Geringerer Aufwand und erhöhte Compliance

Digitales Vertragsmanagement - Risiken und Chancen

26.06.2015
Von 
Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE

Der studierte Diplom-Mathematiker Matthias Kunisch ist Geschäftsführer der forcont business technology GmbH, ein auf Enterprise Content Management (ECM) spezialisiertes Softwarehaus, und seit 1976 in der IT-Branche tätig. Zudem ist Kunisch Mitglied des Vorstandes des Cloud-EcoSystem e.V.
Viele Unternehmen setzen irgendwann auf Dokumentenmanagement-Lösungen, weil sie nach einem Weg suchen, dem Chaos in ihren Ablagen, Ordnern und Postfächern Herr zu werden. Ein digitales Vertragsmanagement kann aber noch wesentlich mehr zur Wertschöpfung im Unternehmen beitragen, als „nur“ das Tagesgeschäft zu entlasten.

Häufig verlieren Unternehmen ab einem gewissen Zeitpunkt und einem gewissen Volumen den Überblick über ihre Verträge. Das ist kein Unwille oder Unvermögen, sondern ein rein strukturelles Problem. Im Geschäftsalltag werden Vertragsakten von Mitarbeitern unterschiedlicher Fachbereiche eingesehen und bearbeitet. Daher kreisen sie, mal als Original, mal als Kopie - aber mit aktuellerem Inhalt als das Original - beständig durch ein Unternehmen. Dieser Aktentourismus bringt dann Probleme mit sich, wenn irgendwann nur noch einzelne Fachbereiche oder gar einzelne Personen über den Verbleib einer Vertragsakte Bescheid wissen.

Analog oder digital? Durchdachtes Vertragsmanagement kann Zeit und Geld sparen.
Analog oder digital? Durchdachtes Vertragsmanagement kann Zeit und Geld sparen.
Foto: pressmaster - Fotolia.com

Das bedeutet, dass den aktuell betroffenen Mitarbeitern oder Fachabteilungen Verträge gar nicht oder nur unvollständig vorliegen. Dies führt zu weiteren Problemen: Fristen werden nicht rechtzeitig erkannt beziehungsweise Termine nicht eingehalten. Durch die mangelnde Transparenz können die Rechtsabteilung und das Risikomanagement eventuell Vertragsverhandlungen nicht sinnvoll begleiten und es kommt zu nachteiligen Abschlüssen für das Unternehmen. Schließlich ist auch das Reporting beeinträchtigt, da die Verträge mühsam zusammengesucht werden müssen und die undurchsichtige Vertragshistorie zu fehlerhaften oder veralteten Reportings führen kann. Die Auswertung und Vergleichbarkeit von Vertragsvolumina ist aber für ein effizientes Controlling unabdingbar.

Mögliche Risiken

Gerade die juristische und risikobezogene Bewertung der Verträge ist heikel. Laufen bestimmte Fristen unbeachtet ab, basiert das Geschäft ab diesem Zeitpunkt womöglich auf unwirksamen Vertragsbestandteilen, also nur noch auf Gewohnheit - und das ist keine belastbare Grundlage.
Oder es wurden nicht alle Vertragspflichten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt und der Geschäftspartner kann Verzugskosten geltend machen oder die Einrede der Verjährung erklären. Schließlich sind auch langfristige Gewährleistungsrechte und -pflichten ein immer wiederkehrendes Thema, etwa wenn Vertragsklauseln durch gesetzliche Novellierungen angepasst werden müssen oder sich der persönliche Haftungsrahmen der Vertragsparteien verändert. Solche Risiken und die damit verbundenen Kosten lassen sich nur durch die vollständige, kontinuierliche Kontrolle von Fristen und Leistungen vermeiden.

Externer Handlungsdruck

Neben der Forderung nach besserer Übersicht und Nachvollziehbarkeit - die meist auch durch Kostenargumente motiviert wird - und einer validen Risikobewertung beziehungsweise aktiven Risikovermeidung, gibt es noch einen dritten Motivator: die Compliance. Häufig wird deren Entwicklung und Umsetzung auch von externen Stellen gefordert, etwa Wirtschaftsprüfern oder Geschäftspartnern mit einem entsprechenden Qualitätsmanagement.

Systematische Lösung

Ein digitales Vertragsmanagement bietet eine systematische Lösung, mit der Verträge umfassend bearbeitet, überwacht, ausgewertet und sicher abgelegt werden können. Außerdem lässt sich das Vertragsmanagement auch aktiv einsetzen, um Verträge zu erstellen oder zu beenden. Damit ist dann fast das gesamte Spektrum an Vertragsprozessen lückenlos abgebildet.

