Der Mobilfunkriese Vodafone hat seine monolithische SAP-Installation, die von 100.000 Mitarbeitern genutzt wurde, auf S/4HANA migriert - an einem langen Wochenende und nach mehr als einem Jahr der Vorbereitung. Der Schlüssel zum Erfolg bei dieser gewaltigen Aufgabe? "Daten, Daten, Daten. Einhundertprozentiger Fokus auf Daten", lautet die knappe Antwort von Vodafone-CIO Ignacio Garcia.
Aus ECC wird S/4HANA
Vor mehr als zehn Jahren hatte Vodafone seinen Geschäftsbetrieb in 22 Ländern auf eine SAP-ECC-Instanz gehievt. Dieser Schritt verschaffte dem Unternehmen eigenen Angaben zufolge einen zentralen Überblick über seine Geschäftsprozesse. Doch die wurden im Laufe der Zeit immer komplexer. Gerade der Ausbau der Vodafone-eigenen Infrastruktur mit hunderttausenden Mobilfunkmasten brachte das ERP-System an seine Grenzen. Tausende verschiedenster Komponenten mussten gemanaged werden. "Dafür war deutlich mehr Kapazität nötig - allein für Batches und Processing", so der CIO.
Darüber hinaus gestaltete sich die Integration des mittlerweile betagten SAP-Monolithen mit neueren Software-as-a-Service-Applikationen herausfordernd, wie Garcia zugibt: "Dieser Umstand hinderte uns daran, schnell an die Informationen zu bekommen, die wir benötigten. Das hat zur Ausprägung einer Spaghetti-Infrastruktur aus proprietären Lösungen geführt."
Darum entschied sich Garcia dafür, von SAP ECC auf S/4HANA zu migrieren - und zwar mit der Hilfe von Accenture. Die Berater kannten das bestehende SAP-System. Sie hatten Vodafone bereits beim Umstieg auf ECC unterstützt. Einen Partner an seiner Seite zu wissen, der mit dem vorhandenen ERP-System vertraut war, erwies sich als gute Entscheidung, vor allem um von vornherein Risiken zu vermeiden. Schließlich dürfte die S/4HANA-Installation bei Vodafone eine der weltweit größten Instanzen darstellen, wie Holger Grewe, Group Head of Corporate Transformation bei Vodafone, meint. Er fügt hinzu: "Natürlich würde SAP das nie offiziell bestätigen, aber wir sind uns ziemlich sicher."
"22 Tage Stillstand wären nicht akzeptabel gewesen"
(S/4HANA-)Migrationen können auf zwei verschiedene Arten ablaufen:
Beim Greenfield-Ansatz wird alles von Grund auf neu aufgebaut - mit leeren Datenbanken und neuen Applikationen.
Beim Brownfield-Ansatz werden Daten aus dem vorhandenen System importiert und Prozesse nachgebaut.
Weil Vodafone schon vor dem S/4HANA-Projekt seine ERP-Instanzen weltweit konsolidiert hatte, war sich das Unternehmen der Vorteile bewusst, die ein umfassender Datenzugriff mit sich bringt. "Mit einem Greenfield-Ansatz zu starten und diesen Prozess noch einmal von Beginn an bewältigen zu müssen, war keine Option", so Garcia.
Gespräche mit anderen Unternehmen, die bereits erfolgreich den Brownfield-Weg beschritten hatten, bewogen den Vodafone-CIO dazu, der Vorbereitung der Daten oberste Priorität im Migrationsprozess einzuräumen. Während das Unternehmen über einen Zeitraum von acht Monaten zunächst seine Hardware erneuerte, archivierten Garcia und sein Team so viele Daten wie möglich und verabschiedeten sich von überflüssigen, ungenutzten Programmen und Reportings, um das Migrationsvolumen zu reduzieren.
