Ein "weiter so wie bislang" ist keine Option. Das haben die Bürger in Deutschland erkannt, wie das Ergebnis der Bundestagswahlen 2021 belegt. Sie erhoffen sich von der neuen Bundesregierung unter anderem, dass sie die Digitalisierung in Deutschland voranbringt: in der Verwaltung, der Schule und bei öffentlichen Dienstleistern. Doch damit das gelingt, müssen zeitraubende manuelle Abläufe automatisiert werden, mithilfe von Ansätzen wie Robotic Process Automation (RPA).
In deutschen Unternehmen ist diese Erkenntnis bereits angekommen, wie die Studie "Robotic Process Automation 2021" von IDG Research Services dokumentiert. Mehr als drei Viertel unter ihnen haben bereits RPA-Projekte umgesetzt oder nutzen diese Technologie im Dauerbetrieb. Positiv ist, dass dies nicht nur für Großkonzerne gilt, die meist über personell gut bestückte IT-Abteilungen und Budgets für externe IT-Häuser verfügen. Auch der Mittelstand und mehr als ein Drittel der kleineren Unternehmen haben das Thema Prozessautomatisierung mithilfe von RPA angepackt.
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Auf der strategischen Ebene ansetzen
Allerdings sollten sich Anwender nicht mit punktuellen Ansätzen zufriedengeben, unterstreicht Ricardo Ullbrich, Digital Workforce Manager bei Blue Prism, einem Anbieter von Lösungen für die Prozessautomatisierung: "Mit Robotic Process Automation lässt sich ein erheblich größeres Potenzial erschließen, wenn auf der Unternehmensebene angesetzt wird", so Ullbrich. "Das ist vor allem dann der Fall, wenn intelligente Automatisierungslösungen auf ergänzende Technologien zurückgreifen, etwa Künstliche Intelligenz und Machine Learning." Das heißt, Nutzer sollten sich darüber im Klaren sein, dass es nicht damit getan ist, eine RPA-Lösung zu implementieren. Vielmehr ist ein Konzept erforderlich, das mehrere Technologien umfasst.
Diesen Weg empfiehlt auch Annette Maier, Area Vice President Central & Eastern Europe bei UiPath. Das Unternehmen propagiert ein "Fully Automated Enterprise", das mithilfe von Automatisierung sein volles Potenzial ausschöpft. Die Voraussetzung dafür sei eine End-to-End-Automatisierungsplattform. "Diese kombiniert RPA mit einer Suite von Funktionen wie Machine Learning, Process Mining und Künstlicher Intelligenz." Das eröffnet Annette Maier zufolge Unternehmen und Organisationen die Möglichkeit, digitale Geschäftsabläufe schneller und mit geringerem Aufwand zu skalieren.
- Ricardo Ullbrich, BluePrism
„Mit Robotic Process Automation lässt sich ein erheblich größeres Potenzial erschließen, wenn auf der Unternehmensebene angesetzt wird. Das ist vor allem dann der Fall, wenn intelligente Automatisierungslösungen auf ergänzende Technologien zurückgreifen, etwa künstliche Intelligenz und Machine Learning.“ - Annette Maier, UiPath
„Das Potenzial von Robotic Process Automation lässt sich nur dann optimal ausschöpfen, wenn Mitarbeiter und Technologie zusammenspielen. Das sollten Unternehmen berücksichtigen, wenn sie Automatisierungslösungen implementieren.“
Unternehmen kombinieren mehrere Tools
Offenkundig sieht das die Mehrzahl der Nutzer von Robotic Process Automation in Deutschland ebenso. An die 60 Prozent von ihnen verwenden mehrere Tools, wenn sie Prozesse automatisieren. Die wichtigsten sind, wie von UiPath und Blue Prism aufgeführt, KI, maschinelles Lernen und Process Mining. Der Großteil der Anwender hat somit erfasst, dass Automatisierung in einem größeren Kontext zu betrachten ist. Process Mining ist daher nicht nur in Großunternehmen ein unverzichtbares Werkzeug, um sich einen Überblick über Abläufe zu verschaffen, die sich gegebenenfalls automatisieren lassen. Auch kleinere und mittelständische Firmen setzen Process-Mining-Tools ein.
