Lange Zeit kannte die Stromerzeugung in Deutschland nur eine Richtung: Von den großen, zentralen Kraftwerken hin zu den vielen kleinen Verbrauchern. Mit der Energiewende ändern sich die Strukturen. Wurde im Ortsnetz bis vor kurzem nur verbraucht, speisen heute Solaranlagen und Windparks dezentral erzeugte Energie ein. Solange es sich dabei nur um geringe Mengen handelt, ist das kein Problem. Doch das Energievolumen aus regenerativen Quellen wächst. Zudem scheren sich die Kräfte der Natur nicht um den akuten Strombedarf der Bevölkerung. Damit steigt die Herausforderung regionaler Über- und Unterversorgung. Wie stark die Schwankungen ausfallen, wissen oft nicht einmal die Netzbetreiber.
Das brachte Jonas Danzeisen, Gründer und Geschäftsführer von emobility2go, auf eine Idee: "Der Ausbau der Netzinfrastruktur wird häufig als Patentrezept verkauft, um die steigenden Spannungsschwankungen abzufedern. Angesichts von 1,25 Millionen Kilometern Kabel würde die Aufrüstung jedoch zweistellige Milliardenbeträge kosten." Könnten die Netzbetreiber Spannung, Spannungsqualität und Lastverteilung früh erkennen, wären sie in der Lage, lokale Überkapazitäten besser zu identifizieren. Statt das gesamte Stromnetz auszubauen, könnte man sich dann auf besonders belastete Teilbereiche konzentrieren. Das sei vor allem in Regionen interessant, in denen überdurchschnittlich viele Solar- und Windparks stehen.
Intelligentes Netzmanagement aus der Cloud
Für den Aufbau eines intelligenten Stromnetzes macht sich emobility2go eine andere Säule der Energiewende zunutze: die E-Mobilität. Das Unternehmen entwickelt Ladestationen für Elektromobile. Dabei handelt es sich jedoch um keine normalen "Zapfsäulen". Sie sind zusätzlich mit so genannten Monitoring-Systemen ausgestattet, die Messwerte zum aktuellen Zustand des Stromnetzes liefern. "E-Mobility und Netzinfrastruktur stehen sich thematisch sehr nahe. Noch haben Elektroautos einen geringen Einfluss auf das Stromnetz, doch das könnte sich schon bald ändern", glaubt Danzeisen. Die gesammelten Messdaten werden von einer Cloud-Anwendung auf Basis des Cloud-Betriebssystems "Windows Azure" aufbereitet und den Netzbetreibern zur Verfügung gestellt. Um die Zahlen zum Verbrauchs- und Versorgungsstand der Netze zu visualisieren, greift emobility2go auf das Kartenmaterial der Microsoft-Suchmaschine "bing" zurück und zeigt so verfügbarte Stationen für Elektrostrom auf.
"Bei Windows Azure brauchen wir uns um IT-Infrastruktur und Entwicklungswerkzeuge nicht zu kümmern - und sind so mit Innovationen schneller am Markt", unterstreicht Danzeisen. Zudem hätte man dann auch auf die zusätzlichen Serviceleistungen verzichten müssen. Microsoft unterstützt das Startup bei der Anwendungsentwicklung unter Windows Azure im Rahmen seiner BizSpark-Programme. Eine ebenso große Rolle spielten die offene Technologie und die Standardisierung. "Wir können nicht wissen, welche Anforderungen künftig auf uns zukommen. Darum entwickeln wir Anwendungen flexibel für unterschiedliche Plattformen", stellt Danzeisen fest. Hinzu komme, dass ein Partner wie Microsoft die Aktualität der Technologie langfristig gewährleisten kann. "Durch die Cloud erhalten kleine und mittlere Unternehmen Zugang zu IT-Infrastrukturen, über die bisher nur Großkonzerne verfügten", sagt Stephan Jacquemot, Leiter der Microsoft BizSpark-Programme in Deutschland.
Preisverleihung mit Folgen
Über Microsofts Azure-Team erfuhr der emobility2go-Geschäftsführer vom "Cloud 4 Society"-Award, den Microsoft im Rahmen der Innovationsinitiative "Chancenrepublik Deutschland" auslobt. Die Zielgruppe: junge Unternehmen. "Mit dem Award wollen wir Startups ermutigen, auf Basis von Cloud Computing Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Damit fördern wir die Innovationskultur und stärken den Standort Deutschland", sagt Jacquemot. emobility2go setzte sich gegen rund 70 Mitbewerber durch und konnte den mit 20.000 Euro dotierten Preis auf der CeBIT 2012 entgegennehmen.
Schnell stellte sich heraus, dass nicht das Preisgeld der Hauptgewinn war. "Wir haben die Wirkung des Wettbewerbs völlig unterschätzt. Als wir unsere Lösung in der ‚digitalen Stadt’ auf der CeBIT vorstellten, sammelten wir in einer Woche so viele Kontakte wie sonst in einem ganzen Jahr", freut sich Danzeisen. Mittlerweile ist emobility2go in das neue BizSpark Plus-Förderprogramm von Microsoft aufgenommen. Das auf zwei Jahre ausgerichtete Programm unterstützt innovative, wachstumsorientierte Startups, die Dienstleistungen auf Basis von Cloud-Technologien entwickeln. Sie können für maximal 46.000 Euro Rechenkapazitäten, Infrastruktur oder Dienstleistungen aus der Wolke beziehen.
Noch wichtiger aus Sicht des jungen Gründers ist die langfristige Zusammenarbeit mit Microsoft. "Bei Infrastrukturprojekten liegen die Investitionszyklen zwischen 20 und 25 Jahren. Deshalb sind die Anforderungen an die Investitionssicherheit sehr hoch. Ohne einen starken Partner hätten wir es schwer, von Netzbetreibern wahrgenommen zu werden", betont Danzeisen. "Erst kürzlich hatten wir die Chance, unser Konzept politischen Vertretern in Berlin vorzustellen. Das wäre ohne diesen Türöffner kaum möglich gewesen." Auch in der Entwicklung kommt das junge Unternehmen voran: Im März wurde der erste Prototyp für das Monitoring der Stromnetze vorgestellt. "Unser Ziel ist es, einen Fuß in den Markt zu bekommen. Anschließend werden wir unser Portfolio schnell ausbauen", so Jonas Danzeisen.
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