Es gibt Revolutionäre, die wissen gar nicht, wie weit sie ihrer Zeit voraus sind. Einer davon war bereits 2011 Thierry Breton: Der Vorstandschef des Beratungsriesen Atos verkündete auf der CeBIT, sein Unternehmen werde sich mittelfristig von E-Mails als Kommunikationskanal verabschieden: Zu viel Junk, zu viele Nebensächliches, zu viel von allem. Und als Folge dessen eine immense Zeitverschwendung.
Atos hatte ausgerechnet, dass seine Führungskräfte sich 20 Stunden pro Woche mit ihrer elektronischen Post beschäftigen. Vierzig Prozent der Angestellten wateten täglich zwei bis drei Stunden hüfthoch durch ihre Postfächer, um jene zwei bis drei Schreiben herauszuwühlen, die (vielleicht) wichtig sind.
Damit soll Schluss sein. Das Programm "Zero E-Mail" will zumindest den internen elektronischen Postverkehr gänzlich abschaffen - irgendwann. Atos und sein Chef Thierry Breton ernteten von Beginn an - abgesehen von einigen kritischen Stimmen - viel Bewunderung für Mut und Entschlossenheit. Schließlich ging die E-Mail, jenes ach so praktische Default-Kommunikationstool, ungefähr dem halbem Planeten ähnlich auf den Wecker wie dem Atos-Chef. Und das, obwohl 2011 noch fast niemand über den gravierendsten Nachteil des elektronischen Postversands diskutierte.
Fast niemand - abgesehen vielleicht von den Dauer-Paranoikern des Chaos Computer Clubs - erregte sich darüber, dass die Mailkommunikation ebenso ungeschützt ist wie der übrige Internet-Datenverkehr. Dass diese Kommunikation zum größten Teil über einen einzigen Knotenpunkt in Frankfurt abgewickelt wird. Ein unschätzbarer Vorteil - für Geheimdienste und alle anderen, die gerne mitlesen.
Breit diskutiert über die Gefahren einer offenen, weltweit vernetzten Kommunikation wird erst seit der NSA-Affäre. Und auch jetzt standen E-Mails keineswegs ganz oben auf der Agenda. Weil die wenigsten Unternehmen wagen, einen E-Mail-Verzicht á la Atos zu fordern. Das hat stattdessen jetzt Jacob Appelbaum getan. Der Sicherheitsexperte, Internetaktivist und Hacker ist Teil des Tor-Projekts, eines Netzwerks zur Anonymisierung von Verbindungsdaten. Appelbaum ist von US-Behörden häufig kontrolliert und auch verhört worden. Er lebt in Berlin, weil er sich in den USA nicht mehr sicher fühlt.
Wandel muss in den Köpfen stattfinden
Genau dort, in der deutschen Hauptstadt, hat er die Abschaffung der E-Mail-Kommunikation gefordert. Weil es für die NSA viel zu einfach sei, elektronische Post nach Belieben mitzulesen. Nachrichten, die auf Servern von Providern nur darauf warten, von wem auch immer abgerufen zu werden, das sei Privatsphäre auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts, so Appelbaum. Eine flächendeckende Verschlüsselung hält er für nicht praktizierbar. "Das Verschlüsselungsverfahren PGP ist leider keine Alternative, weil es nicht hundertprozentig sicher und zudem ein Alptraum in Sachen Benutzerfreundlichkeit ist." Appelbaum plädiert dafür, die E-Mail ganz abzuschaffen.
- 1. Verfassen Sie Ihre E-Mails knapp und präzise.
Alles was mehr als zwei Seiten umfasst, gehört in eine angehängte Datei. - 2. Überprüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik.
In den meisten E-Mail-Systemen gibt es entsprechende Funktionen. Da dies bekannt ist, werden entsprechende Fahrlässigkeiten übel genommen. Fehler suggerieren: Der Autor hat sich entweder für mich keine Zeit genommen oder er ist ein Schlendrian. - 3. Beantworten Sie E-Mails schnell.
