so lag der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr doch bereits bei über einer Milliarde Euro - das hatte sich Otto so sicherlich nicht gedacht…

Auf den Punkt gebracht hat jedes Geschäftsmodell seine Zeit und die Zyklen werden dank digitaler Möglichkeiten immer kürzer! Das ist es was wirklich neu ist: die globale Transparenz und die sich radikal verkürzenden Zyklen der Vermarktung sind Realität.

Was bedeutet dies nun für das jeweilige Unternehmen? Wenn sich Geschäftsmodelle wie beschrieben ändern, dann geht das nicht mit denselben Wertschöpfungsprozessen. Flexibilität ist gefragt - Ballast muss abgeworfen werden. Wettbewerbsfähige Unternehmen zeichnen sich durch schlanke und vor allem flexible Prozesse aus. Eine ausgeprägte Prozesstiefe ist eher hinderlich. Me-too-Prozesse, die keinen Wettbewerbsvorteil begründen, müssen standardisiert und reduziert, wenn möglich gar eliminiert oder zumindest ausgelagert werden. Es gibt mittlerweile genügend Dienstleistungsunternehmen die ganze Prozesse seriös übernehmen und betreiben. Das gilt nicht nur für IT-Prozesse sondern erstreckt sich über die ganze ERP-Prozess-Landschaft! Je standardisierter die Prozesse sind, umso einfacher.

Eine weitere Herausforderung liegt in aller Regel in der IT. Nicht selten sind Systeme über Jahrzehnte "gewachsen" und verhindern eher Standardisierung und Flexibilität. Das ist fatal! Die IT darf nicht der Verhinderer von Geschäft sein. Sie muss ein Unternehmen voranbringen und evolutionäre Geschäftsmodelle stützen. Es gilt hier der klare Appell an das Management die Chancen der IT zu nutzen und sie nicht als Kostentreiber abzustempeln. Das schließt die Rolle des CIOs untrennbar mit ein. Er muss als Partner des Business eine strategische Rolle im Unternehmen spielen, nur dann wird die digitale Information zur Kraft!

Schließlich nützen weder schlanke Prozesse noch performante Systeme, wenn die Organisation dafür nicht bereit ist - mit der Governance steht und fällt die Fähigkeit zum Wandel. In den "guten alten Zeiten" waren Experten unantastbar - das verhinderte Wandel! Ausgesprochene Branchenexperten sind selten gute Transformationsratgeber. Gerade das bewusste Sprengen von eingespielten (oftmals eingefahrenen) Teams bringt Kreativität und neue Ideen ins Unternehmen zurück. Branchenfremde Experten und offene Kommunikationsstrukturen sind von Nöten.

Es stellt sich die Frage wie Unternehmen darauf reagieren, oder noch besser, sich proaktiv auf den Wandel durch Digitalisierung einstellen.

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Das Erkennen von Symptomen und die Erkenntnis möglicher Therapien machen noch keinen gesunden Menschen. Der Weg ist das Ziel und ähnlich wie ein kränkelnder Organismus einen Ratgeber (Arzt) braucht, ist das Unternehmen alleine überfordert. Zu viele Beispiele aus der industriellen Historie belegen das eindrucksvoll. Wohl kaum jemand hätte gedacht, dass unsere Kinder so ehemals namhafte Firmen wie Nixdorf oder DEC höchstens noch aus unseren Erzählungen an kalten Winterabenden kennen - dabei waren diese Firmen einst Pioniere und Aushängeschilder ihrer Branche.

Nicht anders wird es wohl so geläufigen Brands wie Loewe, Schiesser, Schlecker, Arcandor, oder Solarworld ergehen. Keiner weiß was aus Blackberry oder Nokia wird und wie Energieriesen wie RWE und E.ON der "plötzlichen" Konkurrenz durch erneuerbare Energien standhalten. Über die wahren Gründe von Unternehmenskrisen lässt sich sicher trefflich streiten. Fest steht aber, keine Branche ist davor sicher und das Festhalten an falschen Überzeugungen führt zu Betriebsblindheit. Das Aussitzen von Krisen und sich Ausruhen auf Lorbeeren konnte man sich schon gestern nicht leisten - heute führt es unweigerlich in die Pleite.

Zusammenfassend steht der Appell für Nachhaltigkeit. Singuläre Maßnahmen zur Wettbewerbsfähigkeit scheitern oder helfen nur vorübergehend. Es geht darum, Prozesse dauerhaft zu verschlanken und ständig auf den Prüfstand zu stellen. Flexibilität ist das Ziel. Die IT muss an ihrer Effizienz und ihrem Beitrag zur Innovation gemessen werden, und die Governance im Unternehmen muss Offenheit und Querdenken honorieren.

Ich habe hohe Zuversicht in den viel zitierten deutschen Ingenieursgeist. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass in diesen digitalen Zeiten das Unternehmen allein mit der Komplexität der globalen Märkte und der Geschwindigkeit täglich neu entstehender Geschäftsmodelle und Konkurrenzsituationen überfordert ist. Professionelle Unterstützung ist unumgänglich. Deshalb werde ich in den Folgeartikeln schwerpunktmäßig die Themen Software und Beratung in den Mittelpunkt stellen. Die IT als Verhinderer oder Treiber von Evolution und die Beratung als branchenübergreifende Instanz die einem den Spiegel vorhält. Nicht dass es am Schluss noch so wie in der Werbung für die Gelben Seiten heißt: "Ach hätten wir doch jemanden gefragt der etwas davon versteht…"!