Im nächsten Schritt ging es darum, die Daten auf das neue Datenmodell in S/4HANA zu konvertieren. Dieser Vorgang musste in einem Arbeitsgang und mit den zu dieser Zeit vorhandenen Tools erfolgen - schon ein kleiner Fehler in den Daten hätte dabei die ganze Migration zum Stillstand gebracht. Deswegen entschieden sich der CIO und sein Team dafür, zunächst einige Trockenübungen zu fahren: "Der erste Versuch dauerte ganze 22 Tage", erinnert sich Garcia. "Holger und ich konnten nicht einfach auf das Business zugehen und verkünden, dass das System ab sofort für 22 Tage nicht verfügbar sein würde. Das wäre einfach nicht akzeptabel gewesen."
Die logische Konsequenz: mehr Archivierungsarbeit. Darüber hinaus mussten auch SAP und Accenture ihren Code und die Funktionsweise ihrer Systeme optimieren, wie Garcia erzählt. "Am Ende konnten wir den Umzug in vier Tagen absolvieren. Das war immer noch ein relativ umfassender Zeitraum, aber die Wahl des richtigen Wochenendes und eine transparente Kommunikation mit dem Business haben es möglich gemacht", so der CIO nicht ohne Stolz.
Die agile SAP-Migration
Unternehmen, die sich wie Vodafone für einen Brownfield-Ansatz entscheiden, sollten nichts überstürzen, findet Holger Grewe. Seint Rat: "Nehmen Sie sich genauso viel Zeit, wie sie es für einen Greenfield-Ansatz tun würden und sortieren sie alles aus, was nicht mehr benötigt wird. Das zahlt sich am Ende aus: Wir haben viel Code entfernt und eine Menge Reportings über Bord geworfen - bis jetzt hat sich deswegen noch niemand beschwert."
Ein Grund, warum die Beschwerden ausbleiben, liegt auch darin, dass Vodafone im Vorfeld die Applikationsnutzung analysiert hat, um zu erfahren, welche Prozesse ad acta gelegt oder automatisiert werden können.
Rückblickend würden Garcia und Grewe bei einem neuen Projekt in ähnlicher Größenordnung nicht viel anders machen. Allerdings nicht, weil ihre Planung so perfekt gewesen sei, wie der CIO klarstellt, sondern weil beide bereit gewesen seien Planungsfehler einzugestehen und diese schnell zu korrigieren. "Wir haben im Zuge eines Lernprozesses viele Dinge 'on the fly' verändert. Beispielsweise war zunächst vorgesehen, dass wir vor dem Going Live drei volle Datenkonversionen durchführen. Am Ende waren es fünf, weil wir erkannt haben, dass das eine erfolgskritische Komponente ist", erzählt Garcia.
Erfolgskritisch für das Migrationsprojekt war es auch, die richtigen Menschen mit den richtigen Skillsets an Bord zu haben. Mit Accenture als Partner hatte Vodafone bereits einige SAP-erfahrene Leute im Team. Darüber hinaus wurde auch die interne IT-Mannschaft umfassend im Umgang mit S/4HANA geschult, wie CIO Garcia erzählt: "Wir haben ein ziemlich aggressives Zertifizierungsprogramm auf die Beine gestellt und jedem Mitarbeiter die Chance gegeben, ein entsprechendes Zertifikat zu erlangen."
Die Ergebnisse der SAP-Mega-Migration bei Vodafone können sich sehen lassen: Die Softwareentwicklung läuft nun deutlich schneller - statt sechs Releases pro Jahr erfolgen nun mehrere pro Monat. "Unser gesamtes Setup hat sich drastisch verändert. Wir können jetzt viele Dinge einfach selbst erledigen und schneller Business-Mehrwert erzeugen", so Garcia.
"Ein weiterer Bonus, den die Migration auf S/4HANA mit sich gebracht hat, ist, dass wir wesentlich einfacher an Daten kommen, um damit Analysen zu fahren. Die Embedded Analytics App von S/4HANA wird bei uns stark genutzt", ergänzt Holger Grewe.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.