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Tipps gegen Konzentrationsverlust

E-Mails checken macht dumm

21.05.2021
Von  und
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.


Einen seiner ersten Artikel schrieb René Schmöl, Jahrgang 1982, mit 16 Jahren für die Tageszeitung Freies Wort. Es war ein Interview mit Hape Kerkeling. Dieser Erfolg motivierte ihn, weiterzumachen. Nach sieben Jahren im Lokaljournalismus und einer Ausbildung zum Verlagskaufmann folgte ein Volontariat bei der Verlagsgruppe Handelsblatt. Seit 2007 ist René Schmöl in unterschiedlichen Positionen für Foundry tätig. Momentan als Chef vom Dienst online für cio.de.
Wer ankommende Nachrichten immer sofort liest, arbeitet ineffizient und ist unkonzentriert. Doch mit einigen Tricks kann man der Konzentrationsachterbahn entkommen.
Jeden Tag prasseln viel zu viele Nachrichten auf uns ein. Oft bleibt keine Zeit, sie zu lesen und zu beantworten.
Jeden Tag prasseln viel zu viele Nachrichten auf uns ein. Oft bleibt keine Zeit, sie zu lesen und zu beantworten.
Foto: Branislav Nenin - shutterstock.com

Ein dumpfes Pling, ein aufpoppendes Fenster mit E-Mail-Benachrichtigung - und schon ist die Konzentration vorbei. Egal wie tief man in die Präsentation vertieft war, die wichtig ist und bald fertig sein muss, die akustischen und optischen Signale der eintreffenden E-Mails lassen sich kaum ignorierien. Das fällt besonders schwer, wenn man eine wichtige E-Mail erwartet wie das Go vom Chef oder eine Terminbestätigung. Also öffnet man die ankommenden Nachrichten doch. Leider war die E-Mail völlig unwichtig. Auf welcher Seite der Präsentation war man gleich noch mal?

Autor, Sozialpsychologe und Unternehmensgründer Ron Friedman vergleicht das ständige E-Mail-Checken damit, dass man immer sofort zum Supermarkt fährt, wenn einem auch nur ein einziger Küchenartikel ausgeht, anstatt nur ein einziges Mal zu fahren und gleich mehrere Dinge einzukaufen. "Uns ist allen klar, wie ineffizient ein solches Prozedere ist", schreibt er. Und trotzdem lesen wir sehr oft die gerade angekommene E-Mail. Weil wir irgendwie nicht anders können.

Die Neugier ist stärker

Wem dieses Szenario bekannt vorkommt, der kann insofern beruhigt sein: Es geht den meisten so. Wir sind einfach neugierig, wollen wissen, was in der E-Mail oder Chat-Nachricht steht. "Wer weiß, was die nächste E-Mail oder SMS oder das nächste Tweet an interessanten Neuigkeiten für uns bereithält. Das herauszufinden, schenkt uns ein sofortiges Gefühl der Befriedigung", schreibt Friedman. Leider trägt es nicht zur Konzentration oder einer guten geistigen Leistung bei.

Denn ständiges E-Mail- und Nachrichten-Checken macht tatsächlich dumm - zumindest zeitweise. Wie Forscher schon 2005 an der University of London in einem Experiment herausgefunden haben, senkt ständige Ablenkung von konzentriertem Arbeiten den IQ für eine kurze Zeitspanne. Wer gerade im Flow ist und voll auf eine Sache fokussiert, der legt immer wieder geistig eine Vollbremsung hin, einfach, weil er kurz in sein Postfach schaut.

20 Minuten vergehen bis zur vollen Konzentration

"Und wenn wir uns dann wieder unserer ursprünglichen Aufgabe zuwenden, müssen wir wertvolle geistige Ressourcen darauf verwenden, uns neu zu orientieren", schreibt Friedman. Deshalb sinkt der IQ auch zeitweise: Es fällt uns einfach schwer, uns sofort auf etwas Neues voll zu konzentrieren. Etwa 20 Minuten brauche man, um sich wieder in die ursprüngliche Aufgabe hineinzufuchsen, meint der Blogger. "Diese kleinen Verluste an Arbeitsenergie summieren sich mit der Zeit", schreibt Friedman.

Die meisten Arbeitnehmer erhalten jeden Tag sehr viele E-Mails und andere Nachrichten. Pro Woche verwendet ein durchschnittlicher Mitarbeiter, so eine Studie der AKAD-Hochschule, etwa einen ganzen Tag darauf, E-Mails zu bearbeiten. Laut der Studie summieren sich die durch E-Mails entstandenen Unterbrechungen auf zehn bis 15 Prozent der gesamten Arbeitszeit.

