Beinahe 3000 IT-Verantwortliche nahmen an der diesjährigen Umfrage zur "CIO Agenda 2016" teil, darunter ein knappes Drittel, genauer: 940, aus der EMEA-Region. In diesem Jahr lautete das Motto der Studie: "Building the Digital Platform". Wie sich dabei herausstellte, erzielen die Unternehmen in Europa, Middle East und Afrika einen eher bescheidenen Teil ihrer Umsätze mit Hilfe digitaler Prozesse: Der Umfrage zufolge macht das "digitale Business" in der Privatindustrie momentan durchschnittlich 17 Prozent aus. In den kommenden fünf Jahren rechnen die befragten CIOs aber mit einem Anstieg auf 38 Prozent.
Geschäftsführer und Vorstände schätzen ihre Unternehmen geringfügig besser ein: Sie sehen die digitalen Umsätze derzeit bei 22 Prozent, in fünf Jahren bei 41 Prozent. Im öffentlichen Bereich ist die Einschätzung noch positiver: Von heute 43 Prozent klettern die digitalen Prozesse den Prognosen zufolge bis 2020 auf 79 Prozent.
Haben die Unternehmen genug Mut?
Auf die Frage, was das für ihren Verantwortungsbereich bedeute, antworten die europäischen CIO allerdings eher konventionell: Die wichtigste Aufgabe ist für mehr als ein Drittel von ihnen (34 Prozent) die Aufgabe, mehr Umsatz durch verbesserte Operations zu ermöglichen. Mit deutlichem Abstand (21 Prozent) folgt die Unterstützung digitaler Kanäle. Elf Prozent der EMEA-CIOs wollen vor allem engere Partnerschaften knüpfen, und jeweils sieben Prozent legen den Fokus darauf, neue Märkte zu schaffen beziehungsweise die Mitarbeiter zu ermutigen und mit den nötigen Mitteln zu versehen. "Digitalisierung ist für viele CIOs immer noch eine ziemlich operationale Sache", so kommentiert Aron die Ergebnisse: "Die Frage stellt sich deshalb, ob die Unternehmen eigentlich mutig genug sind."
- Treue unverändert
Oft bleiben CIOs ihrem Unternehmen zwei bis fünf Jahre treu. Wie die Grafik zeigt, hat sich diesbezüglich im vergangenen Jahr wenig verändert. - Längerer Horizont
Eine ähnliche Fragestellung, diesmal geht es um die Erwartungen der CIOs. Immerhin 9 Prozent gehen mittlerweile davon aus, ihre aktuelle Stelle noch mindestens 10 Jahre zu besetzen. - Reporting-Linie macht's aus
CIOs sind dann besonders zufrieden, wenn sie direkt an den CEO berichten und bestenfalls im Vorstand sitzen. Auch die Unternehmensgröße spielt eine Rolle. IT-Chefs kleiner Firmen sind offenbar glücklicher als jene großer Konzerne. - Aktive Suche
Keine dramatische Veränderung, aber immerhin eine kleine: CIOs sind offenbar immer stärker geneigt, die Jobsuche aktiv anzugehen anstatt auf einen Headhunter-Anruf zu warten. - CDO keine Option
Nur 13 Prozent der CIOs sehen sich selbst in absehbarer Zeit in die CDO-Rolle wechseln. Die Mehrheit geht davon aus, auch noch in fünf Jahre in der IT tätig zu sein. - Glückliches Drittel
Jeder Dritte CIO durfte sich laut Studie im vergangenen Jahr über ein höheres Grundgehalt freuen. Einbußen gab es nur für wenige IT-Chefs.
Europäer sind digitaler
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die CIOs nach ihren drei wichtigsten technischen Themen fragt: Auf Platz eins rangiert (mit 39 Prozent der Nennungen) der Big-Data-Komplex, also Business Intelligence und Analytics. Infrastruktur und Data Center schließen sich an (27Prozent), gefolgt vom der Cloud (26 Prozent). Immerhin 26 Prozent der EMEA-CIOs rechnen Digitalisierung und Digitales Marketing zu ihren "Top Three". Damit sind sie ihren Kollegen in Nord- und Südamerika sowie dem Asia-Pacific-Raum deutlich voraus.
Die Prognosen für das kommende Jahr verraten geringfügige, aber richtungsweisende Veränderungen gegenüber dem Status quo. Dazu Aron: "In den vergangenen Jahren konzentrierten sich die Prioritäten um den Nexus of Forces (Big Data, Social, Mobile und Cloud) herum. Künftig werden die Schwerpunkte weiter gestreut sein."
In EMEA geringfügig mehr Budget
Eine Sonderstellung nehmen die CIOs aus EMEA auch bezüglich der Budgetentwicklung ein - leider nicht im positiven Sinn. Weltweit freuen sich die CIOs über ein durchschnittliches Wachstum ihrer Finanzmittel um 2,2 Prozent, wobei Asia-Pacific mit 4,1 Prozent ganz vorn liegt. Auch im europäischen-afrikanischen Raum steigen die IT-Budgets, allerdings nur um 1,5 Prozent. "Das reicht auf keinen Fall, um die Digitalisierung voranzutreiben", sagt Aron.
