Agile Methoden wie Scrum und Kanban sind momentan dabei, sich fest in der Welt der IT-Projekte zu etablieren. Eine Herausforderung, die bei ihrer Implementierung zwangsläufig entsteht, ist die Frage nach der Bemessung ihrer Resultate bei der Aushandlung des Projektauftrags.
Denn die Einkaufs- und auch die Vertriebsseite müssen vor Vertragsabschluss über ein Produkt verhandeln, dessen Funktionen im Grunde genommen noch gar nicht feststehen. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Verhandlungsführung auf beiden Seiten, die Liefermodalitäten, aber auch die schlussendliche Durchführung des Projekts. Eine wachsende Anzahl von Unternehmen stützt sich auf externe Dienstleister und Beratungshäuser, um IT-Projekte durchzuführen. Daher kommt dem Thema eine immer größere Relevanz zu.
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Mittel- und langfristig werden Unternehmen diesen Herausforderungen mit konkreten Lösungen begegnen. Denn um die agilen Methoden wird in Zukunft kein Weg mehr herumführen. Zwar kommt der kürzlich veröffentlichte „Agilitätsbarometer 2017“ zu dem Ergebnis, dass in Deutschland das Thema Agilität noch unzureichend umgesetzt wird: 46 Prozent der über 1.800 befragten Mitarbeiter befinden ihre Führung als „klassisch hierarchisch“, 30 Prozent als „partizipativ“ und nur elf Prozent als „agil“.
Sofern agile Methoden jedoch genutzt werden, erhalten Sie sehr positiven Zuspruch und werden von einer großen Mehrheit als effizienzsteigernd eingeschätzt. Insofern ist es also nur eine Frage der Zeit, bis sich Agilität weitgehend durchsetzt.
Im Folgenden werden die Herausforderungen beim Einkauf agiler Projekte beschrieben sowie mit dem „agilen Festpreis“ ein Modell zur Lösung vorgestellt.
Preis und Leistungsumfang bei agilen Projekten
Da im „Wasserfall“-Modell alle Komponenten und Funktionen des fertigen Produkts bereits im Vorhinein definiert sind, gestaltet sich der Einkauf vergleichsweise einfach: Bezahlt wird, was auf der Feature-Liste steht.
Anders beim Vorgehen nach agilen Methoden: Eine erste Herausforderung besteht darin, den Erwartungshorizont für den Preis richtig festzulegen. Denn preiswerter Einkauf von Einzelposten muss nicht unbedingt ein preiswertes Projekt bedeuten. Dabei muss in die Rechnung mit einfließen, welche bereitgestellten Funktionen oder Produkte nach dem Kauf wie lange und häufig benutzt werden.
Klassische Projekte machen die Leistungsvereinbarungen üblicherweise an den Faktoren „Time“ und „Material“ fest. Diese werden vor dem Vertragsstart bereits detailliert festgelegt, um das Risiko von einer Abweichung vom Vertrag möglichst gering zu halten.
Allerdings kann dieses Modell mit der Praxis agiler Softwareentwicklung in Konflikt geraten. Diese hat schließlich gerade zum Zweck, Änderungen am Funktionsumfang des Produkts noch während der Entstehung zu ermöglichen. Zudem sind im agilen Vorgehen die Business-Anforderungen und ihre technische Umsetzung strikt getrennt. Dies spiegelt die Rollenaufteilung agiler Methoden wieder, in welcher allein der Product Owner für die Geschäftsanforderungen des Projekts zuständig ist, und die Entwickler im Team sich voll und ganz auf die technische Seite konzentrieren. Der Product Owner ist dazu angehalten, im Team ein gleichmäßiges Arbeitstempo über den Projektzeitraum hinweg sicherzustellen. Bindende zeitliche Anforderungen gibt es für die Entwickler aber nicht. Bei einer klassischen Abrechnung nach Mannstunden wird diese fachlich sinnvolle Trennung wieder revidiert.
- Zeitfresser
Mehr als sechs Stunden pro Arbeitswoche verliert jeder Mitarbeiter in kleinen mittelständischen Unternehmen aufgrund mangelhafter oder fehlender Technik. So lautet eines der Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage durch OnePoll unter 1.000 Angestellten in Unternehmen mit einer Größe von bis zu hundert Mitarbeitern. Teamleader hat zudem untersucht, bei welchen tagtäglichen Aufgaben Mitarbeiter besonders viel Zeit verlieren.
Mit einem professionellen Projekt- und Rechnungsmanagement samt einer vernünftigen Kommunikationsplattform würden Mittelständler die meiste Zeit einsparen: Vor allem die Abstimmung von Angeboten, Konzepten, oder Verträgen mit Kunden frisst unnötig Zeit. Mehr als ein Viertel der Befragten (26%) sieht ein bis zwei Stunden Einsparpotenzial pro Woche, fast ein Fünftel (19,5%) sogar drei bis fünf Stunden.
Wer über ein professionelles Customer Relationship Management-Tool verfügt kann in der Woche im Schnitt eine Stunde und 20 Minuten einsparen – in 15 Prozent der Unternehmen gar drei bis fünf Stunden.
Weiteres Optimierungspotenzial sehen die Befragten beim Terminmanagement, bei der Zeiterfassung und beim Dateimanagement (jeweils mehr als eine Stunde pro Woche).
