Baden-Württemberg startet Open-Source-Projekt

Der digitale Arbeitsplatz für alle Lehrkräfte

19.04.2024
Von   
Tillmann Braun ist freier Journalist und Kommunikationsberater für non-profit Organisationen und Unternehmen. Sein Fachgebiet sind innovative IT-Lösungen für die Vernetzung von Menschen und Maschinen. Zu seinen Spezialthemen gehören intelligente (Heim-)Netzwerke, Machine-to-Machine-Kommunikation, Mobile Payment, IT-Strategien und vielfältig einsetzbare Kommunikationssysteme.
In Baden-Württemberg hat der Rollout eines neuen Digitalen Arbeitsplatzes für Lehrkräfte begonnen, der auf Open-Source-Software basiert. Eine Blaupause für andere Ministerien und Behörden?
Da Browser-basiert, können die Lehrkräfte den Digitale Arbeitsplatz von jedem Endgerät aus nutzen.
Da Browser-basiert, können die Lehrkräfte den Digitale Arbeitsplatz von jedem Endgerät aus nutzen.
Foto: Stock Rocket - shutterstock.com

Gerade in Schulen spielt der Schutz von Daten eine wichtige Rolle. Viele Eltern wie auch Schülerinnen und Schüler fragen sich zurecht, wie gut persönliche und teils sensible Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt werden, wenn die Kontrolle über die eingesetzten Softwarelösungen nicht bei den zuständigen Behörden und Ministerien liegt, sondern bei Anbietern aus Übersee. Das Kultusministerium von Baden-Württemberg hat sich deshalb dazu entschieden, auf die Open-Source-basierte Plattform dPhoenixSuite zu setzen, die vom deutschen IT-Dienstleister Dataport, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, gemanagt wird.

Landesweiter Rollout nach erfolgreicher Pilotphase

Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt mit rund 550 Lehrkräften ist nun der Startschuss zu einem großflächigen Rollout gefallen. Der Digitale Arbeitsplatz (DAP), der Teil der Bildungsplattform Schule@BW ist und in den Landesfarben glänzt, wird nun in mehreren Phasen eingeführt. Bereits bis zum Jahresende sollen alle rund 120.000 Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg die Lösung nutzen - und damit profitieren letztlich auch alle Eltern, Schülerinnen und Schüler.

"Wir hatten uns auch andere Lösungen, wie jene der großen und internationalen Hyperscaler angeschaut, insbesondere unter den Maßgaben der Datenschutzanforderungen", berichtet Mario Schmid, der als Regierungsschuldirektor maßgeblich an der Einführung der neuen Lösung beteiligt war. Nicht zuletzt aufgrund der Datenschutzanforderungen habe man sich für die Lösung mit dPhoenix entschieden.

Wie der Schritt zeigt, werden die Sorgen, die viele Experten und Datenschutzbeauftragte hinsichtlich US-Software haben, in Baden-Württemberg offensichtlich ernst genommen - und das, obwohl Microsoft Lizenzen für den Bildungssektor stark subventioniert. So gab die Tatsache, dass die nun stattdessen verwendete, quelloffene Software eine 100-prozentige Kontrolle und Stabilität sowie einen guten Schutz personenbezogener Daten ermöglicht, den Ausschlag für den Digitalen Arbeitsplatz für Lehrkräfte als Teil der neuen landeseinheitlichen Bildungsplattform.

Aufgebaut aus Open-Source-Komponenten

Der DAP basiert auf dem digital souveränen Arbeitsplatz der dPhoenixSuite, welcher aus Open-Source-Komponenten besteht. Dazu gehören:

  • Ein E-Mail-Programm für Lehrkräfte samt dazugehöriger Funktionen (Kontaktverwaltung, Kalender, Aufgabenmanager, etc.) auf Basis von Open-Xchange.

  • Ein Datenspeicher auf Basis von Nextcloud, um Ordner und Dateien online an- und abzulegen, zu verwalten und zu teilen - auch mit Personen, die über kein eigenes DAP-Konto verfügen, beispielsweise Schülerinnen und Schüler oder Eltern.

  • Die in den Datenspeicher integrierte Online-Office-Lösung Collabora. Die angepasste Version von LibreOffice ermöglicht es, direkt im DAP Texte, Präsentationen und Tabellen zu erstellen und zu bearbeiten - auch gleichzeitig und gemeinsam.

Die Orchestrierung der aufgeführten Open-Source-Komponenten des DAP erfolgt über den Univention Corporate Server. Der Login in den DAP erfolgt über das Identitäts- und Accessmanagementsystem (IdAM) und erfüllt Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen. Der Mail-Verkehr wird verschlüsselt und der Betrieb des Digitalen Arbeitsplatzes erfolgt in zertifizierten Rechenzentren in Deutschland.