Allerdings reicht es offenkundig nicht aus, die Arbeit allein einem Process-Mining-Tool zu überlassen. Die größten Probleme hat die Mehrzahl der Unternehmen (40 Prozent) damit, Prozesse so anzupassen, dass sie sich automatisieren lassen beziehungsweise neue Abläufe zu definieren, die für RPA tauglich sind. Fast einem Drittel der Firmen bereitet die Analyse der Prozesse Kopfzerbrechen.
Nötigenfalls Unterstützung von außen holen
Um diese Herausforderung zu meistern, bietet es sich an, externe RPA-, KI- und Process-Mining-Experten mit ins Boot zu holen. Das kostet natürlich Geld. Aber dieses ist gut angelegt, wenn die externen Fachleute eine technologie- und herstellerneutrale Beratung bieten und Unterstützung bei der Implementierung von RPA geben. Das entlastet die hauseigene IT-Abteilung und führt nicht zwangsläufig zu einer Bindung an einen einzelnen Hersteller ("Vendor Lock-in").
Alternativ dazu können Interessenten RPA-Spezialisten wie Blue Prism und UiPath beziehungsweise deren Partner mit ins Boot holen. Um zu vermeiden, dass eine Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter entsteht, arbeitet die Mehrzahl der Nutzer von RPA-Lösungen (61 Prozent) bereits heute mit mindestens zwei Lösungsanbietern zusammen. Vermieden werden sollte in jedem Fall, auf eigene Faust und mit unzureichenden Ressourcen Projekte im Bereich Prozessautomatisierung zu starten. Das führt häufig dazu, dass solche Vorhaben die Erwartungen nicht erfüllen, dies aber zu Unrecht der Technologie angelastet wird.
Falltüren vermeiden
Damit es nicht zu solchen Fehlschlägen kommt, empfiehlt Ricardo Ullbrich von Blue Prism, im ersten Schritt ein Ziel für die "Digital Workforce" zu entwickeln. Unter einer Digital Workforce versteht das Unternehmen "digitale Mitarbeiter", also Software-Roboter, die Routineaufgaben übernehmen. "Außerdem sollten Unternehmen ein gemeinsames Grundverständnis für die Auswahl der Prozesse entwickeln." Anschließend gilt es, Modelle für die Bereitstellung der digitalen Mitarbeiter und der damit verknüpften Services zu entwickeln.
Ullbrich zufolge sollte eine RPA-Lösung außerdem eine hohe Skalierbarkeit aufweisen. Nur dann könne sie sich an geänderte Anforderungen anpassen lassen. Diese Skalierbarkeit erhoffen sich Teilnehmer der Studie von IDG Research Services offenkundig von Cloud-basierten RPA-Diensten. Denn für 77 Prozent sind Cloud-basierte Angebote eine interessante Option. Bereits mehr als 40 Prozent greifen bereits auf "RPA aus der Cloud" zurück. Fast 37 Prozent haben dies vor.
Für Cloud-gestützte RPA-Lösungen spricht ein weiteres Argument: Unternehmen können mit ihnen erste Gehversuche im Bereich Prozessautomatisierung unternehmen, und das mit einem überschaubaren technischen und finanziellen Aufwand. Vor allem mittelständische Unternehmen (88 Prozent) sehen deshalb in der Cloud ein interessantes Nutzungsmodell im Bereich Prozessautomatisierung. Ein Auswahlkriterium einer RPA-Lösung sollte daher sein, ob der Anbieter diese auch via Cloud bereitstellt. Das kann über eine eigene Plattform erfolgen oder über die von Serviceprovidern wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft (Azure) und Google.
„Demokratisierung“ der Prozessautomatisierung
Ein wichtiger Punkt nach Einschätzung von UiPath ist zudem, dass in eine RPA-Lösung "weitere Technologien integriert werden können, um auch komplexe Automatisierungen zu ermöglichen und mit jedem Schritt zu einem Fully Automated Enterprise zu gelangen", betont Annette Maier von UiPath. "Außerdem sollten Mitarbeiter die Möglichkeit haben, selbst Ideen für die Automatisierung bestimmter Prozesse bei einem Center of Excellence einzureichen oder diese selbst mithilfe einer Low-Code- oder No-Code-Plattform zu entwickeln."