Hinzu kommt noch die elektronische Archivierung der Vertragsakten. Da aber juristisch die Beweiskraft papierbasierter Verträge höher einzuschätzen ist als die digitalisierter Akten, wäre es fahrlässig, nur auf eine elektronische Archivierung zu setzen. Aus diesem Grund muss eine Archivierungslösung nicht Teil des Vertragsmanagements sein. Entscheidet man sich dennoch dafür, sollte man auf eine nahtlose Integration der beiden Lösungen achten.

Umfassend oder gezielt?

Denken Unternehmen über die Einführung eines digitalen Vertragsmanagements nach, ist es oftmals der erste Gedanke, sämtliche Vertragsarten zukünftig digital zu verwalten. Allerdings ist dies nur in den seltensten Fällen sinnvoll, geschweige denn kosteneffizient umsetzbar.
Unternehmen profitieren in der Regel nicht davon, Standardverträge mit immer denselben Konditionen, etwa Endkundenverträge, in einer speziellen Softwarelösung zu verwalten. Aus den Verträgen ergeben sich zum einen kaum Risiken. Außerdem ist es kaum vorstellbar, dass es für das Alltagsgeschäft relevante Informationen gibt, die exklusiv nur in diesen Verträgen zu finden sind. Ein CRM-System ist in der Regel die bessere Quelle.

Lieferanten-, Miet-, Kreditrahmen- und individuelle Dienstleistungsverträge sind hingegen prädestiniert für die digitale Verwaltung. Bei der Komplexität der Vertragskonditionen wie auch der Beziehung zwischen den einzelnen Verträgen kann eine Vertragsaktenlösung ihr volles Potenzial ausschöpfen. Die Verträge sind dann permanent für alle berechtigten Mitarbeiter zugänglich - und, ein intelligentes Rechte- und Rollenkonzept vorausgesetzt, auch nur für diese. Der gesamte Lebenszyklus des Vertrags mit allen Dokumenten, Notizen, Terminen und Fristen, Protokollen sowie der Änderungshistorie ist mit wenigen Klicks verfügbar. Das wiederum verbessert die Auskunftsfähigkeit der jeweiligen Fachabteilung und erleichtert das Vertragscontrolling.

Aufbau und Funktionen

Kern einer jeden Vertragsakte ist eine fest definierte, übersichtliche - und optisch immer gleiche - Grundstruktur, so dass jeder Mitarbeiter sich schnell in ihr zurechtfindet. Das sollte auch für Verträge gelten, deren Entstehung von einem anderen Fachbereich oder Mitarbeiter betreut wurde. Durch eindeutige, nicht zu übergehende Workflows werden zudem für jede Akte Kerninformationen erfasst, die den grundlegenden Qualitätsanspruch der Vertragsverwaltung durchgängig sicherstellen. Dazu gehört die Erfassung externer Vertragspartner, mit denen der Vertrag geschlossen wurde. Dann der interne Vertragspartner innerhalb des Unternehmens, der den Vertrag geschlossen hat beziehungsweise die inhaltliche Verantwortung trägt sowie die Erfassung des für die Vertragsverwaltung zuständigen Rechts- oder Fachbereiches. Hinzu kommt natürlich auch noch das unterschriebene Vertragsdokument selbst und weitere Vertragsdaten zur inhaltlichen Klassifikation des Vertrages (Vertragsgegenstand), des Vertragstyps und der Vertraulichkeit.

Eine intuitive, nutzerfreundliche und anpassbare Oberfläche erlaubt es, die verschiedenen Aufgaben der Fachabteilungen individuell abzubilden. Dazu gehört auch, dass die Workflows des Vertragsmanagements an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden. Entscheidend für einen produktiven Einsatz ist außerdem eine leistungsfähige Suchfunktion und eine praxistaugliche, das Wording des Unternehmens abbildende Verschlagwortung, die sich jederzeit problemlos erweitern und anpassen lässt.

Einführung

Wie bei allen anderen Integrationsprojekten in der IT gibt es auch für die Einführung eines Vertragsmanagements bewährte Best Practices. Vor dem eigentlichen Projektstart sollten sich alle Beteiligten und Verantwortlichen in einem Workshop über wesentliche Punkte verständigen. Dazu zählen die Geschäftsziele, die mit der Einführung verfolgt werden, der Umfang und die Art der zu erfassenden Verträge, die für das Unternehmen passende Aktenstruktur sowie korrespondierende Workflows, das Rollen- und Berechtigungskonzept sowie schließlich die technischen Anforderungen hinsichtlich einer nahtlosen Integration in die bestehende Systemlandschaft. Außerdem gilt es zu klären, wie die Bestandsakten digitalisiert werden sollen, inhouse oder durch einen externen Dienstleister?
Ist all das eindeutig geklärt, ist die Einführung meist nur noch ein Standardprozedere. (bw)