Der neue Digitale Arbeitsplatz für Lehrkräfte in Baden-Württemberg, basierend auf der dPhoenixSuite.
Der neue Digitale Arbeitsplatz für Lehrkräfte in Baden-Württemberg, basierend auf der dPhoenixSuite.
Foto: Kultusministerium BaWü

Stabilität, Flexibilität und Wahlfreiheit

Darüber hinaus bietet der neue Digitale Arbeitsplatz noch weitere Vorteile. "Wir brauchen Stabilität und gute Nutzbarkeit", betont Schmid. "Die neue Lösung funktionierte in den Erprobungen zuverlässig, was erfahrungsgemäß selbst bei den bekannten proprietären Softwarelösungen nicht immer gewährleistet ist", weiß der Regierungsschuldirektor. Darüber hinaus habe sich die Schlankheit und Eleganz des neuen Arbeitsplatzes im Pilotprojekt als klarer Vorteil erwiesen: Lehrkräfte konnten die Lösung auf Anhieb nutzen, was auch daran liegt, dass der Arbeitsplatz absichtlich nicht mit unnötigen Features überladen wurde.

Der modulare Aufbau von Schule@BW und auch von dPhoenix bietet zudem Flexibilität und Wahlfreiheit bei jeder Komponente in jedem Bereich. Da es sich beim Digitalen Arbeitsplatz um eine Open-Source-basierte Suite handelt, könnten einzelne Bausteine bei Bedarf ausgetauscht oder mit neuen Lösungen ergänzt werden, wenn dies notwendig werden sollte. Auch das ist bei proprietären Lösungen nicht ohne weiteres möglich. Somit ist man in Baden-Württemberg nun unabhängiger von einzelnen Anbietern.

SaaS-Lösung unterstützt auch BYOD

Die Entscheidung des Kultusministeriums, einen ebenso flexiblen wie sicheren Arbeitsplatz für die Lehrkräfte einzuführen, dürfte andere Länder, Ministerien und Behörden dazu ermutigen, ebenfalls neue Wege zu gehen. Dabei hat man sich in Baden-Württemberg für eine Umsetzung als Software-as-a-Service (SaaS) mit dem Partner Dataport entschieden, der für sieben andere Bundesländer bereits die Kommunikationsinfrastruktur bietet und als IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung aktiv ist.

Auch wenn Schulen theoretisch in der Lage wären, eine ähnliche Open-Source-Lösung selbst in ihrem Schulnetzwerk zu betreiben, setzt das Kultusministerium auf eine Cloud-Lösung mit Dataport. "Wir wollen unseren Lehrkräften an den rund 4.000 Schulen eine Lösung zur Verfügung stellen, die ohne große Aufwände und von jedem digitalen Arbeitsplatz Browser-basiert sofort zu nutzen ist. Und wir wollen unsere Lehrkräfte von Administrationsaufgaben entlasten", erläutert Schmid.

Schulen und Lehrkräfte dürfte es zudem freuen, dass der neue Digitale Arbeitsplatz von jedem Endgerät aus genutzt werden kann. Somit ist es kein Problem, dass vielerorts eine bunte Mischung aus diverser Hardware zum Einsatz kommt, die teils kurzfristig während der Corona-Pandemie beschafft wurde, um den Schulbetrieb am Laufen zu erhalten. Da der Arbeitsplatz über den Browser zu erreichen ist, kann dieser über jeden PC, Laptop, Tablet und Smartphone aufgerufen werden.

Landesweit einheitliche Lösung

Am Otto-Hahn-Gymnasium in Nagold, einem der größten Gymnasien in Baden-Württemberg mit knapp 1.100 Schülern, ist die Vorfreude groß. Besonders freut sich Ulrich Hamann, Schulleiter des OHG, über das Single-Sign-On der landeseinheitlichen Bildungsplattform. "Mit der neuen Lösung wird es viel einfacher und unsere Lehrerinnen und Lehrer können sich auf die Vorbereitung des Unterrichts konzentrieren anstatt sich mit wechselnden Software-Lösungen auseinandersetzen zu müssen", so Hamann.

Bislang mussten sich Lehrkräfte nach einem Schulwechsel stets in unterschiedliche Systeme einarbeiten. Auch beim Wechsel des Laptops waren die zahllosen Log-Ins bislang ein großer Aufwand, der mit der neuen Lösung nun wegfällt. Hamann ist zudem sehr froh, dass Schule@BW professionell gehostet wird - und verspricht sich eine nachhaltige Lösung die viele Jahre Bestand haben wird. (mb)