Auf der Konzentrationsachterbahn

Das bedeutet: Über den Tag verteilt fährt unsere Konzentration Achterbahn. So erledigen wir unsere Arbeit teilweise einfach schlecht und unkonzentriert. Letztlich leidet darunter sogar das gesamte Unternehmen, wenn man die verlorenen Stunden aller Mitarbeiter aufrechnet.

Dass die Unterbrechungen in der Konzentration sich wirklich gravierend auf uns auswirken und nicht nur Humbug sind, beweist die Tatsache, dass sich inzwischen auch seriöse Forschungsinstitute und Einrichtungen damit befassen. Der TÜV Rheinland hat zum Beispiel das Programm "Digitaler Arbeitsschutz" eingerichtet, um den Umgang mit der Kommunikation zu erleichtern. Die Telekom gibt in den eEtiketten Ratschläge, wie man mit der E-Mail-Flut umgehen sollte.

Doch was muss man tun, damit uns die E-Mails nicht mehr ablenken? Ignorieren scheint nicht zu funktionieren, stattdessen rät Friedman: "Schließen Sie Ihr E-Mail-Programm oder schalten Sie Ihr Telefon auf stumm." Alternativ könnte man einfach nur die Push-Benachrichtigungen oder den Ton ausschalten. Diese Maßnahmen sind oft einfacher, als ein blinkendes Mail- oder Chatsymbol auf dem Bildschirm zu ignorieren: "Der Ablenkung zu widerstehen und bei unserer Arbeit zu bleiben, erfordert dagegen Disziplin und geistige Anstrengung", schreibt Friedman. Und die geistige Anstrengung braucht man, um sich auf die vorliegende Aufgabe zu konzentrieren.

Damit das kurzzeitige Abschalten des Postfachs oder das Abschalten des Telefons nicht zu bösem Blut in der Abteilung führt, ist es hilfreich, Kollegen und Mitarbeitern vorher mitzuteilen, dass man in Klausur ist und nicht gestört werden will. Dazu rät auch die Telekom in ihren eEtiquetten.

Mut zum Nicht-Verfügbar-Sein

Verwendet das Unternehmen ein internes Chatprogramm, kann man dort zum Beispiel angeben, dass man in der Zeit zwischen halb elf und zwölf Uhr nicht erreichbar ist. So ist einem hinterher keiner böse, wenn man auf die E-Mail nicht schnell genug geantwortet hat. "Sie müssen sich ja nicht unbedingt für einen ganzen Tag vom Kommunikationsnetz abkoppeln", sagt Friedman.

Wir sind entspannter, wenn wir wissen, dass wir die E-Mails gleich lesen dürfen.
Wir sind entspannter, wenn wir wissen, dass wir die E-Mails gleich lesen dürfen.
Foto: GaudiLab - shutterstock.com

Übrigens: Wenn man im Hinterkopf hat, dass man in ein paar Minuten ohnehin wieder E-Mails checken darf, ist für den Augenblick stärker im Hier und Jetzt verankert. Was für Meetings gilt, in denen Smartphone-Pausen eingeplant werden können, gilt für den einzelnen Mitarbeiter erst recht. In den meisten Fällen ist eine fünf Minuten später beantwortete Anfrage keine Sache von Leben und Tod.

Gleiches hintereinander erledigen

Eine weitere Möglichkeit, um die Konzentrationsachterbahn in eine Konzentrationsautobahn zu verwandeln, ist es, ähnliche Aktivitäten hintereinander zu legen. So könne man, schlägt Friedman vor, zum Beispiel alle wöchentlichen Organisationsarbeiten an einem Stück erledigen oder alle Meetings hintereinander legen. Es gibt Unternehmen, die zum Beispiel ihre Treffen grundsätzlich nur vormittags anberaumen, damit die Mitarbeiter nachmittags effizienter arbeiten können.

Dieses Prinzip lässt sich auch auf E-Mails anwenden: "Wenn möglich, versuchen Sie das Schreiben und Beantworten von E-Mails auf zwei oder drei vorher festgelegte Zeiten zu beschränken", rät Friedman. Das gilt natürlich auch für das Lesen von E-Mails. So kann man sich ganz ungestört auf eine Sache konzentrieren und effektiv arbeiten.