Dadurch sind beispielsweise Mitarbeitern in den Fachbereichen in der Lage, als "Citizen Developer" aktiv zu werden und einfachere Prozesse selbst zu automatisieren. Dazu sind keine tiefgreifenden Programmierkenntnisse erforderlich. Auf diese Weise lässt sich die Prozessautomatisierung gewissermaßen "demokratisieren". Diese Aufgabe ist nicht mehr nur IT-Spezialisten vorbehalten. Der Vorteil ist, dass dadurch das Know-how der Fachbereiche in Automatisierungsprojekte einfließt. Diese Demokratisierung darf jedoch nicht dazu führen, dass ein Wildwuchs von Software-Bots entsteht, der sich der Kontrolle der Fachabteilungen und IT-Fachleute entzieht.
Menschen entscheiden über Erfolg von RPA
Damit Robotic Process Automation den erhofften Nutzen bringt, sollten sich Unternehmen jedoch nicht nur auf die Technik konzentrieren, also die RPA-Plattform und deren Funktionen. "Das Potenzial von Robotic Process Automation lässt sich nur dann optimal ausschöpfen, wenn Mitarbeiter und Technologie zusammenspielen. Das sollten Unternehmen berücksichtigen, wenn sie Automatisierungslösungen implementieren", so Annette Maier.
In der Praxis bedeutet dies, die Fachbereiche und deren Mitarbeiter frühzeitig mit RPA vertraut zu machen und sie über die Vorteile zu informieren, die RPA den Beschäftigten und dem Unternehmen bietet. Maier spricht damit einen heiklen Punkt an. Denn ebenso wie bei KI und Machine Learning hat zumindest ein Teil der Beschäftigten in Deutschland auch bei Robotic Process Automation den "Verdacht", dass mithilfe entsprechender Lösungen Arbeitsplätze eingespart werden sollen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Denn laut der Studie von IDG Research Services sehen 48 Prozent der Unternehmen in RPA ein Mittel, um eine höhere Kosteneffizienz zu erzielen. Dabei dürften auch Personalkosten eine Rolle spielen. Dem hält Annette Maier entgegen, dass Mitarbeitern bewusst gemacht werden müsse, dass die Technologie eingesetzt werde, um sie zu unterstützen - nicht um sie zu ersetzen.
Das gleiche Argument führt Ricardo Ullbrich an: "Eine Digital Workforce ermöglicht es Beschäftigen, sich auf anspruchsvollere Tätigkeiten zu konzentrieren." Als Beispiel führt Ullbrich Blue Prism Service Assist for AWS an. Die Automatisierungslösung für Contact Center wird über die Cloud von Amazon Web Services bereitgestellt. Sie stellt Mitarbeitern einen digitalen Serviceexperten zur Verfügung, der Anfragen und Beschwerden von Kunden aufnimmt und bearbeitet. Zu diesem Zweck greift die RPA-Software auf Daten zu, die in ERP- und CRM-Systemen gespeichert sind oder von anderen Applikationen bereitgestellt werden. "Dadurch ermöglicht es die Lösung, Anfragen von Kunden schneller und kompetenter zu beantworten", so Ullbrich.
Ein digitaler Assistent für jeden Mitarbeiter
Dass die Zahl der Bots beziehungsweise digitalen Assistenten in deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren deutlich steigen wird, ist absehbar. Derzeit dominieren noch die Einsatzfelder IT, Marketing und Fertigung. Doch Software-Roboter sind dabei, sich auch im Management, dem Vertrieb und der Human-Resources-Abteilung zu etablieren. Somit könnte mittelfristig die Vision von RPA-Anbietern wie UiPath und Blue Prism Wirklichkeit werden: Jeder Mitarbeiter erhält einen "digitalen Kollegen", der ihm hilft, sein Arbeitspensum schneller und effizienter zu bewältigen.
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Stichprobenstatistik
Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner
Platin-Partner: Blue Prism GmbH
Gold-Partner: UiPath GmbH
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage
Gesamtstichprobe: 347 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 06. bis 13. Juli 2021
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern
Durchführung: IDG Research Services