Die wichtigste CIO-Aufgabe
Aber wofür genau sollten die CIOs ihre Budgets verwenden, um den Unternehmen bei der Digitalisierung zu helfen? Gartner hat hier klare Vorstellungen: "Digitale Visionäre bauen ihr gesamtes Geschäft auf Plattformen auf", so die Empfehlung des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens. Plattformen in diesem Sinn bezeichnen flexible Systeme, in die sich Ressourcen ein- und ausklinken lassen. Sie basieren auf Verbindungen und Beziehungen, weshalb sie auch nicht an den nicht an den Unternehmensgrenzen enden.
Solche Plattformen lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen schaffen, beginnend mit der Infrastruktur über die Bereitstellung von Services, das Personal, ja sogar die Führungsebene, bis hin zum Geschäftsmodell. Es werde für die CIOs "eine große Sache" sein, den Unternehmen beim Aufbau dieser Plattformen zu helfen, so Arons Prognose.
- Was einen guten CIO auszeichnet ...
... fassen wir in folgenden fünf Punkten zusammen: - Er kann zuhören
Gute Führungskräfte hören zu. In Konfliktsituationen identifizieren sie zuerst die Stakeholder und ihre Interessen: Nicht nur Vorgesetzte, sondern auch andere Abteilungen und Teamleiter, aber auch wichtige Mitarbeiter auf Schlüsselpositionen haben eigene Interessen, die Führungskräfte kennen müssen. Sie gehen bewusst auf die Leute zu und holen jeden Beteiligten individuell ab. - Er erkennt rechtzeitig die Ziele
Gute IT-Manager haben die übergeordneten Ziele des Unternehmens im Blick und treiben die Prozesse in ihren Abteilungen in die jeweilige Richtung. Widersprüchliche Ziele – zum Beispiel Kosteneffizienz und Kundenzufriedenheit – priorisieren sie und sichern ihre Schwerpunkte gegenüber Vorgesetzten kontinuierlich ab. - Er ist entscheidungsfreudig
Vor Entscheidungen machen sich gute Führungskräfte ein umfassendes Bild aller wichtigen Aspekte. Wollen sie auch mittel- und langfristig handlungsfähig bleiben, entscheiden sie immer zeitnah – im Zweifel lieber falsch als gar nicht. Am wichtigsten jedoch ist, jede Entscheidung auch konsequent umzusetzen. - Er gibt die Richtung vor
Gute Führungskräfte verlieren sich nicht im Mikro-Management. Ihre Aufgabe ist es, zu leiten und gegenüber Mitarbeitern klar zu formulieren, was von ihnen erwartet wird. Dabei stellen sie sich immer wieder selbst auf den Prüfstand und sorgen dafür, dass jede Maßnahme zielführend ist. - Er schafft Transparenz
Entscheidungen lassen sich nur umsetzen, wenn die Führung sie allen Beteiligten gegenüber zeitgerecht und umfassend mitteilt. Kluge Führungskräfte binden die Mitarbeiter rechtzeitig ein.
Personalsorgen und Kulturprobleme
Und was kann die CIOs davon abhalten, das zu tun? Noch lauter als über die knappen Budgets klagen die IT-Chefs über den Mangel an geeigneten Mitarbeitern: Für 22 Prozent ist er das Haupthindernis, das zwischen ihnen und ihren Zielen liegt. Zu wenig Geld ist nur für 15 Prozent das größte Thema. Im EMEA-Raum liegen die beiden Gründe allerdings mit jeweils 17 Prozent der Nennungen gleich auf. Für zwölf Prozent der CIOs spielt die Unternehmenskultur den Spielverderber. Unzureichende Technik hingegen hat eine eher untergeordnete Bedeutung: Neun Prozent der CIOs weltweit und acht Prozent der IT-Verantwortlichen in EMEA fühlen sich dadurch massiv behindert.
Welche Anbieter helfen?
Zum ersten Mal stellten Aron und sein Umfrageteam in diesem Jahr Fragen zu konkreten Anbietern. Er habe dabei schon ein bisschen Bauchschmerzen gehabt, räumt der Gartner-Analyst ein. Denn er werde den Lieferanten sicher Rede und Antwort stehen müssen, obwohl er ja nur der Überbringer der Nachricht sei. Gute Nachrichten sind das vor allem für Cloud-orientierte Anbieter wie Salesforce, Amazon Web Services und Google. Sie werden von der Mehrzahl der Anwender als Beschleuniger der Digitalisierung betrachtet. Von den etablierten Providern schneiden Accenture, Capgemini und SAP noch relativ gut ab.
CDOs bleiben Einzelfälle
Hinsichtlich ihrer eigenen Rolle für die Digitalisierung der Unternehmen sind die CIOs in den vergangenen zwei Jahren erheblich selbstbewusster geworden: Zwei Fünftel von ihnen (in EMEA sogar 43 Prozent) sehen sich selbst als Treiber der Digitalen Transformation und ein Drittel hält sich für Innovationsführer. Den CIOs diese Einschätzung zu überlassen sei ein wenig so wie die Gans oder - im angelsächsischen Raum - den Truthahn nach ihrer Ansicht zu Weihnachten zu fragen, räumt Aron ein. Andererseits habe der im vorletzten Jahr propagierte Chief Digital Officer (CDO) immer noch keine nennenswerte Verbreitung gefunden; in weniger als zehn Prozent der Unternehmen sei in der Zwischenzeit ein CDO ernannt worden: "Offenbar schlägt der CIO jetzt zurück."