Neue Geschäftsmodelle

Digitaler Zwilling - Einsatzbereich für die Blockchain

05.12.2019
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Dirk Röder ist Head of Blockchain Solution Center bei der T-Systems Multimedia Solutions GmbH. Davor war er als Blockchain Evangelist bei MaibornWolff beschäftigt.
Der Begriff des digitalen Zwillings geistert seit geraumer Zeit durch die Hallen der Maschinenbauer. Als Teil der digitalen Transformation treibt dieser Ansatz den Wandel, wie wir Menschen mit Maschinen kommunizieren - und bald auch diese untereinander.

Die Definition des Begriffs "Digital Twin" ist nicht eindeutig, das Konzept lässt sich am besten mit einem virtuellen Stellvertreter beschreiben. Heutige Erzeugnisse der Branche sind mit immer mehr Sensoren ausgestattet und setzen verstärkt auf Elektronik. Der digitale Zwilling hortet all diese Daten, daraus entstehen mitunter völlig neue Geschäftsmodelle. Die Blockchain kann hier vor allem helfen, die Daten sicher zu dokumentieren.

Mit Hilfe der Blockchain können Daten im Digital Twin sicher und unveränderbar abgelegt werden.
Mit Hilfe der Blockchain können Daten im Digital Twin sicher und unveränderbar abgelegt werden.
Foto: Chesky - shutterstock.com

Nehmen wir als konkretes Beispiel den Gebrauchtmaschinenmarkt. Der Zustand einer Maschine ist maßgeblich für den Verkaufspreis und ähnlich zum Gebrauchtwagenmarkt sind regelmäßige Wartungen und die Laufleistung preisrelevant. Was der Tachostand beim Auto sind bei Maschinen die Betriebsstunden. Im KFZ-Bereich geht man davon aus, dass 30 Prozent aller in der EU zugelassenen Fahrzeuge mit manipulierten Tachoständen unterwegs sind. Bei einer Baumaschine entspricht das der Angabe, wie oft und wie stark das Gerät bereits genutzt wurde. Schließlich schlagen sich diese Daten direkt im Preis nieder.

Blockchain als unbestechlicher Notar

Der Markt bietet gleichzeitig eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen. Da ist der Besitzer der Maschine, der am Verkaufstag einen hohen Verkaufspreis erzielen möchte. Mitunter ist auch eine Bank mit von der Partie, die ihre Investition gesichert haben möchte und so auf die Einhaltung von werterhaltenden Wartungsintervallen pocht. Gegenläufig sucht der Kaufinteressent nach einem Schnäppchen und begegnet Unterlagen zu Betriebsstunden und Wartungen mit Misstrauen.

Hier könnte Blockchain als neutraler, unbestechlicher Notar auftreten und Manipulationsversuchen mit einem Zeitstempel und der Unveränderbarkeit der Transaktionsdaten begegnen. Dafür werden zum Beispiel die Dokumente zur Inspektion in einem Datenspeicher abgelegt, deren Hash in einer öffentlichen Blockchain persistiert ist. Jede Interaktion mit einem Händler oder einer Werkstatt und Eigentümerwechsel sind somit historisch in den Blöcken verankert, unveränderbar und für Dritte einsehbar.

Dafür erhält die Maschine eine eindeutige ID, mit der sie sich gegenüber Dritten ausweisen kann. Schon heute nutzt man die Fahrgestellnummer zur Bestimmung eines Fahrzeugs, in Zukunft können dies aber auch kryptografische Schlüssel in der Software sein. Letztlich sollte diese ID und ihre Historie aus Sicherheitsgründen dezentral abgelegt werden.

Im nächsten Schritt könnte die Maschine auf marktwirtschaftliche Transaktionen ge-upgraded werden: Während heutzutage keine Maschine ein Bankkonto besitzt, reicht in der Blockchain-Welt bereits diese eindeutige ID aus, um darauf ein sogenanntes kryptografisches Wallet aufzusetzen. Damit kann die Maschine am Wirtschaftskreislauf partizipieren und sich mit anderen Maschinen völlig autark austauschen. Als Stichwort liegt hier die Bezahlung nach Nutzung (Pay per Use) nahe, die unbürokratisch zwischen Maschinen erfolgt.

Voraussetzung: Digitalisierung von analogen Prozessen

Ein oft genanntes Beispiel: Der Getränkeautomat wirft Getränke gegen Geld aus, im Ausland zunehmend bargeldlos. Das Aufstocken mit neuen Getränkedosen könnte quasi im Internet erfolgen, die Auslieferung mit einer Drohne. In diesem Fall vertrauen sich Drohne und Automat, die Abrechnung erfolgt über das Kassenbuch der Blockchain. Solche Szenarien lassen sich auch für andere Kommunikationsvorgänge Maschine-zu-Maschine in einer digitalen Fabrik vorstellen.

Allerdings ist die Basis für solche Überlegungen eine konsequente Digitalisierung von analogen Prozessen. Wie so häufig in der digitalen Transformation behindert selten die Blockchain- (oder eine andere) Technologie die Anwendung der Digitalisierung, sondern die Angst vorm Wandel.

Andere Unternehmen hingegen gehen bewusst in eine Vorreiter-Rolle und spielen Szenarien durch, die aktuell noch wie aus einer anderen Welt klingen: Wenn zum Beispiel ein Versicherungsunternehmen die Auslastung einer Produktionsstraße versichern möchte und in einem Prototypen Roboter und deren Verfügbarkeit via Sensoren ausliest, bewertet und Zahlungen vollkommen automatisiert, dann können Entschädigungszahlungen direkt an den Betreiber oder - je nach Vertrag - den Auftraggeber auszahlt werden.

Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Anwendungsfälle die Kombination aus Digital Twins und Blockchain-Technologien in die Breite tragen werden. Meine Prognose: Wie bei anderen Blockchain-Themen auch werden wir es schneller wissen, als wir heute erwarten. (mb)