Amazon vs. Gewerkschaften

Dreckig gekämpft und doch verloren

04.04.2022
Von Redaktion Computerwoche
Jahrelang hat sich Amazon in den USA gegen die Gründung eines Betriebsrats gewehrt – mit teilweise fragwürdigen Methoden. Dafür hat der Konzern nun die Quittung bekommen.
In den USA gründet sich erstmals in der Geschichte von Amazon ein Betriebsrat.
In den USA gründet sich erstmals in der Geschichte von Amazon ein Betriebsrat.
Foto: Luigi Morris - shutterstock.com

Was die New York Times (NYT) berichtet, liest sich wie das Drehbuch für einen schlechten Film. Nachdem ein Amazon-Arbeiter eine Protestaktion plante, um auf schlechte Arbeitsbedingungen beim weltweit größten Online-Händler aufmerksam zu machen, reagierte der Weltkonzern drastisch: Der zweitgrößte Arbeitgeber der USA formierte ein Reaktionsteam inklusive der Position eines "Incident Commander". Amazon ergriff eine breite Palette von Maßnahmen, um zu verhindern, dass sich US-Mitarbeiter gewerkschaftlich organisieren.

4 Millionen Dollar für den Kampf gegen Gewerkschaft

Der Initiator, ein Mitarbeiter namens Christian Smalls, wurde laut NYT zuerst öffentlich bloßgestellt und anschließend unter fadenscheinigen Begründungen entlassen. Allerdings erzielte das harte Vorgehen gegen den Mitarbeiter nicht das gewünschte Ergebnis: Smalls gründete die "Amazon Labor Union" und nahm gemeinsam mit seinem Ex-Kollegen Derrick Palmer, der noch bei Amazon angestellt ist, den Arbeitskampf auf.

Allein im Jahr 2021 hat Amazon dem Bericht zufolge mehr als vier Millionen Dollar für Beratungsdienstleistungen ausgegeben, um gewerkschaftliches Engagement in den Reihen der Beschäftigten zu verhindern. Genutzt hat es dem Milliardenkonzern nichts: In New York hat sich nun der erste Betriebsrat in einem Amazon-Warenlager in den USA gegründet - möglicherweise ein Signal für andere US-Niederlassungen. Bemerkenswert ist dieser Sieg der Arbeiter vor allem deshalb, weil er nicht von einer der etablierten Gewerkschaften, sondern von einem kleinen internen Team errungen wurde.

David besiegt Goliath

Zuvor hatte die etablierte Gewerkschaft "Retail, Wholesale and Department Store Union" vergeblich versucht, einen Betriebsrat in einem anderen Amazon-Warenlager im US-Bundesstaat Alabama zu gründen. Smalls und Palmer ließen sich von dem Scheitern nicht beeindrucken und organisierten Protestaktionen. Sie unterstützten zudem geschasste und gefeuerte Mitarbeiter. Dabei nutzten sie auch TikTok als Kanal, um sich öffentlich Gehör zu verschaffen:

@amazonlaborunion They can harass us, fire us, arrest us, but we’re gonna keep organizing. #occupyamazon ? Griddy x Nutcracker - freshbeatsnoah

@amazonlaborunion Reply to @stephdef21 More video of Amazon arresting ALU President Chris Smalls for “trespassing” while handing out free food to workers at lunch. #ALU ? original sound - Amazon Labor Union

Amazon hielt unterdessen mit einer aufwendigen Kampagne dagegen. Wie die NYT mit Bezug auf Gerichtsdokumente schreibt, wurden Social-Media-Konten von Mitarbeitern überwacht und diverse Meetings abgehalten, in denen die Organisatoren der Amazon Labor Union mit ihren Bemühungen diskreditiert worden sein sollen.

Nach der historischen Abstimmung über die Gründung des ersten Betriebsrats in einem US-Warenlager sagte ALU-Initiator Smalls vor versammelter Presse: "Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie viel Menschen bewegen können, wenn sie sich zusammenschließen. Wir leben in einer Realität, von der die Kunden erfahren müssen."