Wells Fargo transformiert

Ein kühner Public-Cloud-Plan

19.11.2021
Von  und
Paula Rooney schreibt für unsere US-Schwesterpublikation cio.com.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Der US-Finanzdienstleister Wells Fargo will seinen IT-Betrieb in den nächsten zehn Jahren mit Hilfe von Public und Private Clouds auf links drehen.
Wells Fargo will in den nächsten zehn Jahren auf einen Mix aus Public und Private Clouds setzen.
Wells Fargo will in den nächsten zehn Jahren auf einen Mix aus Public und Private Clouds setzen.
Foto: Roman Tiraspolsky - shutterstock.com

Wie viele führende Unternehmen aus der Finanzwelt begibt sich auch der US-Riese Wells Fargo auf einen langsamen, aber stetigen Weg in die Public Cloud. Dazu hat das Unternehmen einen ehrgeizigen, auf zehn Jahre angelegten Plan aufgelegt, der ab 2022 umgesetzt werden soll. Ein wesentlicher Teil dieses Plans ist die IT-Migration in eine hybride Multi-Cloud-Architektur, die Private- und Public-Cloud-Instanzen von Microsoft und Google mit Rechenzentren von Drittanbietern kombinieren soll. Christopher Marsh-Bourdon, Head of Hybrid Environments and Technology Infrastructure bei Wells Fargo, erklärt: "2022 werden wir in den USA damit beginnen, Anwendungen in der Public Cloud bereitzustellen. Wir setzen außerdem auf verschiedene Private-Cloud-Varianten, die auf Open-Source-Technologien wie Kubernetes basieren."

Bislang wollte Wells Fargo von der Public Cloud allerdings noch nichts wissen - und ist damit nicht alleine. Die zögerliche Haltung der Finanzbranche begründet sich vor allem in Sicherheitsbedenken - Kundengelder, die von Cyberkriminellen gestohlen werden, sind ein Albtraumszenario für die gesamte Branche. Umso wichtiger ist es für Wells Fargo, bei seiner Cloud-Transformation den Aspekt der IT-Sicherheit zu priorisieren: "Vertraulichkeit und Sicherheit sind für uns extrem wichtig. Deshalb bilden diese Punkte die Grundlage unserer Cloud-Strategie und sind von Anfang an integriert. IT Security ist heute enorm wichtig - deshalb wollen wir alles daransetzen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, bevor wir die Umstellung angehen", sagt Marsh-Bourdon.

Der Manager war vor zwei Jahren zu Wells Fargo in san Francisco gestoßen. Zuvor hatte Marsh-Bourdon für JP Morgan, die Deutsche Bank und Amazon Web Services gerabeitet. Seine wichtigste Aufgabe ist es seitdem, die mehrstufige Cloud-Migration des Unternehmens voranzutreiben: "Der Plan für dieses Vorhaben ist immer noch in Arbeit. Einige Applikationen sollen in die Public Cloud verschoben werden, andere werden für Public-Cloud-Stacks neu geschrieben - eine dritte Gruppe bleibt on Premises in unseren Private Clouds. Es wird am Ende eine Kombination aus Public und Private Cloud sein - nichts ist in Stein gemeißelt."

Einen ganz ähnlichen Weg wie Wells Fargo beschreitet übrigens auch die Deutsche Bank, wie Sie an dieser Stelle nachlesen können.

Public-Cloud-Vorarbeit

Dem Worldwide Industry CloudPath Survey 2021 von IDC zufolge haben bislang nur 20 Prozent der Großbanken ihren Cloud-Betrieb mit einer Cloud-Native-Strategie optimiert. Die Mehrheit - 53 Prozent - berichtet sogar von steigenden Investitionen in Nicht-Cloud-Plattformen. Für kleinere Banken hat der Wettlauf in die Cloud hingegen schon vor einiger Zeit begonnen: Laut der IDC-Umfrage nutzen 79 Prozent der Befragten in diesem Branchensegment derzeit die Public Cloud.

Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen waren für Marsh-Bourdon die Gelegenheit, eine Cloud-Vision für Wells Fargo zu entwerfen und einen Fahrplan für das nächste Jahrzehnt zu erarbeiten. Ein Schlüsselelement ist dabei der Kubernetes-basierte Containeransatz, der den Geschäftseinheiten ermöglichen soll, Workloads agil von Private- auf Public-Cloud-Instanzen und umgekehrt zu verlagern. Wichtig ist zudem der Cloud-native-Ansatz: "Wir halten nichts davon, einfach alle bestehenden Anwendungen in die Cloud zu verlagern, sondern passen den Programmcode für die Cloud an. Was aber nicht bedeutet, dass alles Cloud-native sein wird", konstatiert Marsh-Bourdon.