Viel Zeit könnten Mittelständler auch einsparen, wenn sie mehr Aufgaben automatisieren würden. Genau ein Drittel der Belegschaft verbringt ein bis zwei Stunden pro Woche damit, Aufgaben manuell zu erledigen, für die es technische Lösungen gäbe.
Fehlende Schnittstellen zwischen Anwendungen kosten fast eben so viel Zeit: 31 Prozent verbringen ein bis zwei Stunden mit dem Übertragen von Daten.
Weil Software nicht nutzerfreundlich genug ist, geht im Schnitt mehr als eine Stunde pro Woche pro Mitarbeiter verloren.
Ebenfalls mehr als eine Stunde könnten Mittelständler einsparen, wenn sie Anwendungen auch mobil bereitstellen würden. „Chefs müssen ja nicht alles auf einmal angehen“, so Jeroen De Wit, CEO von Teamleader. „Wer aber seine Software nach und nach optimiert, kann mehr als einen halben Tag pro Woche herausholen.“
Eine wichtige Voraussetzung dafür, das passende Preisgefühl für ein Projekt zu finden, ist die Definition der Zielsetzung. Das eingekaufte Software-Produkt muss dann dazu dienlich sein, diese zu erreichen. Auf dieser Ebene ist nun auch Fingerspitzengefühl von Seiten der Procurement-Abteilungen gefragt. Sie müssen sich genau mit den Anforderungen ihrer IT- beziehungsweise Fachabteilung auseinandersetzen und anschließend eine saubere Dokumentation mit dem agilen Entwickler aushandeln. Die Erfolgsmessung wird sich durch den agilen Ansatz ebenfalls nicht vereinfachen.
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Zum besonderen Thema wird die Vergabe von agilen Projekten durch staatliche Stellen und Behörden, die an genau festgelegte Ausschreibungsverfahren gebunden sind. Hier bedarf es eines hohen Maßes an Originalität, um die Projekte rechtskonform einzureichen.
Ein praktikabler Lösungsansatz: Der „agile Festpreis“
In ihrem Buch "Der Agile Festpreis" umschreiben die Autoren Andreas Opelt, Boris Gloger,Wolfgang Pfarl und Ralf Mittermayr ein innovatives Modell zur Vertragsübereinkunft bei agilen Projekten. Der agile Festpreis denkt den Projektablauf vom Ende her. Hier geht es um die Frage: „Wer braucht welche Funktion und warum?“ Gewünschte Funktion und Aufwand bei der Umsetzung sind nun weitgehend unabhängig voneinander.
Der Vertragsaufbau beinhaltet zunächst eine übergeordnete Ebene, der die Ziele und Anforderungen des Projekts beschreibt und rechtssicher formuliert. Anschließend definieren Lieferant und Kunde gemeinsam den detaillierten Funktionsumfang der zu liefernden Funktionalität.
Hierbei werden die sogenannten Epics und User Stories als verhandelbare Einheiten für die Bemessung des Leistungsumfangs herangezogen. Während Epics die übergeordnete Funktionsebene beschreiben, sind User Stories auf der Detailebene angesiedelt. Es liegt nun am Anbieter, die User Story wieder an die technische Komplexität und den damit einhergehenden Arbeitsaufwand zu koppeln. Er kann diese nach Komplexitätsstufen bemessen (z.B. „S“, „M“, „L“, „XL“) und mit einem entsprechenden Preisangebot verknüpfen.
Zum Start des Projekts wird oftmals eine Test- beziehungsweise Checkpointphase vereinbart, die mit der Lieferung eines Minimum Viable Product (MVP) einhergehen kann. In den Projektverlauf eingebaute „Story Points“ machen den Fortschritt überprüfbar. Ist diese erfolgreich abgeschlossen, wird das Projekt durchgeführt. Den Abschluss des Projekts bildet die Abnahme des Kunden nach den zuvor vereinbarten Leistungsanforderungen.
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Diese Vereinbarungen sind für den Erfolg des Modells „agiler Festpreis“ besonders wichtig. Sie sollten immer quantifizierbar sein, um eine unklare Auslegung des Vertrags zu verhindern. Dies trifft schließlich auch auf klassische Projektverträge zu, die Preissetzung und Leistungsumfang nach „Time“ und „Material“ bemessen. Gegenseitiges Vertrauen und eine enge Abstimmung zwischen Dienstleister und Kunde sind darüber hinaus eine wichtige Basis für das Gelingen.
Auch Agilität braucht einen klaren Rahmen
Agile Methoden werden aus der Zukunft der Softwareentwicklung nicht mehr wegzudenken sein. Dies stellt sowohl Unternehmen, die agile Projekte einkaufen, als auch Beratungshäuser, die agile Projekte verkaufen, vor die Herausforderung, den Prozess des Vertragsabschlusses auf die Realität agiler Methoden abzustimmen. Dies gelingt, indem das Unternehmen seinen Einkauf auf die agile Vorgehensweise schult und abstimmt. Schlussendlich ergibt sich aber auch für den Einkauf der Vorteil, dass die agilen Projekte unterm Strich kosteneffizienter sind und weniger Risiko in sich bergen, einen Fehlkauf zu tätigen.