Reaktionsschnelligkeit ist einer der entscheidenden Vorteile von elektronischer Post. Vor allem auf erwartete Messages sollte zügig geantwortet werden. Wenn man nicht gerade extrem beschäftigt ist, sollte man den Posteingang mehrmals täglich checken. Allerdings ist es nicht nötig, die automatische Benachrichtung (Auto Notify) zu jeder eingehenden E-Mail zu aktivieren - das lenkt zu sehr von der Arbeit ab. - 4. Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
Es besteht die Möglichkeit, die Nachricht an eine Gruppe zu versenden, aus der sich vielleicht nur ein Prozent der Beteiligten dafür interessiert. Der Effekt ist vergleichbar mit einer Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in dem man gezwungen ist, dem Handygespräch eines Unbekannten zuzuhören. Wer ohne Notwendigkeit allen antwortet, erzeugt außerdem jede Menge elektronischen Müll. Insbesondere, wenn Anhänge mitgeschickt werden, führt das unnötige Versenden an große Verteiler zu Ressourcenproblemen. - 5. Sorgen Sie dafür, dass Ihre E-Mail einfach lesbar ist.
Experton empfiehlt, die E-Mail in einem Stil zu verfassen, der einem schriftlichen Dokument (zum Beispiel Geschäftsbrief) gleicht. Grußformel und Unterschrift (Automatische Signatur) sind selbstverständlich. Außerdem sind kurze Sätze sowie - bei längeren Texten - Absätze zu empfehlen. - 6. Halten Sie sich an die rechtlichen Bestimmungen für den E-Mail-Verkehr.
In Deutschland gilt seit Anfang 2007 eine neue Rechtsprechung, der zufolge im Anhang Pflichtangaben über das Unternehmen (Rechtsform, Sitz, Registergericht, Geschäftsführung) vorgeschrieben sind. Außerdem kann es manchmal nützlich sein, Angaben zu Urheberrecht, Vervielfältigung oder sonstige Rechtsklauseln anzuhängen. Im Übrigen sollten Unternehmen Regeln für den E-Mail-Verkehr formulieren (E-Mail-Policy), die regelmäßig zu verbreiten sind, damit auch neue Mitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden. - 7. Antworten Sie niemals auf Spam.
Eigentlich eine Binsenweisheit, und doch ein immer wieder gemachter Fehler. Viele Spammer statten ihre Nachricht mit einer Opt-out-Funktion aus, indem die Mail im Betreff-Feld vorgeblich mit "unsubscribe" abbestellt werden kann. Für manche Spam-Programme, die für den automatischen Versand des elektronischen Mülls sorgen, bedeutet eine solche Antwort: Der Adressat ist da, er kann mehr Spam in Empfang nehmen. - 8. Nutzen Sie Blindkopien, um Dritte zu informieren.
So bleibt der Verteilerkreis im Unklaren darüber,wer die Nachricht noch erhalten hat. - 9. Formulieren Sie den Betreff aussagekräftig.
Nur so ragt die Botschaft aus der Fülle der Spam-Mitteilungen heraus, die heute die meisten Postfächer füllen. - 10. Keep it simple.
Es gibt heute viele Möglichkeiten, E-Mails aufzuhübschen (Emoticons, Bilder etc.). Versender sollten vorsichtig damit umgehen, da nicht jedes Mail-Programm damit fertig wird und außerdem Ressourcen verschwendet werden. Zudem sind Emoticons mitunter mit Spyware infiziert. Deshalb: Nichts von unbekannten Quellen herunterladen! - 11. Nutzen Sie die Features moderner E-Mail-Programme.
Rückruf: Eine E-Mail, die fehlerhaft oder ohne Anhang versandt wurde, wird zurückgerufen. Sparsam verwenden, lieber Botschaften noch einmal genau checken, bevor sie verschickt werden. Oft werden E-Mails schnell geöffnet und lassen sich nicht mehr zurückrufen. <br/><br/> Automatische Antwort: Die Out-of-Office-Funktion ist wirklich nützlich und sollte angewendet werden! Allerdings sollte man sie schnell deaktivieren, wenn man wieder im Büro ist.<br/><br/> Wiederversenden: Manchmal erreichen E-Mails nie den Adressaten, etwa weil der Mail-Server ausfällt. Mit der Resend-Funktion lassen sie sich umstandslos ein zweites Mal verschicken. Vor dem Versand in die Betreffzeile eine Bemerkung wie "zweiter Versuch" einfügen.<br/><br/>Übermittlungsbestätigung: Nice to have, aber nicht zwingend nötig. Funktioniert auch nicht mit jedem E-Mail-System. <br/><br/>Lesebestätigung: Ebenfalls nice to have. - 12. Nutzen Sie E-Mails um Gespräche und Diskussionen anschließend zu bestätigen.