Christopher Marsh-Bourdon, Head of Hybrid Environments and Technology Infrastructure bei Wells Fargo.
Christopher Marsh-Bourdon, Head of Hybrid Environments and Technology Infrastructure bei Wells Fargo.
Foto: Wells Fargo

Bei der Entscheidung über das Vorgehen, will Wells Fargo viele verschiedene Faktoren berücksichtigen, etwa den Speicherort der Applikationen, die Programmiersprache, in der sie geschrieben sind, und die Anforderungen an die "Burstability" - also die Elastizität der Workloads und das Ausmaß, in dem diese schnell skaliert werden müssen. Jede Applikationsverlagerung soll nach den Worten von Marsh-Bourdon sorgfältig analysiert werden. Dazu setzt das Unternehmen unter anderem einen Bewertungsmechanismus ein, der den Quellcode der Applikationen analysiert, um das optimale Vorgehen zu bestimmen.

"Ein Zehnjahresplan kann nicht über Nacht umgesetzt werden. Wells Fargo betreibt viele Anwendungen auf Client-Server-Systemen, Midrange-Servern, Mainframes und in der Private Cloud. Die Entscheidung darüber, welche Workloads in die Public Cloud gehen, muss wohlüberlegt sein. Ganz allgemein gesprochen, haben wir vor, Anwendungen mit einer geringeren Kritikalität in die Cloud zu verlagern und ein Architekturmuster zu entwickeln, das für die Cloud passt. So sammeln wir Erfahrung in Sachen Cloud-Migration und können künftig auch komplexere oder kritischere Anwendungen überführen."

Cloud-Kultur schlägt Wurzeln

Dem IDC-Analysten Jerry Silva zufolge haben sich bislang nur wenige Finanzhäuser auf die Public Cloud eingelasen, weil das die risikoreichste Migrationsvariante darstelle: "Institutionen wie Wells Fargo, JPMorgan Chase, Bank of America, Capital One und auch die US Bank - also die Top Fünf in den USA - arbeiten ganz anders als der Rest der Branche. Diese Unternehmen sind technologieaffin, verfügen über Zehntausende von IT-Experten und können maßgeschneiderte Applikationen entwickeln, mit denen sie sich am Markt differenzieren."

Wells Fargo will Microsofts Azure-Services für kritische Daten und Analytics nutzen, um sein Transformationsvorhaben zu beschleunigen und sowohl die Customer Experience als auch die Zusammenarbeit unter den eigenen Mitarbeitern zu optimieren. Dabei ist im Verlauf des Projekts zum Beispiel geplant, Embedded Finance Payment Optimization Apps in die Cloud zu verlagern. Diese werden auf die Public-Cloud-Plattformen von Microsoft und Google verteilt. Gerade Google hat zuletzt massiv in künstliche Intelligenz (KI) investiert - ein Umstand, der bei der Entscheidung von Wells Fargo für die Google-Cloud-Plattform eine Rolle gespielt hat: "Machine Learning beziehungsweise KI ist derzeit ein wichtiger Technologiebereich. Google kann hier eine Reihe von Vorteilen vorweisen", erklärt Marsh-Bourdon, der sich bezüglich der Details darüber, welche Workloads genau auf den jeweiligen Cloud-Plattformen laufen sollen, bedeckt hält.

Es sei noch viel zu tun, so der Manager. Immerhin sei das größte Hindernis für Finanzinstitutionen, die Public Cloud zu nutzen, von den Cloud-Anbietern adressiert worden: die IT-Sicherheit. "Wir haben ein hohes Maß an Vertrauen, aber wir nehmen unsere Augen nicht vom Bildschirm. Wir werden auch weiterhin neue Technologien bewerten und je nach Risikolage adaptieren."

Von seiner Cloud-Transformation verspricht sich Wells Fargo unter anderem mehr Ausfallsicherheit, eine höhere Skalierbarkeit der Workloads sowie die Möglichkeit, Cloud-native-Anwendungen der nächsten Generation zu entwickeln, mit denen sich neue Kundenerlebnisse schaffen lassen. Die größte Herausforderung bestehe nun darin, IT-Fachleute mit entsprechendem Cloud-Know-how zu finden. "Wir haben bei Wells Fargo ein internes Programm gestartet, mit dem Ziel, unsere Mitarbeiter in Sachen Cloud Computing fortzubilden", erklärt Marsh-Bourdon.

Natürlich rechne das Unternehmen auf diesem Weg mit weiteren Hindernissen, und obwohl Wells Fargo fest plane, 2022 in die Public Cloud umzusteigen, sei man bereit, Zeitrahmen und Umfang entsprechend anzupassen: "Es ist eine langfristige Investition. Wir ziehen es durch, wenn wir soweit sind. Ein fixes Datum für so ein Vorhaben festzulegen, ist letztlich der falsche Ansatz."

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.