Elektronische Post bietet die Chance, sehr schnell Gesprächsergebnisse aus Konferenzen oder Telefonaten zu protokollieren. So lassen sich für alle Beteiligten die Ergebnisse sichern, bezüglich geplanter Maßnahmen sind alle auf demselben Stand. Was schriftlich fixiert wurde, wird von den Beteiligten ernster genommen. - 13. Verlassen Sie sich bei dringenden Informationen nicht auf E-Mail.
Dazu lieber das Telefon benutzen. Es gibt keine Garantie, dass eine E-Mail gelesen wird. Oft wird die Nachricht übersehen, die Lektüre wird vertagt oder die Botschaft wird als vermeintlicher Spam gelöscht. - 14. Nutzen Sie E-Mails nicht für unangebrachte Kommunikation.
E-Mail für die Verbreitung von Spam zu missbrauchen, ist nicht nur ein Ärgernis, sondern möglicherweise auch noch illegal. Und: In den meisten Fällen kann der Absender schnell ermittelt werden.
Leichter gesagt als getan. Atos setzt als Alternative zu E-Mails vor allem auf das Produkt der eigene Tochter BlueKiwi, einem Hersteller von Sozialen Netzwerken für den Unternehmenseinsatz. Auf diesem Weg wollen die Berater mittelfristig mit der eigenen Kommunikations-Revolution Geld verdienen. Allerdings eignet sich BlueKiwi schon aus Kostengründen eher nicht für den Einsatz in kleineren Unternehmen. Hinzu kommt, diese Erfahrung machte auch Atos im Zusammenhang mit "Zero E-Mail": Wer keine elektronische Post mehr will, muss zunächst in den Köpfen ganz viel verändern und erst danach in den Computern.
Machtinstrument für Feiglinge
Was die Mentalität betrifft, so haben E-Mails viel Ähnlichkeit mit der guten alten Hauspost, jenen braunen Umschlägen, die ein stets gutgelaunter Bote ein- bis zweimal pro Tag vorbeibrachte. Der Empfänger wartete auf Input. Nichts anderes geschieht beim Umgang mit Mails. Sie sind das Gegenteil von proaktiver, auf andere zugehender Pull-Kommunikation. Hinzu kommt: E-Mails und ihre Anhänge finden sich in aller Regel nicht in der normalen Ordnerstruktur eines Unternehmensnetzwerks wieder. Meist sammeln sie sich stattdessen in einer Vielzahl riesiger Datenmülleimer, in die immer wieder aufs Neue hinabsteigen muss, wer etwas sucht.
Und E-Mails werden gezielt als Machtinstrument eingesetzt: Der eine Kollege auf CC, der andere - demonstrativ - nicht. Streit in der Abteilung? Dann setzt man doch den Chef gerne mal auf BCC, damit er - so ganz nebenbei - endlich kapiert, dass der Kollege Müller tatsächlich völlig unfähig ist. Mailkommunikation ist mit gutem Grund der Liebling aller Feiglinge, Intriganten und Verklemmten, all jener, die nicht genug Rückgrat haben für ein offenes Wort.
Auch Thierry Breton, dem Atos-Chef, geht es bei seinem Zero-E-Mail-Projekt nicht nur um Zeitverschwendung, sondern auch um den durch die Technologie erzwungenen Kommunikationsstil. "Wenn die Leute mit mir sprechen wollen", sagte er einmal, "dann sollen sie zu mir kommen oder eine SMS schreiben."
- "E-Mail macht dumm, krank und arm ..."
sagt "Digital-Therapeutin" Anitra Eggler. Schuld daran sei nicht die Technik an sich, sondern die Art und Weise, wie wir damit umgingen. - Tipps für das E-Mail-Verhalten
Höchste Zeit also, dem tagtäglichen Kommunikationsterror den Kampf anzusagen.
Geregelte tägliche Öffnungs- und Bearbeitungszeiten festlegen.
Automatischen E-Mail-Abruf sowie sämtliche Benachrichtigungssignale deaktivieren.
Weniger E-Mails versenden, um weniger E-Mails zu empfangen.
Mimosenprinzip einhalten: Was ich nicht erhalten möchte, sende ich auch keinem.
E-Mails wie eine Nachricht strukturieren: Das Wichtigste zuerst.
Betreffzeile gedanklich durch Betreffziele ersetzen.
Täglich den Posteingang leeren.
Unwichtiges sofort löschen, quartalsweise in großem Stil ausmisten.
E-Mail-Budget im Unternehmen vereinbaren und sich daran halten.